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Weltweiter Erfolg durch CoronaimpfungenBesser geschützt in reichen Ländern

Impfungen haben 15 bis 20 Millionen Leben gerettet. In ärmeren Ländern hätten es viele mehr sein können. Das haben britische For­schende errechnet.

Zahlreiche Menschen stehen Schlange für eine Covid19-Impfung in Johannesburg Foto: Emmanuel Croset/afp

London/Berlin dpa/afp/taz | Die Corona-Impfstoffe sind ein überwältigender Erfolg. Allein in ihrem ersten Jahr wurden weltweit 14 bis 20 Millionen Covid-19-Tote verhindert. Damit sei die Zahl der ohne Impfungen erwarteten Todesfälle mehr als halbiert worden, schreiben For­sche­r:in­nen des Londoner Imperial College in einem am Freitag veröffentlichten Beitrag im Fachmagazin „Lancet Infectious Diseases“.

Profitiert haben demnach aber vor allem die Menschen in reicheren Ländern. Aus Zahlen der Studie geht hervor, dass in den reichsten Ländern rund 76 Prozent aller erwartbaren Coronatodesfälle verhindert werden konnten. In den ärmsten Ländern waren es gerade mal 14 Prozent.

Die Autoren der Studie untersuchten Daten aus 185 Ländern und Territorien. Verwendet wurden offizielle Zahlen oder Schätzungen zur Zahl der Corona-Toten sowie Statistiken zur Übersterblichkeit in jedem Land. Verglichen wurde dies mit einem hypothetischen Alternativszenario, bei dem es keine Impfungen gibt.

Bei der Modellierung wurden unter anderem die unterschiedlichen Impfquoten und die Wirksamkeit der in verschiedenen Ländern eingesetzten Impfstoffe berücksichtigt. Zudem betrachteten sie nicht nur die vermiedenen Todesfälle durch direkte Impfungen, sondern rechneten auch ein, dass sich in der Nähe von Geimpften weniger Menschen ansteckten.

Zahlen sind grobe Schätzungen

Da die Daten in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich erfasst werden und die For­sche­r:in­nen für ihr Rechenmodell verschiedene Annahmen treffen mussten, bleiben die Zahlen zwangsläufig nur grobe Schätzungen.

In einem ersten Modell berechneten die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen den Impferfolg anhand der gemeldeten Covid-19-Toten weltweit. Laut diesem Modell sind rund 14,4 Millionen Leben durch Impfung gerettet worden.

In einem zweiten Modell wurden die jeweiligen Zahlen der Übersterblichkeit zugrunde gelegt – also wie viele Menschen mehr gestorben sind, als ohne die Pandemie erwartbar gewesen wäre. Dann wären den mathematischen Modellierungen zufolge ohne Impfungen wären 31,4 Millionen Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus zu erwarten gewesen. 19,8 Millionen davon seien durch die Impfungen vermieden worden.

Der Erfolg war allerdings sehr abhängig von den nach einem Jahr erreichten Impfquoten. In der Gruppe der reichsten Länder lag die Impfquote bei 68 bis 80 Prozent. In der Gruppe der ärmsten Länder wurden nicht einmal 4 Prozent der Bevölkerung geschützt.

Europa profitiert 15-mal mehr als Afrika

Die ungleiche Einkommensverteilung auf der Welt spiegelt sich nun auch in den Impferfolgen der einzelnen Regionen wider. In Europa, so schätzen die Wissenschaftler:innen, konnten mehr als 60 Sterbefälle je 10.000 Ein­woh­ne­r:in­nen verhindert werden. Das ist 15-mal mehr als in Afrika. Dort wurden schätzungsweise gerade mal 4 Menschen pro 10.000 Ein­woh­ne­r:in­nen durch eine Impfung gerettet.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Millionen von Leben gerettet worden sind, dadurch, dass Impfstoffe unabhängig vom individuellen Wohlstand verfügbar gemacht wurden“, sagte der führende Autor der Studie, Oliver Watson vom Imperial College London. „Es hätte jedoch mehr getan werden können.“

Wäre das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO erreicht worden, hätte rund einer von fünf Corona-Todesfällen in ärmeren Ländern verhindert werden können, so der Forscher. Die WHO hatte angestrebt, bis Ende 2021 40 Prozent der Weltbevölkerung gegen Corona zu impfen. Dieses wurde jedoch deutlich verfehlt.

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4 Kommentare

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  • Gelebter Rassismus, Patentschutz vor Lebensschutz etc. - und dann wundern wir uns, dass ein Gutteil der afrikanischen Staaten sich bei der UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine enthalten hat bzw. der Abstimmung ferngeblieben ist.

  • Drei Dinge sollten herausgestrichen werden:

    (1) Das Ziel 40 % für die Entwicklungsländer beinhaltete bereits in sich die Privilegierung des Lebens von Menschen in den Industrienationen. Solche Privilegierung wird kaum noch hinterfragt, jedenfalls nicht von den Verantwortlichen in den Industrienationen.

    (2) Weil dies Ziel nicht erreicht wurde, starben weitere 600000 Menschen. Eine riesige Zahl an verursachten Toten, deren Höhe in keiner Weise die erhaltene Resonanz in den Medien und in der öffentlichen Diskussion entspricht.

    (3) Diese Logik der de facto Höherwertigkeit des Lebens von Menschen in den Industriestaaten wird aktuell fortgesetzt, indem bereits die Hortung der neuen Impfstoffe für die Industrienationen begonnen wird.

    Wie sich die Industrienationen gleichzeitig für die Menschenrechte einsetzen können, bleibt ein Rätsel derer, die dies für sich in Anspruch nehmen.

  • "Verglichen wurde dies mit einem hypothetischen Alternativszenario, bei dem es keine Impfungen gibt."

    Also, 1) Modellrechnungen und 2) die Vergleichbasis ist rein hypothetisch.

    Da wird es langsam schwierig mit Aussagen für und über die reale Welt.

  • Quoten sind aber auch an Ablehnung in den Bevölkerungen gescheitert, da, wo viel, genug, oder mehr als genug Impfstoff zur Verfügung stand: in Südafrika ebenso wie in Rumänien, oder bei uns.