Vor dem EU-Gipfel: Widerstand gegen Asyl-Kompromisse
EU-Kommissionschef Juncker wollte mit seinem Entwurf zur Asylpolitik wohl Merkel helfen. Doch nach heftigem Protest fällt die Erklärung wohl ins Wasser.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warnte Merkel unterdessen scharf davor, ihn zu entlassen. Die Kanzlerin steht unter heftigem Druck, weil die CSU Fortschritte bis Monatsende Fortschritte bei der Zurückweisung von Migranten erwartet. Doch die Vorzeichen dafür sind schlecht.
Conte schrieb auf Facebook, er habe am Donnerstag einen Anruf Merkels erhalten, die ihm von ihrer Sorge berichtet habe, er könne an dem Treffen nicht teilnehmen. „Ich habe ihr bestätigt, dass es für mich inakzeptabel gewesen wäre, an diesem Gipfel teilzunehmen, wenn es schon einen vorgefertigten Text dafür gibt“, erklärte der Italiener. Sein Innenminister Matteo Salvini hatte schon am Vortag deutlich gemacht, dass seine Regierung keine Asylbewerber von Deutschland zurücknehmen will.
Auch aus Osteuropa und aus der CSU bläst Merkel weiter heftiger Gegenwind ins Gesicht. Die vier Visegrad-Staaten (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) werden dem Asyl-Gipfel fernbleiben. „Wir fahren nicht“, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nach einem Treffen der mitteleuropäischen Staatengruppe mit dem Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Das einzige Forum, das zu Entscheidungen in der Migrationsfrage befugt sei, sei der Europäische Rat der Staats- und Regierungschef. „Wir verstehen, dass es Länder gibt, die mit innenpolitischen Problemen ringen, aber das darf zu keinen gesamteuropäischen Panikhandlungen führen“, sagte Orban wohl mit Blick auf Deutschland.
Seehofer droht Merkel
Zu dem Treffen am Wochenende werden derzeit neben Merkel die Staats- und Regierungschefs von Österreich, Italien, Frankreich, Griechenland, Bulgarien, Spanien, Malta, Belgien, Dänemark und der Niederlande erwartet.
Die CSU von Innenminister Seehofer hatte ihr zwei Wochen eingeräumt, um spätestens beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni bilaterale Vereinbarungen zu treffen, nach denen Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen werden können, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden.
Seehofer warnte Merkel davor, ihn wegen eines Alleingangs im Asylstreit zu entlassen. „Wenn man mit dieser Begründung einen Minister entließe, der sich um die Sicherheit und Ordnung seines Landes sorgt und kümmert, wäre das eine weltweite Uraufführung. Wo sind wir denn?“, erklärte Seehofer im Interview mit der Passauer Neuen Presse (Freitag).
„Ich bin Vorsitzender der CSU, einer von drei Koalitionsparteien, und handele mit voller Rückendeckung meiner Partei. Wenn man im Kanzleramt mit der Arbeit des Bundesinnenministers unzufrieden wäre, dann sollte man die Koalition beenden“, sagte Seehofer.
Juncker kommt der CSU eigentlich entgegen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wies den Vorwurf zurück, es gehe ihm im Asylstreit um die bayerische Landtagswahl im Oktober. Er sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, er mache sich vielmehr Sorgen um die Demokratie in Deutschland. Merkel sagte in einer Diskussionsrunde mit Studenten in der jordanischen Hauptstadt Amman: „Wir müssen ein offenes Land sein“, auch wenn die Migration natürlich geordnet und gesteuert werden müsse.
EU-Kommissionschef Juncker hatte mit der für Sonntag geplanten gemeinsamen Erklärung der Teilnehmer des Brüsseler Treffens eigentlich die Verständigung auf eine Reihe von Grundprinzipien im Asylstreit befördern wollen. In dem Entwurf des Papiers heißt es: „Wir werden einen flexiblen gemeinsamen Rücknahmemechanismus nahe an den Binnengrenzen einrichten.“ Nach seinem Willen sollen Kanzlerin Merkel und die anderen Teilnehmer auch eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Weiterreise von Asylsuchenden zwischen EU-Staaten zu unterbinden. „Es gibt kein Recht, den Mitgliedsstaat, in dem Asyl beantragt wird, frei zu wählen“, heißt es in dem Entwurf.
Juncker kommt mit seinem Papier eigentlich der CSU entgegen. Sie will Schutzsuchende, die andernorts in der Europäischen Union bereits registriert wurden, an der deutschen Grenze abweisen. Doch die CSU ist skeptisch: „Wir haben die Sorge, dass Angela Merkel jetzt mit dem Scheckbuch durch Europa läuft. Sie braucht Griechenland und Italien für eine Lösung in der Flüchtlingsfrage“, sagte CSU-Vorstandsmitglied Markus Ferber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er spielte damit auf die Einigung zum Eurozonen-Budget an, die Merkel mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron getroffen hatte. „Für die CSU ist klar: Es darf keinen Deal zu Lasten der deutschen Steuerzahler geben. Es geht nicht, Dinge zu vermischen, die nicht zusammengehören.“
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verteidigte am Donnerstag die Einigung mit Macron. Er sagte, es sei ein Erfolg der Kanzlerin, dass sich Frankreich hinter ihre Bemühungen gestellt habe, „durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Ländern Rücknahmen von Flüchtlingen zu organisieren, die in einem anderen Land registriert worden sind und dort bereits ein Asylverfahren begonnen haben“.
SPD ist genervt
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat indes in scharfen Worten an CDU und CSU appelliert, ihren Streit in der Asylpolitik beizulegen. „Ich bin sehr verärgert über die Art und Weise, wie hier mit Deutschland gespielt wird, weil man offensichtlich Panik hat, dass man in Bayern die absolute Mehrheit verliert“, sagte Nahles in einem Interview der ARD-„Tagesthemen“ am Donnerstag. Sie sei „nicht bereit, diese Mätzchen noch weiter mitzumachen“ und fordere die Union auf, „dass sie jetzt endlich zur Sache zurückfinden und dass sie die Regierungsarbeit mit uns gemeinsam wieder aufnehmen“.
In dem Streit gehe es gar nicht mehr um die Flüchtlingspolitik, so Nahles weiter. Da könne man „pragmatische Lösungen finden“. „Und wenn man sich in der Sache einigen will, dann kann man das auch mit uns Sozialdemokraten.“ Im Unionsstreit gehe es aber „um Machtkämpfe, hier geht es um Rivalitäten, um innerparteilichen Geländegewinn“.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte: „Der Streit zwischen CDU und CSU macht vielen Menschen in unserem Land Sorge.“ Dass es Probleme zwischen den Schwesterparteien gebe, sei nicht neu. Sie betonte aber: „Aktuell braucht man Fantasie, um zu sehen, wie sie wieder zueinander kommen könnten. Ich hoffe, dass sie das schaffen.“
FDP-Chef Christian Lindner sagte: „Für die Opposition sind das schwierige Zeiten, denn die Regierung selbst ist sich Opposition genug.“
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