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Waffenstillstand zwischen Hamas und IsraelFrieden mit Feinden schließen

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Sowohl die israelische als auch die palästinensische Bevölkerung leidet unter den Luftschlägen. Die politischen Akteure müssen über ihren Schatten springen.

Trauer um die von einem israelischen Luftschlag Getöteten am Mittwoch in Chan Yunis Foto: Ibraheem Abu Mustafa/reuters

A uf beiden Seiten wird diese weitere Runde der Gewalt als Erfolg verkauft: Israel brüstet sich mit der gezielten Tötung von führenden Köpfen der Terrororganisation Islamischer Dschihad; der Islamische Dschihad wiederum lässt sich von seinen Anhängern feiern für die bisher mehr als 500 Raketen, die er während der jüngsten Angriffswelle auf israelisches Territorium gefeuert hat.

Tatsächlich aber handelt es sich um eine weitere, sinnlose Eskalation im Nahostkonflikt. 27 Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen wurden allein bei den israelischen Luftschlägen der letzten Tage getötet, unter ihnen Zivilist*innen, Frauen und Kinder. In den an Gaza angrenzenden Gebieten auf israelischer Seite haben die Menschen gerade mal 15 Sekunden Zeit, in den Luftschutzbunker zu laufen, wenn die Sirene ertönt. Auch sie haben Angst.

Seit gut zwei Jahrzehnten kommt es zwischen militanten Organisationen im Gazastreifen und Israel zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Eine wirkliche Lösung auf politischer Ebene liegt in denkbar weiter Ferne. Erst recht jetzt, da Israel die rechteste Regierung in seiner Geschichte hat.

Die rechte Wählerschaft, allen voran die der rechtsextremen Partei Jüdische Kraft unter Itamar Ben Gvir, fordert eine harte Hand gegenüber den Palästinensern. Die Waffenstillstandsverhandlungen kommen nur langsam voran, wohl auch, weil Israel dem Islamischen Dschihad keine Garantie geben will, die gezielte Tötung ihrer Anführer im Fall eines Waffenstillstands auszusetzen.

Israel kann die Aussichtslosigkeit der Situation mit militärischen Aktionen weiter zementieren – oder eine mutigere Variante wählen: Sich an einen Verhandlungstisch mit der Hamas setzen. Mit der Organisation also, die den Gazastreifen kontrolliert und daher auch mitverantwortlich ist für die Raketen des Islamischen Dschihads. Israel kann die Hamas ein ums weitere Mal als Terrororganisation bezeichnen und betonten, dass sie keine Legitimität habe, den Gazastreifen zu regieren. Aber auf die Gefahr hin, abgedroschen zu klingen: Frieden schließt man nun einmal nicht mit Freunden, sondern mit seinen Feinden.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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16 Kommentare

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  • Angeblich haben iranische Amtsträger dem Islamischen Dschihad für jeden Tag der Raketenangriffe 5 mill.$ versprochen - um in diesem Zeitraum ungestörter Waffen nach Syrien liefern zu können.

    www.understandingw...update-may-15-2023

  • Die Palästinenser haben vor 70 Jahren verloren und jetzt haben Andere das Land.



    Es ist, wie's ist.



    Sie sollten sich mit der Situation arrangieren und sich an uns Deutschen ein Beispiel nehmen !



    Wir pflegen freundschaftliche Beziehungen zu Polen, Tschechen, Franzosen, Belgiern.



    ...läuft prima...

    • @Matthias Berger:

      Arrangieren in welcher Form? Die Besatzung akzeptieren? Ihre eigene Rechtlosigkeit?

      • @Francesco:

        Mein Tipp ist:

        Gemeint ist, dass die Palästinenser im Gegenzug für eine Beendigung der Besatzung abrücken sollten von Forderungen wie



        - Rückkehr der Vertriebenen der Nachkommen auf das israelische Staatsgebiet



        - Grenzen von 1967 (Ost-Jerusalem wieder unter palestinänsische Kontrolle)

  • Wie sähe denn so ein Frieden aus? Israel lässt die Hamas in Ruhe, die Hamas lässt Israel in Ruhe?

