Waffentragen bei der Berliner Polizei: Die Pistole immer zur Hand
In Berlin darf die Polizei auch wieder abseits des Dienstes Waffe tragen. So wie überall sonst in Deutschland. Die Sicherheit erhöhen wird das nicht.
V or Kurzem und eher nebenbei ist bekannt geworden, dass Berliner Polizist*innen auch in ihrer Freizeit wieder offiziell Waffen mit sich führen dürfen. Bedeutet: In der U-Bahn, beim Grillen im Park oder jetzt beim Public Viewing können Beamt*innen nun in ihren Rucksäcken, zwischen dem Grillgut oder unterm Fußballtrikot eine Pistole dabeihaben. Muss uns Bürger*innen dies nun Sorgen bereiten?
Die kurze Antwort lautet: Ja, Sorgen sind durchaus angebracht. Die differenzierte Antwort lautet: Ja, allerdings gleicht sich Berlin mit dieser Regelung für seine rund 20.000 bewaffneten Beamt*innen bei der Polizei den Verhältnissen anderswo an. Wenn man so will, robbt sich die Hauptstadt hier an Bundesländer wie Bayern heran, das Mekka von Law and Order. Dort und in anderen Bundesländern durften Polizist*innen schon immer ihre Waffen weitestgehend auch außer Dienst und ohne Uniform bei sich haben.
Was war geschehen, dass Berlin eine Ausnahme darstellte? Nach einer mutmaßlichen Serie von missbräuchlichem Gebrauch von Dienstwaffen durch Polizist*innen in ihrer Freizeit, vor allem bei Tierjagden im Berliner und Brandenburger Forst, sprach die damalige Polizeiführung 2016 ein Verbot aus, Waffen außerhalb des Dienstes spazieren zu tragen. Den Polizeigewerkschaften gefiel diese Maßregelung so gar nicht. Hinter vorgehaltener Hand war die Rede „von einer Entmündigung“ der Beamt*innen durch die Polizeiführung.
Über die Aufhebung des Verbots zeigt sich die Opposition in Berlin erschrocken und äußert gegenüber der taz Sicherheitsbedenken. „Es steigt die Gefahr, dass Waffen außerhalb des Dienstes unrechtmäßig angewandt werden oder abhandenkommen“, sagt zum Beispiel Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Darüber hinaus macht die Berliner Polizei ein großes Geheimnis um den Text des sogenannten Arbeitshinweises, der die Aufhebung offiziell gemacht hat. Die Regelung an sich ist unter Verschluss. So wird dem Parlament und der Öffentlichkeit verschwiegen, wie die Regelung im Einzelnen aussieht.
Polizist*innen im Hawaiihemd
Womit wir wieder bei der Frage angelangt wären, warum wir Bürger*innen uns nun angesichts der bewaffneten Polizist*innen im Hawaiihemd mehr Sorgen um unsere Sicherheit machen müssen. Mit der neuen Regelung ist Berlin nicht nur ein Stück bayerischer, sondern auch etwas hessischer geworden. Erst Mitte Mai hatte ein Polizist in Weilrod nördlich von Frankfurt am Main seine Lebensgefährtin mit seiner Dienstwaffe in der Wohnung des Opfers erschossen: ein Femizid, der durch die laxe Regelung des Waffengebrauchs für Polizeibeamt*innen zumindest begünstigt wurde.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
In den vergangenen Jahren haben Recherchen immer wieder gezeigt, wie Waffen und Munition aus Beständen von Polizeibehörden vor allem in rechtsextreme Milieus geschmuggelt wurden. Extremistische Polizist*innen hatten immer wieder Pistolen mitgehen lassen – ein Teil davon ist bis heute verschwunden, einige Waffen tauchten bei gewaltbereiten Neonazis und Staatsfeinden auf. Der Nordkreuz-Komplex ist nur das prominenteste Beispiel.
Man muss kein*e Mathematiker*in sein, um sich auszurechnen, dass die Wahrscheinlichkeit für Missbrauch und Verlust von Waffen dann steigt, wenn mehr Waffen durch Berlin und Deutschland nach Gusto und ohne effektive Kontrolle getragen werden. Mit den bewaffneten Freizeitpolizist*innen werden Parkanlagen, Supermärkte und andere öffentliche und private Räume in Berlin ein Stück unsicherer, halt wie in Bayern, Hessen und anderswo in Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen