Volksbegehren stellt Plan vor: Enteignen hält länger
Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ stellt Konzepte für die Umsetzung vor. Das soll Auftakt sein für stadtweite Diskussionen.
Am Freitag um 19 Uhr wollen Protagonist:innen der wohnungspolitischen Kampagne das bisher interne Konzept im Aquarium am Kottbusser Tor einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen und zur Debatte stellen. Die Broschüre „Vergesellschaftung und Gemeinwirtschaft – Lösungen für die Berliner Wohnungskrise“ hat 36 Seiten und enthält neben konkreten Ansätzen zur Umsetzung eines Enteignungsgesetzes Überlegungen, welche Vorteile die Vergesellschaftung von Wohnraum aus Sicht der Kampagne bieten.
Mit dem Vorstoß ruft sich das nächste wohnungspolitische Groß- und Mobilisierungsthema in Berlin in Erinnerung – nur einen Tag nachdem das Abgeordnetenhaus den für fünf Jahre gültigen Mietendeckel beschlossen hat.
Der sei zunächst mal eine Atempause für Berlins Wohnungsmarkt, aber nicht nachhaltig genug, wie Ralf Hoffrogge vom Volksbegehren der taz sagt: „Der Deckel gilt fünf Jahre, was wir bauen wollen, ist eine Stadt, die auch noch für unsere Kinder und Enkel bezahlbar ist.“ Im Vergleich seien die im Grundgesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Vergesellschaftung eher noch rechtssicherer als der Deckel: „Was wir vorschlagen, sind keine Wolkenkuckucksheime, sondern machbare und sinnvolle Konzepte“, sagt Hoffrogge.
Antrag Man braucht 20.000 Unterschriften für einen Antrag auf Volksbegehren. Die Innenverwaltung prüft die Zulässigkeit. Ist diese gegeben, prüft der Senat, inwiefern über Ziele verhandelt werden kann.
Volksbegehren Kommt es zu keiner Verhandlungslösung, braucht man für ein Begehren weitere 175.000 Unterschriften.
Volksentscheid Mündet das Begehren nicht direkt in ein Gesetz, kommt es zur Abstimmung. Dort muss sich eine Mehrheit für das Anliegen aussprechen, Mindestwahlbeteiligung: 25 Prozent.
Die Enteignungs-Volksinitiative will mit Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen mit über 3.000 Wohnungen für Entspannung auf Berlins Wohnungsmarkt sorgen. Gegen Entschädigungen sollen damit große Wohnungsbestände wieder in die öffentliche Hand überführt werden. Kosten dafür würden sich wohl, je nach Schätzung, auf 7 bis 37 Milliarden Euro belaufen. Das Volksbegehren hat mit über 77.000 Unterschriften die erste Hürde zum Entscheid bereits genommen und liegt derzeit zur Rechtsprüfung in der Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD).
Auf Nachfrage zum aktuellen Stand hieß es am Donnerstag, dass die Prüfung der Verfassungskonformität weiter andauere. Das Grundgesetz sieht Vergesellschaftungen vor – ob das in Berlin auch für Wohnraum möglich ist, ist strittig. Verschiedene Gutachten bejahten diese Frage vor einigen Monaten, andere kamen zum gegenteiligen Schluss. Ein anvisiertes Abschlussdatum der Prüfungen konnte ein Sprecher der Behörde noch nicht nennen.
In der Broschüre erläutert die Initiative zunächst ihren Begriff von Vergesellschaftung als Überführung von privatem in öffentliches Eigentum und gemeinwohlorientierte und demokratische Bewirtschaftung. Auf den übrigen Seiten führt das Papier dann aus, was das mit Blick auf Wohnraum bedeuten soll: eben keine Renditeorientierung, dafür stabile, leistbare Mieten und Instandhaltungen – Punkte, bei denen viele große Wohnungsunternehmen Mieter:innen frustrierten. Es geht um die Vorteile einer Gemeinwirtschaft im Immobiliensektor: „Als Vermieterin könnte die Stadt Räume sichern und neu öffnen, die gerade wegspekuliert werden“, heißt es mit Blick auf Verdrängungen von Gewerbemietern, Ateliers oder Jugendzentren.
Nächste Großdemo angekündigt
Enteignung von Wohnraum soll laut Konzept zugleich ökonomisch nachhaltig sein. Die Vergesellschaftung sichere Arbeitsplätze und bessere Arbeitsbedingungen („Hausmeister statt Callcenter“). Klagen von Wirtschaftsverbänden und Handelskammern über ausbleibende Aufträge seien irreführend, weil in landeseigenen Gebäuden der Instandhaltungsstau beseitigt werde und zu zahlreichen Aufträgen für Handwerk und Baugewerbe sorgen werde.
Zudem seien bei ausbleibenden Mieterhöhungen „enorme Einsparungen bei Transferleistungen zu erwarten“. Das Land unterstütze viele Mieter:innen durch Wohngeld und Hartz-IV-Transferleistungen, würden deren Mieten weniger erhöht, sei viel einzusparen. Verbleibende Überschüsse gingen nicht an Aktionäre, sondern in eine „Anstalt des öffentlichen Rechts“, in welche die Enteignungs-Initiative den Wohnraum überführen wolle.
Die zu schaffende Anstalt des öffentlichen Rechts soll dabei demokratisch sein. Entscheidungen sollen Mieter:innen, Senat, Beschäftigte und Stadtgesellschaft gleichermaßen treffen. Für Beteiligung sollen Siedlungs- und Gebietsmieterräte sorgen. Ein demokratischer Prozess würde mit einem Vergesellschaftungsgesetz erst richtig losgehen: Berliner:innen „könnten als gemeinsame Eigentümerinnen entscheiden, was mit ihrer Stadt passiert.“
Zur nächsten „Mietenwahnsinn“-Großdemo mobilisiert das „Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ derweil schon: Am 28. März sollen wieder Tausende Menschen gegen den Mietenwahnsinn auf die Straße gehen. Auch im Demo-Aufruf heißt es, man befürworte die Einführung eines Mietendeckels. Die weiter bestehenden Renditeerwartungen von Vermietern führten aber weiter zu Umwandlungen in Eigentumswohnungen, Hausverkäufen und Eigenbedarfsklagen. Das Bündnis will mit der Kundgebung darauf hinweisen, dass der Deckel „akute Verdrängungsprozesse in Berlin nicht aufhält“.
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