Vorwürfe um Störfall bei Tesla: „Sie vertrauen Tesla blind“

Die Chemie-Havarie bei Tesla in Grünheide – nur eine kleine Panne? Der kommunale Wasserverband wirft dem Landkreis Verharmlosung vor.

Mann auf dem Tesla-Gelände hält Poster von Elon Musk

Ausgelaufene Chemikalien? Tesla-Halbgott Elon Musk und seine Jünger rührt sowas nicht an Foto: dpa

BERLIN taz | Am 11. April kam es zu einer Havarie in der Tesla-Autofabrik in Grünheide: In der Lackiererei liefen Chemikalien aus. Das Meiste wurde offenbar in der Halle aufgefangen und anschließend entsorgt, ein kleiner Teil gelangte etwas später aber auch ins Freie. All das war bekannt – neu ist für die Öffentlichkeit, dass der Wasserverband Strausberg-Erkner die zuständige Behörde des Landkreises scharf kritisiert hat: Die überwache die Tesla-Fabrik „nicht mit dem nötigen Ernst“ und verharmlose den Störfall. Auch NaturschützerInnen fordern eine schärfere Überwachung.

Die Betriebsstörung in Grünheide und die vielen Unklarheiten, die sich anfangs darum rankten, hatten sogar Comedian Jan Böhmermann zu einem sarkastischen Tweet animiert: „150.000 Liter Chemikalien aus der Brandenburger Tesla-Fabrik ins Wasserschutzgebiet ausgelaufen. Was hat Elon vor? Brandenburg ein zweites Brandenburg auf dem Mars verkaufen?“ Dies rief das Umweltministerium in Potsdam auf den Plan, das ein paar Dinge gerade rückte. Es habe sich nur um 15.000 Liter gehandelt, die zudem komplett aufgefangen worden seien. Im Freien ausgelaufen seien dann „2–3 Liter“, und zwar aus den Schläuchen des Entsorgungsunternehmens – eine Mini-Panne also.

An diesem Montag nun veröffentlichte die Plattform „FragDenStaat.de“ ebenfalls per Twitter Dokumente, die sie beim Landesumweltamt auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes angefordert hatte. Vieles davon ist auf Bitte von Tesla geschwärzt – damit sollen „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ geschützt werden.

Augenscheinliche Widersprüche in der Darstellung des Vorfalls

Nachvollziehbar wird jedoch eine Korrespondenz von Ende April bis Anfang Mai – zwischen dem Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE), der die Wasserversorgung in der Region sicherstellt, und der Unteren Wasserbehörde des Landkreises Oder-Spree in Beeskow. Diese ist unter anderem für die Überwachung von Störfällen zuständig, die die Trinkwasserversorgung gefährden.

Anhand eines Fotos, das auch die Wasserbehörde verbreitet hatte und das eine rosafarbene Substanz neben der Tesla-Halle zeigt, moniert der Verband „augenscheinliche Widersprüche“ zu Aussagen der Behörde. Dass die Chemikalien angeblich nicht in die Schmutzwasserkanalisation gelangt seien, erschließe sich nicht – auf dem Foto erkenne man, dass die durch das Bindemittel erzeugte Färbung bis zu einem Gullydeckel reiche. Auch habe die Behörde zu Unrecht jede Gefährdung des Grundwassers ausgeschlossen: Das Foto zeige eine unversiegelte Fläche direkt neben dem großen pinken Fleck.

All dies erwecke „den Anschein“, so der WSE in seinem Schreiben, „dass Sie nicht beabsichtigen, solche Störfälle konsequent nachzuverfolgen“. Zumal der Wasserverband erst mehrere Tage nach dem Vorfall und auch nur auf Nachfrage darüber informiert worden sei.

„Bindemittel großzügig aufgebracht“

Den weiteren Fortgang der Korrespondenz hat der Verband auf seiner Website publik gemacht. So erwiderte die Untere Wasserbehörde, man sei sehr wohl vor Ort gewesen: am 13. April nämlich, also zwei Tage nach dem ursprünglichen Havarie und einen Tag nach der Sache mit den Schläuchen.

Da seien die Spuren aber schon durch die Tesla-Werksfeuerwehr beseitigt worden. Die habe auch erklärt, das Bindemittel sei bis zum Gully und bis zum unbefestigten Erdreich „als vorsorgliche Barriere großzügig aufgebracht“ worden – offenbar der Grund, warum es scheint, als sei die Chemikalie bis dorthin vorgedrungen.

Der Briefwechsel endet mit einem Rückschreiben des Wasserverbands, in dem man trotz dieser Beteuerungen „den nötigen Ernst“ im Handeln der Behörde vermisst. Beigefügt ist eine Drohnenaufnahme, die noch am 15. April Spuren auf der unversiegelten Fläche zeigt.

Blindes Vertrauen in die Angaben von Tesla

Das wäre Anlass genug für eine Untersuchung des Erdreichs gewesen, so der Verband. Tatsächlich hatte die Wasserbehörde eine „organoleptische Beprobung“ dieses Bereichs erwähnt – auf gut Deutsch ist das aber wenig mehr als eine Riechprobe. Das Urteil des Verbands über die Untere Wasserbehörde: „Wir müssen weiter davon ausgehen, dass Sie den Angaben von Tesla blind vertrauen und die Verantwortung für unsere Trinkwasserzone gänzlich ignorieren.“

Auf taz-Anfrage schließt sich Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide dem an. „Wir sind uns mit dem Wasserverband einig, dass man mit einer solchen Sache nicht so lax umgehen kann“, so der Tesla-Kritiker, der in dieser Sache auch für den Brandenburger Nabu und die Grüne Liga spricht.

Keine Kontrolle trotz Wasserschutzgebiet

Da die Tesla-Autofabrik größtenteils in einem Wasserschutzgebiet liege, sei ein hoher Schutzaufwand nötig. „Bei einem Störfall muss am besten innerhalb weniger Stunden eine Kontrolle vor Ort erfolgen.“ Das sei hier nicht geschehen, und lange sei auch gar nicht bekannt geworden, welche Substanzen ausgetreten waren.

„Ein Beispiel, wie man es nicht machen darf“, findet Schorcht. Die Bürgerinitiative werde weiter genau hinsehen und über jeden Verdachtsfall informieren – oder gleich Anzeige erstatten.

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