Wasserstoffstrategie der Regierung: Dieser Schuss muss sitzen
Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ist der letzte Versuch, ein klimaneutrales Energiesystem zu errichten.
E rinnert sich noch jemand an „Desertec“? Vor gut zehn Jahren träumten Energiexperten davon, Europas Strom billig und grün aus den Wüsten Nordafrikas zu holen: Aus riesigen Solaranlagen dort sollte die Elektrizität viele Probleme lösen. Das Projekt versandete, weil es an Geld, politischem Willen und ernsthaftem Engagement der Wirtschaft fehlte.
Eine solche Pleite darf sich bei der Wasserstoffstrategie nicht wiederholen, die die Regierung nun vorgestellt hat. Denn sie ist der letzte Versuch, ein klimaverträgliches Energiesystem zu errichten, ehe es zu spät ist. Klimaneutralität 2050 heißt: Alles, was nicht sinnvoll über Ökostrom betrieben werden kann (Hochöfen, manche chemischen Prozesse, Flugzeuge), muss mit CO2-neutralem Wasserstoff befeuert werden. Eine solche Industrie in 20 bis 30 Jahren von fast null auf hundert hochzufahren, am besten noch weltweit, ist ein gigantisches Vorhaben, das gute Jobs, grüne Wertschöpfung und soziale Entwicklung bei uns und in den Exportstaaten bringen kann.
Das ist die Vision. In der Realität lauern allerdings viele Hürden: Zwar werden die Erneuerbaren rasant billiger. Aber noch sind Öl und Gas zu billig, noch ist der weltpolitische Einfluss der Klimakiller wie Donald Trump zu groß. Die Technik ist nicht im großen Maßstab erprobt, es fehlen die Transportwege. Umso dringlicher ist es, diese Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Deutschland hat das zusammen mit China bei Wind und Photovoltaik schon einmal erfolgreich vorgemacht.
Skepsis ist angebracht
Aber die Strategie könnte sich auch als gigantisches Ablenkungsmanöver erweisen. Jedes Mal, wenn es ernst wird mit Entscheidungen zu Green Deal und Klimaneutralität – schnellerer Kohleausstieg, CO2-Grenzwerte bei Autos, schärferer Emissionshandel – wird irgendwer Kluges meinen, das könne man doch alles billiger und besser über den grünen Wasserstoff erreichen. Das Konzept wimmelt von Schlagworten der Wirtschaftslobbyisten in den Parteien, wie Innovation und Wachstum. Allerdings funktioniert es nur, wenn die Ökoenergien massiv ausgebaut werden – genau das, was Teile von Union, SPD und FDP seit langem bekämpfen.
Der Ausbau der Wasserstofftechnologie ist zu wichtig, um das gleiche Schicksal wie „Desertec“ zu erleiden. Man darf ihn nicht den Wirtschaftspolitikern überlassen. Denn Skepsis ist angebracht: Wenn Wirtschaftsminister Altmaier, dessen Partei die Erneuerbaren seit Jahren erfolgreich ausbremst, versichert, beim Wasserstoff wolle man Vorreiter wie bei den Erneuerbaren sein – dann klingt das wie eine Drohung.
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