Weihnachtsgottesdienste trotz Lockdown: Es geht anscheinend nicht ohne

Wie vernünftig ist es, an den Feiertagen zu Präsenz-Gottesdiensten einzuladen, wenn die Infektionszahlen munter weitersteigen?

Für den ersten Gottesdienst mit 50 Gläubigen im Berliner Dom nach den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sind die Sitzplätze zur Einhaltung des Sicherheitsabstands markiert. Der Gottesdienst wird ohne Abendmahl und ohne Gesang gefeiert

Na klar gibt es Hygiene-Konzepte, aber muss es gerade jetzt ein Präsenz-Gottesdienst sein? Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Das Jahr 2020 war kein leichtes für die christlichen Kirchen. Nicht, dass es vorher viel besser ausgesehen hätte – die Mitgliederzahlen sinken verlässlich –, aber angesichts einer globalen Krise wie der Pandemie fiel noch einmal deutlicher auf, wie wenig die Erlösungs-Erzählungen noch verfangen. Die Stimme der Religionen war angesichts der Zumutungen durch das Virus kaum vernehmbar.

Wen wundert’s: Zwar werden KirchenvertreterInnen nicht müde zu betonen, wie ohnmächtig der Mensch vor Gott ist, aber wenn es darauf ankommt, sind es eben doch von Menschen betriebene Wissenschaft, menschliche Vernunft und menschliche Empathie, die Rettung versprechen können.

Ganz klar: Wem Beten hilft, dem sei es gegönnt. Und natürlich wirken Kirchen auch als gesellschaftliche Kräfte, die angesichts von Leid und Ängsten Halt geben können: durch praktizierte Solidarität, die gut tut, auch wenn sie kein Alleinstellungsmerkmal ist.

Aber wie vernünftig ist es, an den Feiertagen zu Präsenz-Gottesdiensten einzuladen, wenn die Infektionszahlen munter weitersteigen und der Großteil der Gesellschaft versucht, sich Kontakte zu verkneifen? Liegt da nicht der Appell auf der Hand, dieses eine Mal zu Hause eine Kerze anzuzünden und sich den Mitgläubigen rein metaphysisch verbunden zu wissen? Wer kann auf ein solche Ressource bauen, wenn nicht die Kirchen? Ihr Problem ist, dass Weihnachtsgottesdienste seit Langem ihre wichtigsten PR-Events sind: Viele kommen da doch mal wieder, weil’s so schön ist, und auf diesen Werbeeffekt verzichtet man nicht so gern.

Was würde Jesus heute machen?

Trotzdem hat gerade die Evangelischen Landeskirche weitgehend verstanden, dass dieses Jahr alles anders sein muss. Vieles findet virtuell oder – ganz klassisch – in Rundfunk und Fernsehen statt, und am Heiligabend um 20 Uhr sollen alle Menschen von ihren Balkonen aus „Stille Nacht, heilige Nacht“ singen. Das kann man in jedem Fall verantworten.

Und auf diesen Werbeeffekt verzichtet man nicht so gern

Die katholische Kirche wiederum schafft es nicht, einmal auf Distanz zu setzen. Zwar teilte das Erzbistum mit, man werde keine detaillierte Auflistung der Gottesdienste veröffentlichen, damit die Menschen keine langen Wege zurücklegten und Kirchen in ihrer direkten Nachbarschaft aufsuchten – auch das nicht unbedingt vorbildliches Handeln dieser Tage. In Wirklichkeit findet sich auf der Website des Bistums dann aber doch eine Liste mit rund 200 Andachten und Messen in der ganzen Stadt.

Bleibt die Frage: Was würde Jesus heute machen? Aber die beantwortet ja jeder schon immer nach seiner Fasson.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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