Wassermangel in Norddeutschland: Abwasser, marsch!

Niedersachsen will die vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen erproben. Damit könnte Abwasser zur Feldberegnung eingesetzt werden.

Eine Beregnungsanlage verteilt in hohem Bogen Wasser auf einer Ackerfläche, so dass ein Regenbogen entsteht.

Abwasser aufs Feld? In Niedersachsen denkt man zumindest über Klärwasser nach Foto: Jochen Lübcke/dpa

HANNOVER taz | Die ausgedehnten Dürreperioden der vergangenen drei Sommer haben in Niedersachsen viele aufgeschreckt. Landwirte verzeichneten massive Ernteausfälle, in den Talsperren sanken die Pegel – und in manchen Kommunen musste sogar der private Wasserverbrauch zeitweise eingeschränkt werden: Schluss war mit dem Poolgeplansche in jedem zweiten Garten.

Aktuell hat sich die Situation dank ergiebiger Regenfälle und wenig Verdunstung aufgrund der mäßigen Temperaturen zwar ein wenig entspannt, aber weder die Pegel der Talsperren noch die Grundwasserspiegel haben das Niveau von 2017 wieder erreicht. Und die nächste Hitzewelle kommt bestimmt.

Die Regierungsfraktionen von SPD und CDU nutzten nun die letzte Sitzung vor der Sommerpause des Landtages, um einen Antrag einzubringen, der den Grundwasserspiegel in manchen Regionen schonen soll.

Um die Nutzungskonflikte rund um das Trinkwasser zu entzerren, könnte man Abwasser so aufbereiten, dass es für die Beregnung der Felder eingesetzt werden könnte. Dazu müssten die Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgestattet werden, um vor allem Medikamentenreste, Biozide, Pestizide und Chemikalienrückstände aus dem Wasser zu bekommen.

Einzelne Wasserverbände im Raum ­Braunschweig /  Gifhorn / Wolfsburg machen das schon, jetzt soll es weitere Pilotprojekte und eine umfassende wissenschaftliche Begleitung geben.

Kritik kommt von den Grünen

Auf diese Idee, mosern die Grünen, hätte die Landesregierung schon lange kommen können, immerhin wird das in Bayern und Baden-Württemberg bereits länger in viel größerem Umfang erprobt. „Sie können sich gerne mal bei der grünen Kollegin in Baden-Württemberg erkundigen, wenn Sie da Fragen haben, Herr Lies“, spottet Imke Byl (Grüne).

Baden-Württemberg hat seit 2010 mehr als 30 Millionen Euro für die Umrüstung von Kläranlagen ausgegeben und fördert außerdem ein „Kompetenzzentrum Spurenstoffe“, das Kommunen und Kläranlagenbetreiber berät.

Der niedersächsische Antrag sei dagegen so vage formuliert, dass nicht einmal klar ist, in welchem finanziellen Umfang diese Pilotprojekte denn gefördert werden sollten und unter welchen Bedingungen, kritisiert Byl. Ein Landesprogramm mit klaren Förderbedingungen wäre besser gewesen.

Tatsächlich ist die vierte Reinigungsstufe nicht ganz unumstritten. Dahinter verbergen sich verschiedene Verfahren, in Niedersachsen geht es vor allem um oxidative (Ozonung) und adsorptive Verfahren (Aktivkohleanwendungen) – von denen aber keines es schafft, alle schädlichen Stoffe herauszufiltern. Die Effektivität liegt bei circa 90 Prozent.

Die Verfahren sind zudem energie- und kostenintensiv, weshalb die Wasserversorger gern mahnen, dass dann die Preise steigen. Manche Kritiker sagen auch, man solle lieber am Beginn der Kette – also beim Schadstoffeintrag – ansetzen, statt am Ende teure technische Lösungen zu installieren, deren ökologischer Fußabdruck auch nicht ganz klein ist.

Landvolk begrüßt Vorstoß

Aber genau deshalb, betont Umweltminister Olaf Lies (SPD) im Landtag, müsse man ja erst einmal ganz genau schauen, in welchen Regionen sich eine Umrüstung der Kläranlagen lohne.

Die entsprechende Förderrichtlinie Abwassermanagement, über die dann auch die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt würden, sei in Arbeit. Und im Übrigen sei ja vollkommen klar, dass die Abwasseraufbereitung auch nur ein Baustein in einem viel umfassenderen Versorgungskonzept sein könne.

Das Landvolk Niedersachsen begrüßte den Vorstoß und verwies darauf, dass man die Umweltbeeinträchtigung möglicherweise sogar minimiere, wenn man das geklärte Abwasser zur Beregnung einsetzt, statt es wie bisher in die Flüsse zu leiten – immerhin übernehme der Boden damit eine zusätzliche Filterfunktion.

Über die detaillierte Ausgestaltung der angestrebten Pilotprojekte wird sich nun der zuständige Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Gedanken machen müssen, in den der Antrag überwiesen wurde.

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