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Waffenruhe zwischen Israel und HamasVorsichtige Glückwünsche

Po­li­ti­ke­r*in­nen äußern sich verhalten hoffnungsvoll über eine mögliche Waffenruhe in Gaza. Viele sehen das Abkommen nur als ersten Schritt.

Freude unter den Anhängern der Palästinenser in Gaza am 15. Januar auf dem Berliner Hermannplatz Foto: Nadja Wohlleben/reuters

Berlin taz | In Deutschland haben die Meldungen nach einer möglichen Waffenruhe in Gaza für Hoffnung gesorgt. Außenministerin Annalena Baer­bock (Grüne) sprach am Donnerstag in der ARD von einem „großen Durchbruch“. Die geplante Vereinbarung zeige, wie wichtig es sei, „auch in den schwersten Stunden der Diplomatie“ weiter dranzubleiben. Im Berliner Stadtteil Neukölln feierten nach dem Bekanntwerden der Pläne am Mittwochabend zahlreiche Menschen auf den Straßen. Aus der Linkspartei kamen erneut Forderungen, die Waffenlieferungen nach Israel zu stoppen und Palästina als Staat anzuerkennen.

Laut Baerbock habe auch Deutschland „und weitere Partner rund 15 Monate lang für diesen Plan gearbeitet“. Den Durchbruch habe jedoch die Zusammenarbeit der amtierenden und künftigen US-Regierung gebracht. Ihr Parteikollege und Kanzlerkandidat Robert Habeck schrieb auf der Plattform X, dass nun „alles daran gesetzt“ werden müsse, dass das Abkommen zur Realität werde. Zugleich müsse eine Waffenruhe der „Anfang für einen Friedensprozess hin zu einer Zweistaatenlösung“ sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die geplante Einigung bereits am Mittwochabend gelobt. Ebenfalls bei X schrieb er, das Abkommen biete „die Chance für ein dauerhaftes Kriegsende und die Verbesserung der schlechten humanitären Lage im Gazastreifen“.

Die deutsche Hilfsorganisation Medico International berichtete von einer „vorsichtiger Erleichterung“, mit der Part­ne­r*in­nen der Vereinigung vor Ort auf die Nachricht nach der möglichen Waffenruhe reagiert hätten. „Allerdings schweben diejenigen, die in Gaza überleben, weiterhin in Lebensgefahr“, erklärte Riad Othman, Nahostreferent der Organisation gegenüber der taz. Die Menschen hätten noch nicht sicher überlebt, weil die Waffenruhe erst am Sonntag eintreten solle.

„Deutschland muss Waffenexporte stoppen“

Othman übte außerdem scharfe Kritik an dem bisherigen Agieren Deutschlands. „Die Bundesregierung hat in diesen 15 Monaten das Völkerrecht nicht unterstützt, sondern internationales Recht unterminiert, zugunsten der rechtsradikalen israelischen Regierung“, sagte er. Deutschland solle nun auf die Einhaltung internationaler Abkommen und auf ein Ende der Straflosigkeit drängen, anstatt nur humanitäre Hilfe zu leisten.

Linken-Chef Jan van Aken bekräftigte die Forderung seiner Partei, dass Deutschland Palästina als eigenständigen Staat anerkennen und die Waffenexporte nach Israel stoppen müsse. Auch er kritisiere, dass Deutschland zu wenig getan habe, damit sich Israel an die Regeln des internationalen Völkerrechts halte. „Deutschland hat immer wieder das Signal an die israelische Regierung ausgesendet: Völlig egal, ob ihr das Völkerrecht einhaltet oder nicht, wir liefern weiter Waffen und vollstrecken keinen Haftbefehl gegen euch, wir gucken weg“, sagte van Aken der taz.

Der Linken-Chef bezog sich damit auf die Haftbefehle, die die Vorkammer des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) im November unter anderem gegen Benjamin Netanjahu erlassen hatte. Die Bundesregierung hatte bei der Frage, ob diese Haftbefehle in Deutschland vollstreckt würden, herumlaviert, die Union wies die Frage gar brüsk zurück – obwohl Deutschland Vertragsstaat und entschiedener Unterstützer des IStGH ist.

Mit Blick auf den Terrorangriff am 7. Oktober 2023 und die israelische Kriegsführung in Gaza sagte van Aken, man dürfe niemals „Menschenrechtsverbrechen mit einem anderen Menschenrechtsverbrechen rechtfertigen“.

In Berlin-Neukölln kam es angesichts der möglichen Waffenruhe am Mittwochabend zu spontanen Jubelszenen auf den Straßen. Videos im Internet zeigen, wie etwa 150 Menschen palästinensische und libanesische Fahnen schwenken und Baklava verteilen. Die Versammlung wurde im Laufe des Abends von der Polizei aufgelöst, da es „wiederholt zu Straftaten“ kam.

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4 Kommentare

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  • "...und Baklava verteilen."

    Ich erinnere mich noch wie Baklava verteilt wurde als am 7. Oktober ein Massaker an den Juden begangen wurde. Daher hinterlässt diese Meldung einen faden Beigeschmack.

    "da es „wiederholt zu Straftaten“ kam."

    Es wurde wieder die Auslöschung Israels gefordert und weitere verbotene Parolen gerufen. Dies zeigt einmal mehr, dass es vielen in der Pro-Palästina-Bewegung nicht um Frieden für die Palästinenser sondern die Vernichtung Israels. Sonst wäre eine solche demonatration auch gut ohne diese Slogans ausgekommen.

    • @Pawelko:

      Kann es denn angesichts des Vorgehens der rechtsextremistischen Gestalten in Israels Regierung nicht auch sein, dass diese die Vernichtung des palästinensischen Volkes betreibt? Alles andere wäre zweierlei Maß - will man das?

  • Jo, diese Sache mit den Waffenlieferungen... Israel liefert uns als einziges Land der Welt in akzeptabler Zeit ein funktionierendes Raketenabwehrsystem (Arrow), dazu noch kurzfristig den dringend benötigten Nahbereichsschutz für die Leopard-Kampfpanzer (Trophy), bei den Großdrohnen geht ohne die israelische "Heron" auch nicht viel, bei der Raketenartillerie ist es die israel. "Puls".

    Während wir große Töne spucken und von irgendwelchen Exportstopps halluzinieren, sind wir viel mehr von Israel abhängig als anders herum.

    Es ist schlicht so, ohne die Lieferungen aus Israel bricht der Nachschub für die Ukraine zusammen. Daran kann auch die regelbasierte Weltordnung samt IStGH nichts ändern.

    Da die USA unter Trump nicht unbedingt ein verlässlicher Partner sind und die europäische Rüstungsindustrie durch Zivilklauseln und Sparmaßnahmen in einen anhaltend traurigen Zustand versetzt wurde, ist Israel plötzlich zum unersetzlichen Waffenlieferanten der Europäer (besonders Deutschland) aufgestiegen.

    So ändern sich die Zeiten...

  • Schweigende Waffen ohne Gerechtigkeit sind häufig nur eine Pause von unbekannter Dauer. Der Weg zu Frieden in der Region ist das Ende der Besatzung.

    Ferner hat Netanyahu einen egoistischen Anreiz dauerzukämpfen und einen überbordenden Egoismus. Wenn er zu stürzen und in den verdienten Knast zu kommen droht: wird er noch an Waffenstillstand denken oder an das Gegenteil, wo er falsche Angst einjagen kann?