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Wahl der Linken-Vizechef:innenPflugscharen statt Schwerter

Verteidigungsexperte Matthias Höhn unterliegt gegen den Friedenspolitiker Tobias Pflüger. Eine Niederlage auch für die Regierungsfans in der Linken.

Die Linke bleibt bei ihrem Klassiker (Symbolbild) Foto: dpa

Berlin taz | Es war das wohl spannendste Duell auf dem Bundesparteitag der Linken: Matthias Höhn, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag versus Tobias Pflüger, der friedenspolitische Sprecher Fraktion. Beide traten in der Stichwahl um einen der sechs Stellvertreterposten für den Parteivorsitz gegeneinander an. Die Waffen: Fünf Minuten Redezeit und eine konträre Haltung zu UN-Auslandseinsätzen.

Höhn hatte bereits im Januar ein Papier vorgelegt, in welchem er unter anderem dafür plädierte, dass die Linke UN-Friedensmissionen mit Beteiligung der Bundeswehr im Einzelfall zustimmen solle. Bislang hatte sie im Bundestag stets gegen solche Einsätze gestimmt, selbst als es um den Abtransport von syrischem Giftgas auf einer deutschen Fregatte ging.

Der bekennende Reformer, wie die ostdeutschen Realos sich nennen, hatte damit direkt auf einen der Schmerzpunkte der Linken gezielt. Der Aufschrei in der Partei blieb nicht aus, das Thema zog sich auch auf dem Parteitag durch die Debatten.

Die Linke dürfe eben nicht nur über die Inhalte reden, mit denen sie sich am wohlsten fühle, sagte Höhn. Politik sei kein Selbstzweck, man müsse überlegen, womit sich Mehrheiten links der Union erreichen ließen.

Ein Dämpfer für die frisch gewählte Parteivorsitzende

„Wir werden unsere Positionen nicht verändern, nur damit die Linke regierungsfähig wird“, entgegnete Pflüger, der nach Höhn sprach. Pflüger untermauerte den Grundsatz, wonach die Linke weiterhin konsequent gegen Auslandseinsätze sein müsse.

Eine Position, die zumindest unter den Delegierten des Parteitags weiterhin mehrheitfähig ist. Mit 41 Prozent unterlag Höhn in der Stichwahl deutlich seinem Parteifreund Pflüger, für den 54 Prozent stimmten.

„Ich habe der Partei ein Angebot mit offenem Visier gemacht – das war mir wichtig. Und ich mache weiter, versprochen!“, twitterte Höhn nach der Wahl.

Es ist nicht nur für ihn, sondern auch für die frisch gewählte Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow eine Niederlage. Auch sie, die ihre Partei auf eine Regierungsbeteiligung im Bund einschwört, hatte sich im Vorfeld des Parteitags dafür ausgesprochen, die Teilnahme an UN-Friedensmissionen im Einzelfall zu prüfen.

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23 Kommentare

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  • Sie weichen wieder einmal aus, aber das bin ich von Ihnen gewohnt. Es scheint schwer zu sein, sich der problematischen linken Vergangenheit und ihren Fortwirkungen zu stellen.



    (Wenn ich zynisch wäre, würde ich nachfragen, ob Sie mit den 20 Millionen die Opfer von Holodomor, Kulakenvernichtung, stalinistischen Säuberungen, GULAG und Deportationen gemeint haben, aber dann würde ich mich auf Ihr Niveau hinunter begeben, Verbrechen gegen Vebrechen aufzurechnen und damit Diktaturen zu relativieren.)

    • @Hans aus Jena:

      war Antwort an @ Rolf B.

      • @Hans aus Jena:

        Bedauerlicherweise gehen Sie nicht auf meine Ausführungen ein.



        Es geht mir um den deutschen Militarismus in der Außenpolitik, um die Einfältigkeit der Sanktionen und um die Propaganda der Transatlantiker und darum, dass ich mit der Politik von Brandt und Bahr einen durchaus intelligenten Umgang mit scheinbar antagonistischen Interessen erleben durfte.



        Die linke Partei steht wesentlich mehr in dieser friedenspolitischen Tradition. Und Sie versuchen immer und immer wieder, Die Linke auf SED zu reduzieren. Auf dieser oberflächlichen und arg tumben Ebene will ich mich nicht mehr einlassen. Als Bürger dieses Landes setze ich mich zuerst mit den Verbrechen meiner Vorfahren auseinander, während Sie mit der Kulakenvernichtung kommen. Was das mit dieser Partei zu tun hat, wird wohl Ihr Geheimnis bleiben.

  • Wirklich der einzige gute, sachliche Artikel über den Parteitag der Linkspartei. Alle anderen großen Medienhäuser versuchen gerade mit allen Mitteln die neuen Vorsitzenden schon wieder als völlige Streithähne darzustellen. Kauft euch alle das Buch „Manufacturing Consent“ von Noam Chomsky, so läuft es in kapitalistischen Ländern wirklich ab.

  • Der Titel ist deplaziert. "Schwerter zu Pflugscharen" war das Signum der kirchlichen Friedenbewegung der DDR, die beide (!) Seiten wegen ihrer Rüstungspolitik und Militarisierung der Gesellschaft kritisierte - West und Ost - im Gegensatz zur heutige Partei "Die Linke", die dies nur in eine Richtung tut und deren Vorgängerin gerade die pazifistische "Schwerter zu Pflugscharen"-Bewegung mit allen Mitteln bekämpfte. Ihre zutiefst militaristische Geschichte im Osten hat sie bis heute noch nicht aufgearbeitet, sondern setzt deren Linie eher noch mit ihrer Einseitigkeit in der Argumentation fort. Sie hat eben nicht nur Teile der westdeutsche linken Friedensbewegung, sondern auch die DDR-Staats- "Linke" "beerbt".

    • @Hans aus Jena:

      Wenn Sie schon von Vererbung reden, dann sollten wir auch über die Tötung von z.B. 27 Millionen Menschen der damaligen UdSSR und der vielen anderen Toten reden.



      Dann werden Sie erkennen können, dass der deutsche Faschismus ein Kind des Militarismus ist.



      Im Gegensatz zu Ihnen mit DDR Sozialisation habe ich ja eine Außenpolitik mit Brandt und Bahr wählen dürfen, die letztendlich mit friedlichen Mitteln das erreichte, was kluge und vorausschauende Friedenspolitik erreichen kann. Der Unterschied zu damals: es fehlen die Köpfe und größtenteils die Menschen, die sich zu solch einer Politik bekennen würden.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        nun stieg aber auch unter Brandt und Schmidt der Verteidigungsetat, weil im Zweifelsfall ist Abschreckung ein guter Plan B.

  • Der Vorteil der heutigen Linken: Sie haben den Werdegang der Grünen als Studienobjekt bzw. abschreckendes Beispiel zur Verfügung.

    Die Älteren unter uns können sich noch an die Empfehlungen aus der Anfangszeit der Grünen "kommen niemals über 5%", "machen es sich einfach, indem sie immer dagegen sind" und natürlich "lieber das kleinere Übel wählen (damals SPD) um die Rechten (damals FJS) zu verhindern!".

    Die Grünen haben viele ihrer ursprünglichen Positionen ohne Not aufgegeben oder völlig verwässert und fast nichts aus der Macht, die sie haben oder zeitweise hatten, gemacht. Derjenige Flügel der Linken, der als realpolitisch und regierungsfähig bezeichnet wird, hat bei Regierungsbeteiligung neoliberale Coups abgenickt (Verkauf von Sozialwohnungen, Privatisierung öffentlicher Betriebe, faule Kompromisse im Arbeits- und Sozialrecht usw.) und ist dafür jetzt zu recht abgestraft worden.

    Der richtige Weg ist lang und steinig, aber er ist die einzige Chance für Die Linke, glaubwürdig zu bleiben und letztendlich aktiv Politik für die 40-60% der Bevölkerung zu machen, die nicht zu den Besserverdienenden und sonstigen Nutznießern der neoliberalen CDU/FDP/SPD/Grüne-Politik gehören.

    Diejenigen, die hier Die Linke wegen ihrer Haltung zur NATO oder ihrer sozialen Ausrichtung kritisieren oder für unwählbar erklären, wählen doch sowieso Grüne oder SPD, warum also sollte man auf sie hören?

    • @Khaled Chaabouté:

      "Der Vorteil der heutigen Linken: Sie haben den Werdegang der Grünen als Studienobjekt bzw. abschreckendes Beispiel zur Verfügung."



      Der Nachteil: Sie haben keinerlei Chance, jemals so viele Wähler wie die Grünen für sich zu gewinnen. Die genannten "40-60%" der Bevölkerung können gut auf eine Linke verzichten, die lieber nichts umsetzt als Kompromisse einzugehen, um mitzuregieren.

    • @Khaled Chaabouté:

      "warum also sollte man auf sie hören?"



      Vielleicht weil sehr viele dieser Grün/SPD-Wähler*innen sich eigentlich wünschen würden ihr Kreuz bei einer weiter links positionierten Partei setzen zu können und ihre Wahlentscheidung eher als 'Notlösung' sehen. Oder weil auch bei vielen der besserverdienenden 'Neo-Liberalismus-Profiteure' die Einsicht in die Notwendigkeit von mehr Verteilungsgerechtigkeit besteht, aber manche Positionen der Linkspartei für sie eben untragbar sind.



      Das kategorische Nein zu UN-Blauhelmeinsätzen etwa bedeutet letztlich ja auch, dass die internationale Gemeinschaft etwa im Syrien-Konflikt alles richtig gemacht hat indem man sich auf mahnende Worte und Verurteilungen im Diplomatensprech beschränkte statt dem Morden mit internationalen Truppen unter UN-Mandat Einhalt zu gebieten. Aber, dass das kein Pazifismus, sondern unterlassene Hilfeleistung ist begreifen eben allzu viele in der Linken nicht und zur Rolle Russlands an der Seite Assads beschränkt man sich ebenfalls darauf anzumerken, dass eine generelle Abrüstung auch beim russischen Militär doch eigentlich ganz schön wäre. [1]



      Und die - vorsichtig ausgedrückt - ambivalente Haltung der Linken zu einer Regierungsbeteiligung dürfte auch nicht gerade dazu beitragen nennenswert Wähler*innen zu mobilisieren. Wer nämlich aus eher pragmatischer Perspektive auf die Wahl blickt wird als Konsequenz aus dieser a priori verweigerten Übernahme von Regierungsverantwortung ziehen seine Stimme dort einzusetzen wo sie Gewicht hat, etwa indem man für mehr grün als schwarz in der wahrscheinlichen Koalition sorgt, als sie an eine Partei zu verschenken die ohnehin nichts anders als Opposition sein will.



      [1] www.linksfraktion....lansicht/russland/

    • @Khaled Chaabouté:

      Na ja, da gibts sicher verschiedene Gründe.

      Vielleicht, weil sich "Diejenigen" endlich mal eine Wende von CDU geprägter, sozialkonservativer und wirtschaftsliberaler Politik wünschen?

      Vielleicht weil "Diejenigen" begriffen haben, dass demokratische Politik immer mit Kompromissbereitschaft und dem Hinterfragen eigener Positionen einhergeht?

      Weil sie eine realitsnähere und progressivere Linke eventuell wählen würden aber keine Partei, die sich fundamental über Beschlüsse von vorgestern definiert und gar nicht wirklich bereit ist Verantwortung zu übernehmen?

      Vielleicht weil sie eine Linkspartei wahrnehmen, die sich trotz ständig sinkender Umfragewerte, Wähler- und Mitgliederzaheln in der Selbstgerechtigkeit moralischer Bequemlichkeit suhlt?

      Weil ein guter Teil dessen, was die Partei für "Glaubwürdigkeit" hält, noch knietief in den Vorstellungen des kalten Krieges steckt?

      Und vielleicht auch, weil sie den unauflösbaren Widerspruch zwischen vorgeblichem Willen und Bereitschaft zu einem Politikwechsel und der gleichzeitigen Verweigerung von Fundamentalpositionen abzuweichen, für eben - ja genau- unglaubwürdig halten?

  • Menschen, die Krieg als Mittel der Politik betrachten sind doch nicht die Zielgruppe der linken Partei. Warum regen die sich so auf? Es gibt doch genug Parteien, die sich an den transatlantischen Falken orientieren.



    Gibt Die Linke diese Position auf, dann hätten wir im Bundestag keine Partei mehr, die jenseits von Aufrüstung, Militarisierung, Drohungen, Sanktionen und dem üblichen Freund-Feind-Denken noch nach Strategien sucht, Politik auch im Hinblick auf die Klimakrise zivilisierter zu gestalten.

  • Erschreckend, dass einem NATO-Fan wie Höhn 41 Prozent der Funktionäre nachlaufen. Jede Partei hat offenbar ihren "Flügel"...

  • „Wir werden unsere Positionen nicht verändern, nur damit die Linke regierungsfähig wird“



    Diese „Position“ von Herrn Pflüger ist zumindest sehr bequem: Die Linken können sich auch weiterhin darauf beschränken, die anderen Parteien zu kritisieren. Sie müssen nicht selbst aktiv tätig werden und Verantwortung übernehmen. Denn dann müssten sie evtl. ihrerseits Kritik von der politischen Konkurrenz ertragen.



    Ansonsten haben die Wähler das letzte Wort, die die Linkspartei bisher jedenfalls nicht in die Nähe einer Regierungsbeteiligung (geschweige denn Alleinregierung) auf Bundesebene gebracht haben. Die Parteitagsbeschlüsse werden wohl dafür sorgen, dass das so bleibt!

  • Die grundsätzliche Ablehnung von Militäreinsätzen aufzugeben, nur weil man so vermeintlich regierungsfähig würde, ist auch eine, denke ich, eher ungeeignete Strategie einen Parteitag zu überzeugen.



    Das Militäreinsätze prinzipiell sinnvoll und wichtig sein können, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Der IS hat sich z.B. nicht von allein aus seinem eroberten Territorium zurückgezogen. Dabei ist es auch unerheblich, wer zur Destabilisierung der Region von westlicher Seite beigetragen hat.



    Wäre die Linke Teil einer Regierung, hätte sie weitaus mehr Möglichkeiten zu entscheiden, ob ein Militäreinsatz nur deutschen oder NATO-geostrategischen oder wirtschaftlichen Interessen diene oder eben tatsächlich der Bekämpfung von Verbrechen und Angriffskriegen etc.

  • Wieso heißen Menschen, die den Imperialismus, Terrorismus und die Kriege zb Russlands und des Irans, die das entsetzliche Gemetzel in Syrien (teils wohlwollend) tolerieren, eigentlich "Friedenspolitiker"?



    Ach, hier ist schon die Antwort: Krieg ist nur, wenn amerikanische Waffen im Einsatz sind. Oder natürlich israelische, nicht zu vergessen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @dites-mois:

      Friedhofspolitiker wäre wohl passender.

  • Ein beträchtlicher Teil der Linkspartei praktiziert weiterhin politischen Onanismus: Annexion der Krim als völkerrechtswidrig verurteilen? Nö, nicht mit uns.



    Militärische humanitäre Intervention ("responsibility to protect" als Kategorie des Völkerrechts)? Nicht mit uns, das ZK der Betonpazifisten ist dagegen.



    Nawalny vom russischem Geheimdienst vergiftet? Nicht doch, das waren dunkle Mächte, die Nordstream 2 verhindern wollen.



    Die Linkspartei dümpelt zurecht im einstelligen Prozentbereich vor sich hin. Die Jungen und Aufgeweckten gehen zu den Grünen.

    • @Michael Myers:

      "... Die Jungen und Aufgeweckten gehen zu den Grünen."

      Das heißt heutzutage nicht mehr "jung und aufgeweckt", sondern "woke"!

      Mir sind die Jungen und Aufgeweckten von FFF, die sich mit den Grünen anlegen, jedoch lieber.

  • Bye Bye regieren im Bund. Schön weiter so Motzkies.

    • @Andi S:

      Sie können doch trotzem mitregieren. Bei Auslandseinsätzen enthält sich die Linke dann einfach, mit CDU und FDP bekommt man die doch auch durch den Bundestag. Klappt in Österreich mit Grünen und ÖVP bei Migrationsfragen doch auch. Muss nur im Koalitionsvertrg vereinbart werden.

    • @Andi S:

      Das wollen die doch eh nicht wirklich.

  • "Politik sei kein Selbstzweck, man müsse überlegen, womit sich Mehrheiten links der Union erreichen ließen."

    Knapp links neben der CDU wäre auch rechts. Das kann aber nicht Aufgabe der Linken sein, so weit nach rechts zu rücken, bis auch Die Linke entbehrlich ist. Militaristen gibt es doch wahrlich genug. Warum kommt niemand auf die Idee, von den Grünen und/oder der SPD zu erwarten, dass sie endlich wieder auf den Pfad eines friedenspolitischen Konzeptes kommen? Das setzt natürlich Weitsicht und Selbstbewusstsein voraus, anders zu denken als die Falken.