Vorwürfe gegen Geldwäsche-Einheit: Scholz’ Leiden mit der Geldwäsche
Die Razzia bei einer dem Finanzminister unterstellten Einheit wird zum Wahlkampfthema. Die Behörde ist seit Langem ein Problemfall.
Konkret geht es um die 2001 geschaffene Financial Intelligence Unit (FIU), die Verdachtsfälle auf Geldwäsche oder Terrorfinanzierung prüft und an zuständige Staatsanwaltschaften weiterleitet. Gehörte diese zunächst zum Bundeskriminalamt, unterstellte sie der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2017 dem Zoll – und damit seiner Verantwortung. Schäuble wollte die Einheit, damals 25 Mitarbeiter:innen klein, eigenständiger machen und aufstocken. Und sie stärker priorisieren: Weitergeleitet werden sollten „nur die tatsächlich relevanten Fälle“, um den Strafverfolgungsbehörden die Arbeit zu erleichtern.
Seit dem Wechsel aber riss die Kritik nicht ab, dass die FIU zu wenig Personal, Expertise und Zugriffsrechte, etwa auf Polizeidatenbanken, habe, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Ihre Meldungen an die Strafverfolger erfolgten zu selten und zu spät. Das ist auch der Hintergrund der Durchsuchungen am vergangenen Donnerstag im Bundesfinanz- und -justizministerium. Die Verantwortung kreidet Laschet nun auch Scholz an.
Vorwurf Strafvereitelung im Amt
Ermittelt wird hierbei laut der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen „unbekannt“ – nicht gegen Ministeriumsmitarbeiter:innen, sondern gegen Verantwortliche der FIU, die in „umfangreicher“ Kommunikation mit den Ministerien gestanden hätten. Der Vorwurf lautet auf Strafvereitelung im Amt. Aber: Überprüft werden soll auch, „ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren“. Das BMF dagegen betont, dass laut Durchsuchungsbeschluss „ausdrücklich nicht gegen Beschäftige der Bundesministerien“ ermittelt werde.
Scholz kritisierte nach der Razzia, die Staatsanwaltschaft hätte ihre Fragen auch einfach schriftlich stellen können. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft verteidigte die Durchsuchung dagegen als „zweckmäßiges Mittel“. Zur Frage, warum man gerade jetzt durchsuchte – zwei Wochen vor der Bundestagswahl –, sagte er der taz, der Wahltermin sei „nicht das entscheidende Kriterium, sondern die Verdachtslage“. Und diese habe sich erst zuletzt verdichtet. Auch seien die Durchsuchungsbeschlüsse bereits im August beantragt worden. Danach wurden diese richterlich bestätigt.
Auf „Bruchteil“ zurückgegangen
Die Ermittlungen leitete die Staatsanwaltschaft bereits im vergangenen Jahr ein. Ausgangspunkt war die Meldung einer Bank im Juni 2018 an die FIU, wonach hinter Zahlungen nach Afrika von mehr als einer Million Euro Waffen- und Drogengeschäfte stehen könnten. Die FIU soll diese Meldung nicht weitergeleitet haben, die Transaktion konnte nicht gestoppt werden. Laut Staatsanwaltschaft kein Einzelfall: Inzwischen gebe es Geldwäscheverdachtsmeldungen „in Millionenhöhe“, die von der FIU nicht weitergeleitet wurden. Die Geldwäschemeldungen seien, seitdem die FIU übernommen habe, „auf einen Bruchteil zurückgegangen“.
Laut FIU selbst gingen im vergangenen Jahr 144.000 Meldungen über auffällige Transaktionen bei ihr ein – 25 Prozent mehr als im Vorjahr und mehr als 12-mal so viel wie vor zehn Jahren. 24.700 Meldungen davon seien an Justiz und Polizei weitergegeben worden – was tatsächlich 9.000 weniger waren als im Vorjahr.
Scholz betont, dass er auf die Probleme bei der FIU reagiert und diese auf inzwischen personell massiv aufgestockt habe. Laut seinem Ministerium arbeiten derzeit 469 Beschäftigte in der Einheit, 720 sollen es demnächst werden. Auch habe man die FIU technisch aufgerüstet und ihre Zugriffsrechte erweitert. Und anders als von Laschet behauptet, habe das Ministerium nur eine „eingeschränkte Rechtsaufsicht“ – operativ sei die FIU unabhängig. Das heißt, das Ministerium bekommt keinen Einblick in einzelne Fälle der Einheit, um die Ermittlungen nicht zu beeinflussen.
Schon lange in der Kritik
Zur Wahrheit gehört aber, dass Scholz’ Ministerium seit Jahren von der Opposition kritisiert wird, die Missstände in der FIU nur ungenügend anzugehen. Die Expertise dort fehle weiterhin, ein Stellenzuwachs allein reiche nicht. So hatte die FIU auch in der Wirecard-Affäre versagt: Gab sie zu dem Unternehmen zunächst nur zwei Verdachtsmeldungen weiter, wurden nach Auffliegen des Skandals 2020 144 Meldungen nachgereicht. Und im Februar leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein, weil es nicht allen Verpflichtungen zur Bekämpfung der Geldwäsche nachkomme.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht von einem „grundlegenden Strukturfehler“ bei der FIU, den die Hausleitung des Finanzministeriums und der Generalzolldirektion zu verantworten hätten. Mehr Personal mache die Einheit „nur teurer, aber nicht effektiver und befasst sich nicht mit den eigentlichen Ursachen, die bereits im übereilten Aufbau der FIU unter dem heutigen Bundestagspräsidenten Schäuble zu finden sind“. Es brauche „längst überfällige organisatorische und gesetzliche Lösungen“.
Auch die Opposition im Bundestag fordert inzwischen eine Sondersitzung des Finanzausschuss noch vor der Wahl wegen der Vorwürfe. Scholz habe die FIU „sehenden Auges vor die Wand gefahren“, kritisieren die Grünen. Auch für die FDP hat der SPD-Mann die Einheit „wie ein Stiefkind“ behandelt. „Die Durchsuchung zeigt, dass Olaf Scholz seinen Geschäftsbereich überhaupt nicht im Griff hat.“
Der Vorwurf, dass Scholz oder seine Beamt:innen für womöglich strafbares Verhalten in der FIU mitverantwortlich wären, lässt sich damit bisher nicht belegen. Wohl aber, dass Scholz die Missstände in der Einheit bis heute nicht in den Griff bekommt. Dennoch kurios an Laschets Kritik: Seine CDU will die FIU künftig nun wieder ans BKA anbinden. Dort, wo sie sein Parteikollege Schäuble vor vier Jahren abkoppelte. Und dann die Probleme erst richtig losgingen.
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