    Einmal abgesehen davon dass das leicht (ok, extrem) im Widerspruch zur 2017er Positionspapier (Eliminierung Israels) der Hamas steht, kann die Hamas auch tatsächlich den Frieden gewährleisten und sicherstellen dass keine Raketen mehr fliegen? Ein Frieden hat nämlich keinen Mehrwert für Israel wenn die Hamas ihre Raketen an die nächste Terrororganisation weiterreicht, welche dann aus Hamas-kontrolliertem Gebiet die Angriffe fortsetzt.

    • @Questor:

      Nein, ich denke Israel wird weiterhin nach Gutdünken Menschen umbringen und Gaza bombardieren, wenn es ihm beliebt, denn es hat ja keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Man ist militärisch weit überlegen und die einzige Atommacht im Nahen Osten. Da spielt es auch keine Rolle, wieviele Zivilisten sterben wie die Vergangenheit gezeigt hat.



      Übrigens beruft sich das Hamaspositionspapier auf die Grenzen von 1967, und nicht auf die Eliminierung Israels.

      • @Moritz Pierwoss:

        "Nein, ich denke Israel wird weiterhin nach Gutdünken Menschen umbringen und Gaza bombardieren, wenn es ihm beliebt"

        Das ist eine Verleumdung. Wenn dann gilt das für Hamas und PIJ.

        "Übrigens beruft sich das Hamaspositionspapier auf die Grenzen von 1967, und nicht auf die Eliminierung Israels."

        Bei dem Positionspapier akzeptiert Hamas die Gründung eines pal. Staates innerhalb der Grenzen von 1967, das Existenzrecht vom Staat Israel wird abgelehnt.

        • @h3h3y0:

          Warum ist das Verleumdung?

          "Bei dem Positionspapier akzeptiert Hamas die Gründung eines pal. Staates innerhalb der Grenzen von 1967, das Existenzrecht vom Staat Israel wird abgelehnt."

          Das passt doch. Israel lehnt das Existenzrecht eines palästinensischen Staats ab.

          • @Francesco:

            Und warum hat Israel über Jahrzehnte immer wieder darüber verhandelt?

            Ganz ohne die Hamas, by the way.

            • @Jim Hawkins:

              Israel hat nie über die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staats verhandelt. Immer nur über Autonomie. Und selbst wenn es einen palästinensischen Staat zulässt: Es hat nie das RECHT der Palästinenser auf einen eigenen Staats anerkannt.

            • @Jim Hawkins:

              Warum werden die Verhandlungen mit der kontinuierlichen Besiedlung des Westjordanlandes zu unterlaufen?

              • @Rudolf Fissner:

                Welche Verhandlungen?

  • Die erneute Entscheidung über die Entmachtung des Verfassungsgerichts im Herbst rückt näher. Um so größer die Bedrohung durch die Terroristen, umso geringer die Wahrscheinlichkeit für erneute Massenproteste für die Rechtsstaatlichkeit.

    Und die Herrscher des Gazastreifens, legitimieren sich sowieso nur über Terror und Krieg gegen Israel, wenn die die Füße stillhalten geht ihnen die eigene Bevölkerung auf die Palme und ihre Geldgeber aus dem Ausland drehen den Hahn zu.

    Von dem her geht der Artikel ganz recht, dass diese Sachen zum Nachteil beider Völker ist. Leider aber trotzdem im Interesse beider Regierungen.

  • Gibt es denn irgendwelche Anzeichen dafür, dass die Hamas an Verhandlungen interessiert ist?

    Mir sind keine bekannt.

    • @Jim Hawkins:

      Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass die Rechtsextremen in der israelischen Regierung ...

      Mit Rechtsextremen zu verhandeln lohnt nicht.

      • @Rudolf Fissner:

        War ja klar.

        Es gab Regierungen unterschiedlichster Couleur.

        Für Antizionisten spielt das in der Regel keine Rolle, schon klar.

        Den Rückzug aus Gaza hat Scharon organisiert. Wen juckts?

        Woran sind ihrer Meinung nach alle Verhandlungen gescheitert?