Von Israel besetzte Gebiete: Siedlerprodukte brauchen Etikett
Der EuGH urteilt, dass Waren entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Nur so könnten Verbraucher „ethische“ Entscheidungen treffen.
Der Rechtsstreit hatte seinen Ursprung in Frankreich. Dort hatte das Wirtschaftsministerium 2016 in einem Erlass darauf hingewiesen, wie Produkte aus Siedlerbetrieben zu kennzeichnen sind. Das Ministerium stützte sich dabei auf eine Mitteilung der EU-Kommission von 2015.
Die Kommission schrieb damals: „Da die Golanhöhen und das Westjordanland (einschließlich Ostjerusalem) völkerrechtlich kein Teil des israelischen Hoheitsgebiets sind, ist die Angabe ‚israelisches Erzeugnis‘ als inkorrekt und irreführend anzusehen.“ Korrekt wäre zum Beispiel die Bezeichnung „Erzeugnis aus dem Westjordanland (palästinensisches Erzeugnis)“ oder „Erzeugnis aus dem Westjordanland (israelische Siedlung)“.
Gegen den französischen Erlass klagte ein Weingut in der israelischen Siedlung Psagot, die 1981 gegründet wurde und im Westjordanland nahe Ramallah liegt. Die Kennzeichnungspflicht sei „diskriminierend“, so die Kläger. Das Weingut wurde dabei unterstützt von der kleinen „Organisation Juive Européenne“. Der zuständige Conseil d’Etat, das oberste französische Verwaltungsgericht, bat den EuGH um Auslegung des EU-Rechts.
Gegen eine Täuschung der Verbraucher
Der EuGH kam jetzt zu dem Schluss, dass eine entsprechende Kennzeichnung der Waren aus den von Israel besetzten Gebieten nicht nur möglich sei, sondern sogar verpflichtend. Die EU-Kommission und das französische Ministerium hätten das EU-Recht also korrekt ausgelegt.
Grundlage der EuGH-Entscheidung ist eine EU-Verordnung von 2011 zur Information von Verbrauchern über Lebensmittel. Danach sind auch Herkunftsgebiet und -ort von Lebensmitteln anzugeben, wenn dies erforderlich ist, um eine Täuschung von Verbrauchern zu vermeiden. Der EuGH stellte darauf ab, dass manche Konsumenten auch „ethische“ Aspekte in ihre Kaufentscheidungen einbeziehen.
Laut EuGH muss eine Irreführung der Verbraucher darüber verhindert werden, dass das Westjordanland zu Israel gehören könnte. Vielmehr agiere Israel dort als Besatzungsmacht – obwohl das palästinensische Volk ein „Recht auf Selbstbestimmung“ habe. Der EuGH verweist hierbei auf ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von 2004.
Zudem müsse als „Herkunftsort“ gegebenenfalls die Angabe „israelische Siedlung“ verwendet werden, so der EuGH. So könne verhindert werden, dass Verbraucher glauben, das Produkt stamme von einem palästinensischen Unternehmen. Die israelische „Umsiedlungspolitik“ in den besetzten Gebieten verstoße ebenfalls gegen Völkerrecht. Wieder verweist der EuGH auf das IGH-Gutachten, aber auch auf Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats und der EU.
Da der EuGH eine EU-Verordnung auslegte, gilt das Urteil ab sofort ohne Weiteres in der gesamten EU, also auch in Deutschland. Gesetzesänderungen oder Ministerialerlasse sind nicht erforderlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen