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Wassermangel in DeutschlandErst der Mensch, dann der Rasen

Die Wasserversorgung muss sich angesichts zunehmender Trockenheit in Deutschland ändern. Aus dem Hitzesommer 2020 lassen sich Lehren ziehen.

Hier ist noch genug drin: Wasserspeicher in Stuttgart. Aber wie lange noch? Foto: Imago

Berlin taz | Im niedersächsischen Lauenau musste die Feuerwehr die Menschen mit Wasser versorgen, weil das aus dem Hahn knapp ist. Im rheinland-pfälzischen Simmern-Rheinböllen durften Rasen nicht gewässert, Autos nicht zu Hause gewaschen und Planschbecken nicht mit Wasser befüllt werden. Und in Heilbronn hat das Landratsamt das Verbot, Wasser aus Seen, Bächen und Flüssen zu entnehmen, bis Ende Oktober verlängert. Drei Szenen aus dem Hitzesommer 2020. Sie alle wirken nach.

Die entscheidende Frage: Droht ein Verteilungskampf, wer darf Wasser nutzen, wenn es knapp wird – die Bürgerinnen und Bürger zu Hause, die Kraftwerke zum Kühlen, die Industrie für ihre Produktion oder die Landwirtschaft zum Bewässern ihrer Felder? SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat vor Kurzem für 2021 eine Nationale Wasserstrategie angekündigt, in der auch eine Art Rangordnung für den Wasserverbrauch festgezurrt werden soll. Nun wird um Antworten gerungen.

Längst machen sich Bürgerinnen und Bürger Sorgen. In Lüneburg waren Anfang des Monats mehrere Hundert Menschen dem Aufruf der ortsansässigen Bürgerinitiative Unser Wasser gefolgt. Sie fürchten alle um ihr Trinkwasser. Denn der Coca-Cola-Konzern bohrt dort einen weiteren Brunnen, um doppelt so viel Grundwasser wie bisher abzupumpen, das er dann als Vio-Mineralwasser verkaufen will.

Knapp 80.000 Menschen haben auch schon eine Onlinepetition „Unser Trinkwasser gehört uns – nicht Coca-Cola“ unterzeichnet. Darin heißt es: „Sauberes und jederzeit verfügbares Trinkwasser ist besonders in Zeiten des Klimawandels und der vermehrten Hitzesommer ein schützenswertes Gut.“

Dürren zählen zu schadenträchtigste Naturkatastrophen

Wetterextreme werden zunehmen, da sind sich Klimaforscher einig. Regnet es mancherorts wenig, schwinden Wasservorräte, erst recht wenn sich trockene Phasen aneinanderreihen wie 2018, 2019, 2020. Zumal: Die Menschen brauchen mehr als die durchschnittlichen 123 Liter Wasser pro Kopf und Tag, wenn es so heiß ist. In diesem Coronajahr kam dann noch hinzu, dass viele die Ferien zu Hause verbracht haben, auch schon mal mit Pool im Garten.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schrieb schon 2018 in seiner Risikoanalyse „Dürre“, dass es „zu Problemen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser“ kommen könne. Es zählt Dürren zu den „schadenträchtigsten Naturkatastrophen“. In Gänze wird Deutschland das Wasser zwar nicht ausgehen, regionale Engpässe wird es aber vermehrt geben.

Niederlande als Vorbild

Die Faustregel laute dann „Erst Mensch und Tier, dann der Rasen“, so ein Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen, VKU, dessen Mitglieder nach eigenen Angaben 90 Prozent aller Einwohner in Deutschland mit Trinkwasser versorgen. Berthold Niehues vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs, DVGW – dieser erarbeitet das Technische Regelwerk für die Wasserversorung – verweist auf die Niederlande.

Dort ist eine „Vorrangliste“ bereits rechtlich festgezurrt: Trinkwasser geht vor, es folgt Wasser für Kraftwerke, dann das Wasser für „kapitalintensive Ernten“ und „industrielles Prozesswasser“. An letzter Stelle steht die sonstige Landwirtschaft und alles andere. Dies gilt zwar nur für Wasser, das landesweit aus Flüssen, Seen und anderen Oberflächengewässern abgepumpt wird, für das Grundwasser können aber regional ähnliche Rangfolgen geregelt werden. Es könnte ein Vorbild für neue Regeln in Deutschland sein. Nur: Damit allein ist es nicht getan.

