Volksentscheid abgewendet: Hamburg wird nicht länger verkohlt
Die Stadt und die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ haben sich auf den Kohleausstieg bis 2030 geeinigt. Vattenfalls Moorburg ist davon nicht betroffen.
Nach der Vereinbarung soll der Kohleausstieg bei der Fernwärmeproduktion bis spätestens 2030 erfolgen; ursprünglich hatte die Volksinitiative 2025 gefordert. Das aber ist technisch nicht umsetzbar, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) vor einem Monat, als er verkündete, die Stadt werde die Fernwärmegesellschaft des Energiekonzerns Vattenfall zu 100 Prozent rekommunalisieren. Kerstan hatte die Volksinitiative auf einer Landesmitgliederversammlung der Grünen Ende März vorigen Jahres öffentlichkeitswirksam selbst unterschrieben.
Mit der Hoheit über die Fernwärmeversorgung könne die Stadt den Ausstieg aus der Kohle und den Umbau zu einer ökologischen Wärmeversorgung organisieren, glaubt Kerstan. „Unmittelbar steht jetzt die Ablösung des Kraftwerks Wedel an.“ Das rund 60 Jahre alte Kohlekraftwerk versorgt rund 120.000 Haushalte in Hamburgs Westen mit Wärme – aus Steinkohle.
Kerstan will es möglichst rasch stilllegen. „Unser Ziel ist immer noch die Heizperiode 2023.“ Dann soll ein Mix aus der Nutzung industrieller Abwärme und Müllverbrennung sowie ein neues Gaskraftwerk und ein neuartiger Tiefen-Wärmespeicher auf der Dradenau im Hafen Ersatz liefern und die „Wärmewende“ einleiten. Das Kohlekraftwerk Tiefstack soll „zwischen 2025 und 2030 auf Erdgas umgerüstet werden“, so Kerstan. „Spätestens 2030 wird die Hamburger Wärmeversorgung kohlefrei sein“, verspricht er.
Die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ ist ein Bündnis von 13 Vereinen und Organisationen. Sie wurde am 21. Februar 2018 beim Senat angemeldet.
Sie will gesetzlich den Ausstieg aus der Erzeugung von Fernwärme durch Kohle bis 2025 erreichen; ab 2030 soll auch Strom kohlefrei erzeugt werden.
Mehr als 22.000 Unterschriften hatte die Initiative im Juni 2018 vorgelegt – mehr als genug, um die Bürgerschaft zum Verhandeln zu zwingen.
Auf dieses Datum hat sich nun auch nach sechsmonatigen Verhandlungen die Volksinitiative eingelassen. Für eine Stellungnahme war die Initiative am Montag nicht zu erreichen. Die SprecherInnen von SPD und Grünen wollten sich vor der Sitzung der Fraktionen nicht äußern. Vorgestellt werden soll die Vereinbarung nach Zustimmung der Abgeordneten am Dienstag.
Vor zwei Wochen hatten sich Rot-Grün und die Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ des Naturschutzbundes (Nabu) auf einen „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ verständigt. Daraufhin hatte der Nabu seine Volksinitiative zurückgezogen.
Nicht betroffen von der Vereinbarung ist das privatwirtschaftliche Kohlekraftwerk Moorburg des Energiemultis Vattenfall. Aber das produziert ausschließlich Strom, der Anschluss des Meilers an das Wärmenetz ist nicht vorgesehen, versicherte Kerstan im April. Hinter vorgehaltener Hand indes heißt es im Rathaus, der schwarze Raucher am Köhlbrand werde in wenigen Jahren wegen mangelnder Rentabilität vermutlich ohnehin stillgelegt. „Die Sache“, so ein Insider, „erledigt sich von alleine.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland