piwik no script img

Vollverschleierung am SteuerMuslimin scheitert mit Klage

Eine muslimische Frau wollte in Berlin durchsetzen, dass sie mit Gesichtsverschleierung Auto fahren darf. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgelehnt.

Keine Ausnahme erstritten: Die Klägerin und ihr Anwalt vor dem Verwaltungsgericht Berlin Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin afp | Das Tragen eines Gesichtsschleiers am Steuer eines Autos bleibt einem Gerichtsurteil aus Berlin zufolge verboten. Eine muslimische Frau scheiterte am Montag mit einer Klage am Verwaltungsgericht der Hauptstadt, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem sogenannten Nikab erstreiten wollte.

Nach der Straßenverkehrsordnung (Stvo) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Die Klägerin verwies darauf, dass es ihr muslimischer Glaube gebiete, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Steuern eines Autos ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts bis auf die Augenpartie zu verschleiern.

Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.

Das Verwaltungsgericht Berlin wies diese nun ab. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, erklärte das Gericht.

Eingriff in Religionsfreiheit wiege weniger schwer

Das Verhüllungsverbot diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen zur Verantwortung gezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhielten als Autofahrer, die nicht identifiziert werden können.

Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer, befand das Gericht. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden. Die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme als Lenkerin eines Fahrzeuges.

Für ungeeignet befand das Gericht auch den Vorschlag der Klägerin, einen Nikab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ auszustatten und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Nach Ansicht der Richter wäre damit nicht garantiert, dass die Person mit dem Nikab tatsächlich diejenige sei, für die der QR-Code kreiert wurde.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Ist nicht schon ein Verfahren einer Muslima anhängig, das schon in Karlsruhe ist? Ich bin mir ziemlich sicher, dass die bisherigen (Ober)Gerichte dem Ansinnen den Stecker gezogen haben und nun Karlsruhe das letzte Wort hat dazu.

  • taz: *Die Klägerin verwies darauf, dass es ihr muslimischer Glaube gebiete, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe.*

    Sure 24: "Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Augen niederschlagen, und ihre Keuschheit bewahren, den Schmuck, den sie tragen, nicht offen zeigen, soweit er nicht normalerweise sichtbar ist, und ihre Tücher über ihren Busen ziehen."

    In Sure 24 steht zwar etwas davon, dass man als gläubige muslimische Frau den Busen bedecken und mit dem Schmuck nicht so "protzen" soll, aber daraus eine komplette Verschleierung (z.B. Niqab) abzuleiten, oder auch "nur" die Pflicht ein Kopftuch tragen zu müssen, kann man wohl als Meisterwerk der Interpretationskunst ansehen.

  • Richtige Entscheidung. Hoffentlich geht der Prozess bis vor das Bundesverfassungsgericht, damit endlich klar ist, dass man nicht verschleiert Auto fahren darf.

  • Nicht nur die Klägerin ist den Blicken ihrer Umwelt ausgesetzt, auch die Umwelt ist den Blicken der Klägerin ausgesetzt. Das ganze Thema hat sich allerdings im Straßenverkehr der allgemeinen Sicherheit unterzuordnen.

  • Vor Weltanschauungen wie dem Islam muss man sich auf politischer Ebene in Acht nehmen: während in Deutschland die Religionsausübung grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit der verfassungsmäßigen Ordnung steht, steht in Ländern mit dem Islam als Staatsreligion politisches Handeln, insbesondere die Gesetzgebung, unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem Islam.

    Ich sehe die Dame in der Freiheit der Bekenntniswahl nicht eingeschränkt. Und die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ist kein Akt der Religionsausübung.

    • @Jan Schubert:

      Das ist reichlich naiv. In wievielen Gremien sitzen denn bei uns die Kirchen? Auch Gesetze werden nicht selten mit dem Klerus abgestimmt. Wir sind KEIN säkularer Staat - leider. Dieses Gemenge von Staatsmacht und Religion besteht fast überall und das war schon vor tausend Jahren so...

  • Die Einschränkung, dass man mit Gesichtsverschleierung nicht am Steuer sitzen soll, finde ich grundsätzlich vertretbar. Andererseits auch kurios, denn mit Coronamaske darf man bei Bedarf ja auch fahren und trägt dann auch sein Gesicht nicht offen.

    • @Günter Picart:

      Bei einer Coronamaske sind nur der Mund und Nase verhüllt, bei einem Nikab ist bis auf einen Augenschlitz der gesamte Kopf verhüllt.

    • @Günter Picart:

      Das Gericht wägt eben zwischen verschiedenen Grundrechten ab und scheint der körperlichen Unversehrtheit mehr Gewicht zu geben als der (Verkehrs)sicherheit.

  • Die Frage nach der Einschränkung der Religionsfreiheit ist abhängig von der Bedeutung der untersagten Handlung



    innerhalb dieser Religion.



    Die meisten Strömungen des Islam halten keine derart starke Verschleierung für erforderlich. Dass es eine Detail-Strömung innerhalb einer Gruppe von Kulturen ist, die alle zufällig islamisch sind. Aber eben Kultur, nicht Religion.

  • Mir erscheint das Urteil des Verwaltungsgerichtes vernünftig, aber ich kann es weder als Juristin noch als religiöser Mensch bewerten. Als Teilnehmende des Straßenverkehrs finde ich das Urteil gut.

  • // Die Klägerin verwies darauf, dass es ihr muslimischer Glaube gebiete, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. //

    Rechtsstaat geht vor Glaube glaube ich.

    • @Der Cleo Patra:

      Wieder dieses Missverständnis. Rechtsstaat bedeutet doch gerade Glaubensfreiheit für alle. Glaube ist kein Gegensatz zum Rechtsstaat, der ihm irgendwie "vorgehen" könnte, sondern Glaube profitiert vom Rechtsstaat, weil er nicht wie in einem Unrechtsstaat unnötig eingeschränkt wird.

      • @Günter Picart:

        Nein, Rechtsstaat bedeutet nicht per se Glaubensfreiheit für alle. Es bedeutet nur, dass nach geltenden Gesetzen entschieden wird und jeder Bürger die Rechtsinstanzen nutzen (sprich klagen) kann. Wenn Gesetze bestimmte Riten von Religionen einschränken, widerspricht das nicht dem Rechtsstaatprinzip - so lange diese gültig sind und nicht höheren Rechtsgütern widersprechen (z.B. Grundgesetz).



        Das ist hier gerichtlich festgestellt worden.



        Glaubensfreiheit wird letztlich nicht rechtlich, sondern politisch gewährt, denn Richter machen keine Gesetze, sie setzen diese nur durch und verhindern (formale) Inkonsistenzen zwischen Gesetzen.

      • @Günter Picart:

        Ich kann glauben was ich will. Aber deshalb gegen Verkehrsverordnungen oder Gesetze zu verstoßen geht nicht. Und sei der Glaube auch noch so stark.

      • @Günter Picart:

        "Rechtsstaat bedeutet doch gerade Glaubensfreiheit für alle. "



        Ja, aber was hat dies mit der Vollverschleierung zu tun? Glaubensfreiheit heißt doch nicht automatisch das Recht verschleiert zu fahren, so wenig wie die Scharia zugelassen wird, wenn es gegen deutsches Recht verstoßt.

  • Und bei jeder Verkehrskontrolle würde dann jedesmal eine Umkleidekabine mit weiblichem Personal benötigt, damit die zweifelsfreie personelle Zuordnung zur Fahrerlaubnis möglich wäre? Hat nicht wenigstens der Anwalt mal vorher nachgedacht?

    • @vieldenker:

      Das hat er vermutlich, und vermutlich hat er das der Klägerin auch gesagt. Aber wenn die trotzdem darauf besteht, Klage zu erheben, dann gibt es für einen Anwalt nur zwei Möglichkeiten: Das Mandat niederzulegen und der Mandantin zu sagen, dass sie einen neuen Anwalt braucht. Oder die Klägerin vor Gericht zu vertreten, auch wenn das in der Erwartung geschieht, dass die Klage abgewiesen wird. Am Ende gewinnt bei einer solchen Erwägung: das eigene Portemonnaie. :-)