Grundwasservorrat gefährdet

Die Wasserversorger prüfen auch, ob sie für die Zukunft mehr Brunnen, mehr Speicher, überregionale Leitungsnetze brauchen. Jedoch ist für sie die größere Frage: Wie lässt sich der Grundwasservorrat sichern? So kritisiert der VKU, dass Landwirte keine Genehmigung brauchen, wenn sie Drainagerohre verlegen, um ihre Felder zu entwässern.

Das Problem, das auch DGVW-Mann Niehues und Umweltschützerinnen wie die BUND-Wasserexpertin Lilian Neuer sehen: Der Niederschlag versickert dann nicht mehr im Boden, sodass sich neues Grundwasser bilden kann. Stattdessen wird er über Bäche und Flüsse ins Meer abgeleitet.

Vorsorgeprinzip stärken

Die Wasserfrage wird zu neuen Debatten führen. Dabei sind die alten noch nicht erledigt: Seit Jahren mahnen die Wasserwerke, dass sich in den Trinkwasserressourcen zu viele Rückstände von Medikamenten, von Düngemitteln und Pestiziden, auch von Wasch- und Pflegemitteln finden.

Der VKU fordert darum auch, in der nationalen Wasserstrategie das „Verursacherprinzip“ und das „Vorsorgeprinzip“ zu stärken. Genauer: Hersteller, die die Produkte mit den Stoffen, die das Wasser belasten, sollen an den Kosten ihrer Entfernung beteiligt werden. Und der Anteil des Ökolandbaus, der mit weniger Chemie auskommt als die herkömmliche Landwirtschaft, soll zum Beispiel erhöht werden. Es braucht mehr als ein paar Notmaßnahmen im Sommer, damit das Wasser einwandfrei läuft.

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15 Kommentare

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  • Ich finde es ganz schlimm, dass die Politik sich hier wieder die oberflächlichen Dinge wie Schwimmingspool im privaten Garten der Leute heraussuchen und sagen, dass das der Trockenheit zusätzlich schadet.

    Das ist einfach nur quatsch, das Wasser im Pool wird doch sowieso jedes Jahr wieder ins Erdreich ausgelassen wegen dem Winter bzw. verbleibt im Becken und stört deshalb auch keinen.

    Wenn man einen Garten hat soll man ihn auch benutzen dürfen, es leben sowieso immer mehr Personen in Wohnungen. Ich sehe es schon kommen, dass Pools oder auch aufblasbare Schwimmbecken verboten oder eingeschränkt werden. Ich hoffe das passiert nicht!

  • Tut mir leid, aber dass es immer noch Leute gibt, die den Rasen mit Trinkwasser bewässern, kann ich nicht verstehen. Wer nicht bewässert wird sehr schnell sehen, dass im nächsten Jahr eine Wiese entsteht, die wesentlich pflegeleichter als der depperte Rasen ist und wer Regenwasser in einer Zisterne sammelt hilft auch noch der Abwasserentsorgung bei Starkregenereignissen. Dann fließt der Regen nämlich nicht nutzlos in den nächsten Bach.

    Lauenau: Das war keine Grundwasserknappheit, sondern ein Gemeinderat, der lieber Neubaugebiete ausweist als dass er Geld für einen neuen Brunnen oder eine Verbundleitung zum Nachbarort ausgibt. Grundwasser hätte es in dem Gebiet mehr als genügend gegeben - die Anzahl der Brunnen und das Netz waren der Schwachpunkt.

    Dasselbe in dem Ort im Ostharz, wo im letzten Jahr das Leitungswasser knapp wurde. Soweit ich weiß, wurde die Verbundleitung inzwischen gebaut. Nachdem das auf die Schnelle passieren musste war die sicher teurer als wenn man vor Jahren in Ruhe eine Ausschreibung gemacht hätte.

    • @Martin74:

      Das System betreiben wir schon seit Jahrzehnten.



      Ob die Trockenheitsverträglichen Grassorten so schnell Einzug von alleine halten wage ich zu bezweifeln. Die letzen Sommer hat unser Sandbodenrasen tw. nur noch braun und unschön überstanden.

      Für das Pflegeleichte ist es imho vor allem wichtig, mit dem Düngen aufzuhören.

