Wege aus der Krise für VW: Mehr Lebensqualität für Malocher
Der Autobauer VW steckt in der Transformationskrise. Er könnte zum Vorbild werden, wie man Lasten gerechter verteilt.
Z ugegeben: Es klingt erst mal verrückt, aber Volkswagen könnte zu einem guten Beispiel bei der Transformation der Industrie werden. Der Konzern steckt in der Krise, ausgerechnet weil er die Transformation bisher verschlafen und viel zu lange auf Verbrennermotoren gesetzt hat. VW-Chef Oliver Blume will deshalb nun einen harten Sparkurs durchsetzen und schließt Kündigungen sowie Werksschließungen nicht mehr aus. Aber ein Lösungsvorschlag für die Krise bei VW könnte beispielhaft für die gesamte Industrie sein: die Vier-Tage-Woche.
Die Vier-Tage-Woche ist bei Volkswagen nicht neu. Als es vor drei Jahrzehnten ebenfalls schlecht um den Konzern bestellt war, wurde die Vier-Tage-Woche schon einmal eingeführt. Die Beschäftigten akzeptierten in diesem Rahmen Lohneinbußen, und der Konzern verzichtete im Gegenzug auf Kündigungen. Die geringere Arbeit teilten sich die Kolleg*innen also solidarisch auf, statt dass einige von ihnen gehen mussten. Die Vier-Tage-Woche verhinderte damals die Streichung von 30.000 Arbeitsplätzen.
Dieser Tage brachte die IG Metall die Arbeitszeitverkürzung als Lösung ins Spiel. Von der Gewerkschaft ist die Idee nichts Neues. Sie forderte sie schon in den letzten Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie neben Lohnzuwächsen. Langfristig sollte demnach die Wochenarbeitszeit von 35 auf 32 Stunden reduziert werden.
Wenn Volkswagen nun wieder eine Vier-Tage-Woche einführt, hätte dies eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung für andere Konzerne. Denn der Wolfsburger Autobauer ist das größte Industrieunternehmen Deutschlands. Es beschäftigt weltweit 684.000 Personen, davon knapp 300.000 in Deutschland.
Mit einer Vier-Tage-Woche könnte der Konzern zeigen, dass die Herausforderungen der Transformation solidarisch gemeistert werden können. Denn die gesamte Industrie steckt derzeit in einer Umbruchphase. Sie ist nichts, was aufgehalten oder gar zurückgedreht werden kann. Sie kann nur gemeistert werden.
Neben der Beschäftigungssicherung hat die Vier-Tage-Woche noch einen weiteren Vorteil: Sie bringt den Malochern mehr Lebensqualität. Nicht umsonst war der Ruf nach Arbeitszeitverkürzung immer schon eine wichtige Forderung bei gewerkschaftlichen Kämpfen.
In Zeiten knapper werdender Ressourcen steht die Forderung aber auch für eine wichtige Erkenntnis, die die Gesellschaft noch gewinnen muss: dass sich Wohlstand nicht allein an materiellen Gütern messen muss, sondern auch aus mehr Zeit und weniger Stress bestehen kann. Die Gewerkschaften haben dies durchaus schon verstanden. Die Frage ist, ob es die Arbeitgeber kapiert haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe