Aktivist:innen im Nahen Osten: Was von der Global-Sumud-Flotilla bleibt
Israel deportiert die meisten der zuvor festgenommenen Aktivisten des Schiffskonvois. Ihr Ziel, den Gazastreifen, hatten sie nicht erreicht.

Dort tauchte dann Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir auf und überzog die Aktivisten mit Flüchen und Beschimpfungen. Der ultraradikale Nationalist war offenbar nicht mit Benjamin Netanjahus Entscheidung einverstanden, alle Sumud-Teilnehmer nach kurzer formaler Prozedur wieder ausreisen zu lassen. „Das sind Terroristen, die Boote waren in einem erbärmlichen Zustand und ohne Hilfsgüter“, so Ben-Gvir vor laufenden Kameras des israelischen Fernsehens. „Wir werden aber ihren Aufenthalt so gestalten, dass sie nicht wiederkommen wollen“, warnte er, während ihm aus der Gruppe der Gefangenen der Ruf „Free Palestine“ entgegenschallte.
Wer sich weigerte, ein Papier mit dem Eingeständnis der illegalen Einreise nach Israel zu unterzeichnen, wurde einem Richter vorgeführt. Alle Teilnehmer wurden mit einer 100-jährigen Einreisesperre belegt. Doch da sie in internationalen Gewässern und an Bord eines Hilfskonvois gewesen sei, sei der Vorwurf einer illegalen Einreise lächerlich, so die teilnehmende Aktivistin Greta Thunberg.
Sie berichtete am Montag nach ihrer Landung am Flughafen von Athen: Die Zustände in den Zellen des Ketziot-Gefängnisses seien unzumutbar. Außerdem seien 40 Sumud-Aktivisten aufgrund der ständigen Beschimpfungen durch die Wärter, der unhygienischen Zellen und dem Mangel an essbarer Nahrung und Wasser in einen Hungerstreik getreten. Das israelische Außenministerium bezeichnet diese Berichte als „Fake News“.
Thunberg: Konnten Schreie Gefangener hören
Fischer aus Gaza
Nordafrikanische Sumud-Teilnehmer sollen besonders schlecht behandelt worden sein. Auch David Adler, ein US-Amerikaner jüdischen Glaubens, erzählt von physischem und mentalem Missbrauch in Ketziot: „Als das Sicherheitspersonal erfuhr, dass ich und ein Freund Jude sind, haben sie uns zu einem Foto mit Ben-Gvir gezwungen, die Augen verbunden und fünf Tage lang psychisch gefoltert.“
Neun Schweizer Aktivisten beklagten außerdem den Mangel an diplomatischer Hilfe der eigenen Botschaft. Gegen die inhumanen Haftbedingungen und für ihre Freilassung habe sich die Türkei eingesetzt, so ein Teilnehmer. Die Ausreise marokkanischer Aktivisten verzögert sich derweil wohl, da diese nicht bereit sind, mit der Botschaft ihres Landes zu sprechen. Marokko unterhält Beziehungen zu Israel.
Thunberg nutzte das weltweit große Medieninteresse an Sumud, um die zentrale Botschaft der Initiative zu betonen: „Ich könnte sehr lange über die schlechte Behandlung in Israel sprechen. Aber der eigentliche Skandal ist, dass wir überhaupt losfahren mussten, um auf die Lage der Hungernden in Gaza aufmerksam zu machen. Und ich denke an die palästinensischen Gefangenen in Ketziot, deren Schreie man hören konnte.“
Auch die nächste Flotilla wird von Israel abgefangen
Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die zahlreichen Videos von der Fahrt von Barcelona, Catania und Tunis in Richtung Gaza hatten eine Welle an Solidaritätsaktionen losgetreten. Die „Freedom Flotilla Coalition“, ein internationaler Verbund von Aktivisten, schickte kurz vor dem Sturm israelischer Spezialeinheiten einen weiteren Konvoi auf den Weg nach Gaza, mit 150 Aktivisten an Bord. Sie hatten medizinische Geräte und Kindernahrung im Wert von 95.000 Euro geladen. Auch dieser Konvoi wurde am Mittwoch von israelischen Soldaten gestürmt, auch diese Boote wurden wie in den Hafen von Aschdod gebracht. Das türkische Außenministerium warf der Regierung in Jerusalem einen „weiteren Akt der Piraterie“ vor.
Fischer aus dem Gazastreifen berichten, dass die beiden Konvois durchaus Effekt hatten: „Die israelischen Patrouillenboote schießen auf uns, wenn wir mehr als zwei Kilometer von der Küste entfernt fischen“, sagt ein Bootsbesitzer der taz am Telefon. „In den letzten Tagen konnten wir weiter hinausfahren und haben viel mehr Fische gefangen – weil die Patrouillenschiffe fehlten.“
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!