  • Das Wasser aus dem Grundwasser unter den Städten kann mit Ruhe gepumpt und für die Vegetation/Rasen verwendet werden. Das Trinkwasser kommt eh woanders her. So kann die Vegetation weiterhin für die Verbesserung des Stadtklimas beitragen.

    • @Rudolf Fissner:

      Was dann passiert, kann man in Jakarta "bewundern". Der Grundwasserspiegel sinkt ab und die Stadt mit. Das geht solange gut bis die Stadt vom Meer überflutet oder, so machen es die Indonesier, eine neue Hauptstadt im bisherigen Urwald gebaut wird.

      • @Martin74:

        Ja solche Probleme in Städten sind mir bekannt. Dann sollte man natürlich mit dem Abpumpen aufhören

        Aber welche Stadt in DE wäre mit Jakarta mit seinen 10 Millionen Einwohnern vergleichbar? Welche Stadt in DE ist überhaupt schon mal ein bisschen abgesackt? Ich wüsste also nicht wo es fundierte Bedenken gegen gepumptes städtisches Grundwasser in städtischen Gärten gibt.

  • FunFact: Insbesondere Steingärten, benötigen kaum einen Tropfen Wasser!

  • Hitze und Trockenheit ist schon ein Unterschied.

    • @S3basti8n:

      Korrekt. Laut deutschem Wetterdienst liegt die Niederschlagsmenge 2020 bisher sogar über dem Langzeitdurchschnitt.

      Dass es trotzdem zu Wasserknappheit kommt liegt an zweierlei. 1. Starke regionale Unterschiede im Niederschlag. 2. Die tatsächliche Trockenheit und der niedrige Grundwasserpegel der Jahre 2018 und 2019 ist noch nicht wieder ausgeglichen.

      • @Mira Dora:

        3. Zeitliche Unterschiede (Lange Trockenperioden)

  • Ach, wie dramatisch! Egal, erst mal ein E-Auto. Mein*e Partner*in will auch eins. E-Autos sind ja so ökologisch! Dann gibt's doch wieder ein neues Iphone. Mh, und Bio-Fleisch ist ja auch so lecker. Tja, und dann müssen wir unbedingt wie jedes Jahr nach Indien fliegen ... ;-)

    • @Uranus:

      Lieber Uranus,

      von wem reden Sie da? Ich war noch nie in Indien und bin seit 4 Jahren nicht in den Urlaub geflogen. Ein Auto besitzen wir auch nicht, weder E- noch S, U, oder V. Und das Handy ist fair, gebraucht oder beides.



      Unter der Hitze und der Trockenheit leiden wir aber trotzdem, denn es gibt leider kein individuelles Regen- und Wasserbudget, das man durch umsichtigen Konsum umschichten könnte.



      Der Einzelne erntet die Saat der gesamten Menschheit, wenn es ums Klima geht. Natürlich sind wir da in der 1. Welt mehrfach nichtversetzt und nun schon wieder versetzungsgefährdet. Als Gruppe. Nicht notwendig als Einzelpersonen.

      • @Annette Thomas:

        Sie sind ein gutes Vorbild, aber viele Menschen verschwenden Wasser ohne nachzudenken.

      • @Annette Thomas:

        Von den Wohlhabenden in Deutschland, die sich eben so verhalten. Mein Kommentar ist eine Polemik über Pseudoökos, jene, die sich ihren unökologischen Lebensstil schön/grün reden. Sicher gibt es da noch andere Formen der Ignoranz ... Andererseits gibt es da durchaus Menschen, die aus Einsicht auf Dinge verzichten. Die die das konsequent machen wollen, sind aber eine kleine Minderheit. Schauen Sie sich den Konsum von Tierprodukten, die Neuzulassungen von Autos, die Flugreisen ... an.

  • "„Sauberes und jederzeit verfügbares Trinkwasser ist besonders in Zeiten des Klimawandels und der vermehrten Hitzesommer ein schützenswertes Gut.“"

    Fast schon naiv. Ich würde sagen: zunehmend überlebensnotwendig!

    Denn wer sich jetzt den Zugang zu sauberem Wasser sichert wird in Zukunft am längeren Hebel sitzen und irre Preise verlangen können.

    Und beim Rasen: einfach mal wachsen lassen, für Beschattung sorgen. Statt toter Wiesen gibt's dann Biodiversität und Feuchtigkeit. Aber der deutsche Schrebergartenmichel will es ja gepflegt und ordentlich! Koste es was es wolle!