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Wasserstoffstrategie der RegierungDieser Schuss muss sitzen

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ist der letzte Versuch, ein klimaneutrales Energiesystem zu errichten.

Wirtschaftsminister Altmaier droht damit, dass er beim Wasserstoff Vorreiter sein möchte Foto: John Macdougall/dpa

E rinnert sich noch jemand an „Desertec“? Vor gut zehn Jahren träumten Energiexperten davon, Europas Strom billig und grün aus den Wüsten Nordafrikas zu holen: Aus riesigen Solaranlagen dort sollte die Elektrizität viele Probleme lösen. Das Projekt versandete, weil es an Geld, politischem Willen und ernsthaftem Engagement der Wirtschaft fehlte.

Eine solche Pleite darf sich bei der Wasserstoffstrategie nicht wiederholen, die die Regierung nun vorgestellt hat. Denn sie ist der letzte Versuch, ein klimaverträgliches Energiesystem zu errichten, ehe es zu spät ist. Klimaneutralität 2050 heißt: Alles, was nicht sinnvoll über Ökostrom betrieben werden kann (Hochöfen, manche chemischen Prozesse, Flugzeuge), muss mit CO2-neutralem Wasserstoff befeuert werden. Eine solche Industrie in 20 bis 30 Jahren von fast null auf hundert hochzufahren, am besten noch weltweit, ist ein gigantisches Vorhaben, das gute Jobs, grüne Wertschöpfung und soziale Entwicklung bei uns und in den Exportstaaten bringen kann.

Das ist die Vision. In der Realität lauern allerdings viele Hürden: Zwar werden die Erneuerbaren rasant billiger. Aber noch sind Öl und Gas zu billig, noch ist der weltpolitische Einfluss der Klimakiller wie Donald Trump zu groß. Die Technik ist nicht im großen Maßstab erprobt, es fehlen die Transportwege. Umso dringlicher ist es, diese Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Deutschland hat das zusammen mit China bei Wind und Photovoltaik schon einmal erfolgreich vorgemacht.

Skepsis ist angebracht

Aber die Strategie könnte sich auch als gigantisches Ablenkungsmanöver erweisen. Jedes Mal, wenn es ernst wird mit Entscheidungen zu Green Deal und Klimaneutralität – schnellerer Kohleausstieg, CO2-Grenzwerte bei Autos, schärferer Emissionshandel – wird irgendwer Kluges meinen, das könne man doch alles billiger und besser über den grünen Wasserstoff erreichen. Das Konzept wimmelt von Schlagworten der Wirtschaftslobbyisten in den Parteien, wie Innovation und Wachstum. Allerdings funktioniert es nur, wenn die Ökoenergien massiv ausgebaut werden – genau das, was Teile von Union, SPD und FDP seit langem bekämpfen.

Der Ausbau der Wasserstofftechnologie ist zu wichtig, um das gleiche Schicksal wie „Desertec“ zu erleiden. Man darf ihn nicht den Wirtschaftspolitikern überlassen. Denn Skepsis ist angebracht: Wenn Wirtschaftsminister Altmaier, dessen Partei die Erneuerbaren seit Jahren erfolgreich ausbremst, versichert, beim Wasserstoff wolle man Vorreiter wie bei den Erneuerbaren sein – dann klingt das wie eine Drohung.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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8 Kommentare

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  • Wasserstofftechnologie - das Schwärmen und Schwätzen über sie gabs schon, als ich noch ganz klein war. Nie war etwas dran.

    Und jetzt ist tatsächlich ein UFO gelandet und wirkliche Marsmenschen sind ausgestiegen?!

  • "Alles, was nicht sinnvoll über Ökostrom betrieben werden kann (Hochöfen, manche chemischen Prozesse, Flugzeuge), muss mit CO2-neutralem Wasserstoff befeuert werden."



    Ein Widerspruch in sich, denn CO2-neutraler Wasserstoff ist derzeit nur nicht annähernd wirtschaftlich auch wenn er aus Überschuss-Strom erzeugt wird, da der Wirkungsgrad zu gering und die Technik dafür derzeit noch zu teuer ist.



    Vergleichbar mit der Photovoltaic vor 30 Jahren.



    Abgesehen davon finde ich die oben zitierte Formulierung zu kurz gegriffen, da es auch noch Alternativen zum Wasserstoff gibt.



    Die aktuelle Initiative von Hrn. Altmaier ist schon allein durch die entschiedene Höhe der Gelder eine klassische "Altmaier-Blase" und nicht ernst gemeint. Zumal das Vorhaben nur Großtechnonolgie, also die Industrie bedient, die ihre Energieversorgungsmachtverhältnisse sichern will. Wenn es ernst gemeint wäre, würde zeitgleich der massive Ausbau der Solar- und Windtechnik mit angeschoben und die von Hrn. Altmaier seit Jahren entwickelten Energiewende-Bremsen umgehend aufgehoben.



    Ein schnellerer ernst zu nehmender Ausbau dieser Technologie kann, wie am Beispiel der Photovoltaic nur über "Schwarmkonzepte" funktionieren; Einspeisevergütung, kostenfreie Energieeigenerzeugung ("Freie Energie"), etc.



    Aber das zerstört alte Machtstrukturen in der Energieversorgung, darum auch Hr. Altmaier seit Jahren solche Konzepte ausbremst. Rückblickend auf die "Taten" von Hrn. Altmaier ist er schon lange nicht mehr glaubwürdig und als Wirtschaftsminister nicht mehr tragbar, da er grundsätzlich mehr für die Industrie als für die Bürger seines Landes arbeitet.

  • Wenn "Energie sparen" nicht die zentrale Forderung von Klima- und Umweltschützern ist, dann sind sie Teil des Problems und nicht der Lösung!

    Wer die gegenwärtigen Ausgangsbedingungen (Anteil Wind und Sonne), die Standortfragen (On- und Offshore), den H2 Transport (Schiff und Rohrleitungen) und den wachsenden Energiebedarf neuer Energieverbraucher (von E-Mobiliät bis Industrie 4.0) nicht im Hinterkopf hat, ist an der Seite der Wachstums- und Verschwendungslobby!

    Wer den Zeitfaktor schon aus den Augen verloren hat, sowohl für Planung und Bau der H2 "Demonstrationsanlagen" (um nichts anderes geht es in dem Wumms-Programm) und auch den dadurch zusätzlich entstehenden CO2-Rucksack (bis 2050), w i l l keine Veränderung, sondern ein Weiter so!

    Wir haben keine Energieknappheit! Wir haben einen viel zu hohen Energieverbrauch!

    Was wir haben, ist zu wenig Wasser. Gerade in den Sonnenländern, die mal wieder für unseren Wohlstand bluten müssen.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Nach wie vor und absehbar gibt es keine ökonomisch wie ökologisch darstellbare Möglichkeit, die zeitweise und insbesondere geografisch sehr selektiv anfallenden Überschüsse aus Wind und Sonnenkraft in den für das Gesamtjahr benötigten Größenordnungen zu speichern.

    Ebenso absehbar gibt es keine ökonomisch wie ökologisch darstellbaren Techniken den Schwerlastverkehr aus erneuerbaren Energien zu betreiben.

    But wait ... ist Wasserstoff der nun aktuell ausgerufene Hype. Gerade was Afrika betrifft, müssen nur noch die technischen, die infrastrukturellen und die politisch-militärischen Aspekte adressiert werden.

    Klar, die Bundeswehr ist bereits in Mali, wird ihr H2-Engagement in der Sahel-Zone dann wohl noch ausbauen müssen.

  • Herr Pötter, eine Frage, weil ihr Artikel dazu völlig unkritisch ist: Wie soll auf einer chemischen Speicherform für Energie, die mit ihren massiven wandlungs- und Handlingverlusten niemals so effizient sein wird wie EE Direktnutzung, eine „grüne“, bzw. CO2 neutrale Wirtschaft aufgebaut werden? Wie soll Energieverschwendung im großen Maßstab zu Nachhaltigkeit führen?

    Und warum, um Gottes Willen, sollen Hochöfen, die seit Jahrzehnten, abgesehen von Koks, mittels lichtbogen / Induktion elektrisch betrieben werden, was natürlich am einfachsten mit EE-Strom umweltfreundlich geschehen kann, nun mit Wasserstoff betrieben werden? Auf die Idee ist ja noch nicht mal die Industrie gekommen. Wasserstoff als Reduktionsmittel im Prozess ist ebenfalls nur scheinbar umweltfreundlich, da der Wasserstoff ebenfalls vorher hergestellt werden muss - verschwenderisch mit EE oder per Dampfreformation mit CO2-Abgabe.

    Wasserstoff ist nur dann sauber, wenn man alles ausser der direkten Endnutzung ausblendet. Auf diese Weise wären aber auch e-Autos sauber, die nur mit Braunkohle- und Atomstrom fahren.

    Der ganze Artikel macht wenig Sinn - aus einer Ökoperspektive. Er macht viel Sinn aus der Perspektive eines naiven, national ausgerichteten Overengineering-Technokratismus, der Milliarden an Subventionen für eine Sackgassentechnik bereit stellt, von der die Wirtschaft profitiert ohne je liefern zu müssen. Dieses Geld fehlt dem EE Ausbau, „zweigleisig Fahren“ ist hier nicht besser, oder sicherer, sondern führt lediglich zu Rückstand im EE-Aufbau und ist damit Umweltschädlich.

    Wasserstoff ist das moderne Äquivalent zur Braunkohle - unnötig und bei rationaler Betrachtung, inklusive Herstellung und Handling, ineffizient und dreckig. Die äusserst kleine Nische in der Wasserstoff als Energieträger Sinn macht benötigt kein aufgeblasenes „Wasserstoffstrategie“-Konzept der Regierung.

    Ein bisschen mehr kritische Distanz wäre hier angebracht, statt einem alle Probleme ausblendenden Hurra.

  • Verschwörungstheorien sind in diesen Zeiten wohlfeil. Doch es ist schwer, den Gedanken zu verdrängen, dass mit dem Wasserstoff weniger ein Beitrag zur Umwelt denn ein möglichst schmerzfreier Übergang geschaffen werden soll für jene, die bisher prächtig verdient haben am Öl.

    Weiß eigentlich jemand, ob es da eine Korrelation gibt zwischen Anteilseignern aus Erdöl fördernden Gebieten der Erde bei jenen deutschen Automobilherstellern, die sich besonders stark für den Wasserstoff engagieren?

    Es ist nämlich kaum zu verstehen, warum die deutsche Automobilindustrie sich mehrheitlich so beharrlich gegen Entwicklung hin zu Elektroantrieben sträubt und seit Jahrzehnten die Entwicklung netto-sparsamerer Antriebe bremst.

    • @Numitor:

      Volle Zustimmung! Statt vorne den Energiebrauch zu drosseln und die regenerative Energie auszubauen (bei uns wird Haus um Haus ohne Solardach gebaut....2020!), wird ganz weit hinten ein aktionärstaugliche Wasserstoffwirtschaft für den überschüssigen regenerativen Strom aufgebaut.....

  • Gepennt

    Das ist alles längst bekannt. Hätte man also längst machen können - bereits in den 1990er-Jahren. Da wurde gepennt!



    - So is Polletick...