Vorfälle bei Frankfurter Polizei: Rechte Chats und tödliche Schüsse
Der hessische Innenausschuss zitiert Innenminister Beuth zur Befragung. Es geht um zwei schwerwiegende Vorfälle bei der Frankfurter Polizei.
![Polizisten stehen vor einer Absperrung während eines Einsatzes im Frankfurter Bahnhofsviertel Polizisten stehen vor einer Absperrung während eines Einsatzes im Frankfurter Bahnhofsviertel](https://taz.de/picture/5715877/14/30747459-1.jpg)
Grund dafür sind gleich zwei Vorfälle, in deren Zentrum die Frankfurter Polizei steht. Zum einen geht es um einen Mann, der bei einem Einsatz durch den Schuss aus einer Dienstwaffe getötet wurde. Zum anderen – mal wieder – um rechtsextreme Chats und den unangemessenen Umgang damit innerhalb der Behörde.
Bei einem nächtlichen Einsatz hat ein Polizeibeamter in der vergangenen Woche einen randalierenden 23-jährigen Drogenabhängigen mit der Dienstwaffe getötet. Zunächst hieß es, der Mann sei auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Inzwischen steht fest: Er starb nach einem gezielten Kopfschuss.
Die tödlichen Schüsse fielen in der Nacht zum Dienstag in einem einschlägigen Hotel im Bahnhofsviertel. Die Polizei war zu einem Noteinsatz gerufen worden. Ein Mann hatte laut Polizei zwei Prostituierte auf sein Zimmer bestellt. Mit Gewaltandrohung habe er die beiden dazu zwingen wollen, Drogen zu nehmen. Die Frauen seien entkommen und hätten die Polizei gerufen.
Widersprüchliche Angaben
Auch die eingetroffenen Beamten habe der 23-Jährige mit einem Messer bedroht und einen Polizeihund schwer verletzt. Ein „Taser“ – eine Elektroimpulswaffe, wie sie das Überfallkommando in solchen Fällen häufig anwendet – sei nicht zur Hand gewesen, so die Darstellung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Das LKA ermittelt, wie in solchen Fällen üblich.
Der Linken-Abgeordnete Torsten Felstehausen will jetzt nicht nur wissen, warum es in Bezug auf Todesart und -zeitpunkt zunächst widersprüchliche Darstellungen zu dem Fall gegeben hatte; auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Waffeneinsatzes stelle sich.
Zweites gewichtiges Thema sind die neuerlichen Vorwürfe gegen Frankfurter Polizeibeamte wegen rechter Chats: Ein Polizeibeamter soll bereits im Jahr 2018 NS-Symbole in Chatrooms geteilt haben. Statt diese Verfehlung nach Recht und Gesetz zu verfolgen, haben ihn offenbar vier Kollegen gedeckt und gewarnt. Darunter waren auch Vorgesetzte. Der Fall wurde am vergangenen Wochenende bekannt. Immerhin spricht auch der neue Frankfurter Polizeipräsident, Stefan Müller, erst wenige Tage im Amt, von einem „ernsten Vorgang“.
Für die Führung der Polizei steht das Fehlverhalten von Beamten bereits fest: Fünf Polizisten sind inzwischen suspendiert und dürfen ihre Dienstgeschäfte nicht mehr ausüben. Darunter sind immerhin der Hauptgebietsleiter der Organisationseinheit, der für die Bearbeitung von Amtsdelikten zuständig war, außerdem ein Kommissariatsleiter in der Fahndung der Kriminaldirektion und ein ihm nachgeordneter Ermittlungsgruppenleiter.
Chats schon 2018, Durchsuchungen erst jetzt
Die drei wussten offenbar, dass einer ihrer Kollegen NS-Symbole wie Hakenkreuze oder SS-Runen in Chats geteilt hatte. Statt die rechten Umtriebe des Kollegen zu verfolgen, sollen sie ihn gewarnt und die Sache vertuscht haben, so der Stand der Ermittlungen. „Diese schweren Vorwürfe betreffen den Kernbereich polizeilicher Führungsverantwortung“, erklärte Polizeipräsident Müller.
Noch ist unklar, weshalb die strafbaren Chats aus dem Jahr 2018 erst jetzt bekannt und weshalb die Durchsuchung und das Beschlagnahmen von Handys erst vor zwei Wochen veranlasst wurden. Die Abgeordneten werden auch danach fragen, ob es einen Zusammenhang mit der Fahndung nach dem Urheber der NSU-2.0-Drohschreiben gibt, im Zuge derer erstmals der Skandal um rechte Chatgruppen in der hessischen Polizei öffentlich geworden war.
Die Affäre um rechte Umtriebe macht der hessischen Polizei und ihrem zuständigen Minister Beuth bis heute zu schaffen. Ende Juni dieses Jahres waren in diesem Zusammenhang noch 64 Verfahren gegen Polizeibeamte anhängig. In 19 Fällen wurden bereits Beschäftigte aus dem Dienst entlassen, mehr als ein Dutzend weiterer Disziplinarverfahren sind eingeleitet.
Der Beamte indes, der jetzt, erst vier Jahre später, mit seinen rechten Machenschaften konfrontiert wird, war bislang davongekommen – offenbar weil er mächtige Verbündete im Apparat hatte.
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