Wahlkampf als Event: Plakatierer, vereinigt euch!
Hilft mehr Polizei im Wahlkampf gegen Übergriffe? Besser wäre es, das Plakatieren als politisches Volksfest zu starten. Mit Pauken und Trompeten.
D as Entsetzen ist groß. Zu Recht, denn der Überfall auf den sächsischen SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden hat eine neue Qualität. Und was machen seine Politikerkolleg:innen? Sie fordern Konsequenzen.
SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die bekannte Dauerfloskel in den Raum geworfen: Sie fordert mehr Polizeipräsenz an Wahlkampfständen. Darüber will sie bei einer Sondersitzung der Innenminister:innen reden. Die andere Standardphrase kommt von Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. Er plädiert für härtere Strafen. Was man halt so sagt als Politiker:in, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass man hilflos ist.
Der entsteht natürlich dennoch. Denn wie soll Polizei jeden einzelnen Wahlkampfstand schützen? Und überhaupt: Was für ein Bild von Demokratie ist das, wenn sie sich nur in Polizeibegleitung auf die Straße traut? Nein, Demokratie kann nur verteidigt werden, wenn sie von einer Zivilgesellschaft gelebt wird. Die spontanen Demos in Dresden und Berlin am Sonntagabend waren ein gutes Beispiel dafür. Auch weil hier Vertreter:innen verschiedenster demokratischer Parteien Seit an Seit standen.
Aber da geht mehr. Wieso ziehen die Wahlkämpfer:innen eigentlich, scheinbar heimlich, nachts durch die Städte, um ihre Plakate aufzuhängen? Wieso ziehen sie nicht zusammen – Plakatierer aller Parteien vereinigt euch! – mit Pauken und Trompeten durch die Nacht?
Volksmusik als Weckruf für die Demokratie
Wahlkampfauftakt als Event, als Feier der Demokratie samt politischem Frühschoppen am nächsten Morgen? Mit klaren Parolen – wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Demokratie klaut –, unterlegt mit Techno in Raverbezirken, mit einem mobilen Streichquartett der Semperoper in Dresden, mit Blaskapellen im Rest des Landes.
Volksmusik als Weckruf im Wortsinne, die – wenn die Nacht am tiefsten ist – Jung und Alt für die Wahlen begeistert. Weil sie als Fest starten. Eigentlich müsste das längst gelebte Tradition sein.
Denn wenn ich nicht tanzen kann, ist das eh nicht meine Demokratie.
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