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Villen-Besitzer:innen gegen GeflüchteteReiche mit besonderen Rechten

Hamburg wollte eine Unterkunft in einem Villenviertel errichten. Doch dank einer Klausel konnten reiche An­woh­ne­r:in­nen einfach dagegen stimmen.

Idyllische Gegend: Im Hamburger Hochkamp verhindern An­woh­ne­r:in­nen eine Geflüchtetenunterkunft Foto: Bernhard Diener/Wikimedia Commons

Hamburg taz | Die meisten Auffahrten sind recht lang im Hamburger Villenviertel Hochkamp. In alle Richtungen erstrecken sich die großen Gärten mit ihren vielen alten Bäumen und den weiß strahlenden oder rot verklinkerten Gebäuden. Teils meterhoch wachsen die Hecken um die gerade einmal rund 320 Grundstücke.

Viel verändert hat sich hier in dem Nobelort, in dem einst Versandhaus-Gründer, Werft-Besitzer und Hamburger Bürgermeister wohnten, im Lauf der Jahrzehnte nichts.

Und wird sich auch in Zukunft nicht, auch wenn es in Hamburg gerade mal wieder eine ziemlich große Not an Unterkünften für Geflüchtete gibt: Die Be­woh­ne­r:in­nen im Westen Hamburgs haben am Mittwoch, dank einer mehr als ein Jahrhundert alten Klausel in den Bauvorschriften, erfolgreich ihr Veto gegen den Bau einer Geflüchtetenunterkunft eingelegt.

Die wollte die Stadt dort gern an einer S-Bahn-Haltestelle errichten, doch ist sie gegen die in einem Verein organisierten An­woh­ne­r:in­nen machtlos. „Eine Entwicklung des Standorts wäre nur bei Zustimmung des Vereins möglich gewesen“, sagt Wolfgang Arnhold, Sprecher der zuständigen Sozialbehörde.

Hamburg braucht dringend Unterkünfte

Die Hamburger Sozialbehörde wollte an der zentral gelegenen S-Bahn-Station eine kleinere Geflüchtetenunterkunft errichten. Dafür sollte der schmale Parkplatz an der Haltestelle genutzt werden, wie zuerst das Hamburger Abendblatt berichtete. Nötig ist das, weil es in Hamburg nach wie vor nicht genügend Unterkünfte für Geflüchtete gibt.

Die Auslastungszahlen pendeln nahezu durchgehend bei knapp unter 100 Prozent; erst im Dezember eröffnete die Stadt wieder eine temporäre Notunterkunft in den Messehallen für mehrere Hundert Menschen.

„Es gilt weiterhin, dass Kapazitäten entwickelt werden müssen, um allen Menschen mit einem Unterbringungsbedarf einen Platz zuweisen zu können“, fasste die städtische Stabsstelle Flüchtlinge erst im Februar wieder in eine Analyse zusammen.

Die Be­woh­ne­r:in­nen des Hochkamps wollen dabei jedoch nicht helfen. Ihre Zustimmung wäre aber nötig gewesen, denn für das Viertel gibt es eine Besonderheit in der Bauvorschrift: Laut den sogenannten Hochkamper Bedingungen dürfen „in der Villenkolonie Hochkamp nur Einfamilienhäuser im Villenstil erbaut werden, in welchen keinerlei gewerblicher Betrieb geführt werden darf“.

Und dass das seit mehr als einem Jahrhundert eingehalten wird, darüber wacht der Verein Hochkamp, der nur den Be­woh­ne­r:in­nen des Viertels offensteht. Ohne die Zustimmung des Vereins geht nichts – auch nicht die Errichtung einer Geflüchtetenunterkunft auf dem städtischem Grund eines Parkplatzes.

Sozialbehörde bittet vergeblich

Am Mittwoch suchte noch Staatsrätin Petra Lozkat das Gespräch mit dem Verein, um in diesem Fall auf die Beschränkung zum Schutz der Villensiedlung zu verzichten. „Die Gesprächsatmosphäre war dabei ruhig und es fand eine sachliche Diskussion der Überlegungen mit den Mitgliedern des Vereins statt“, erklärte Behördensprecher Wolfgang Arnhold am Donnerstag.

Überzeugen lassen wollten sich die Vereinsmitglieder aber nicht. „Im Anschluss hieran kam es zur Abstimmung, bei der sich keine Mehrheit für die Schaffung eines Standortes finden konnte“, sagt Arnhold. Dagegen sei nichts zu machen, die Rechtslage nun mal eindeutig.

Vorstandsmitglieder des Vereins, der 1918 von den damaligen Be­woh­ne­r:in­nen gegründet wurde, waren am Donnerstag für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Stadt in den reichen Elbvororten Probleme hat, Geflüchtete unterzubringen. Auf Widerstand – allerdings auch Unterstützung – traf die Sozialbehörde im vergangenen Jahr bei einem ganz ähnlichen Vorhaben: Auch an der S-Bahn-Station Groß Flottbek, nur eine Station vom Hochkamp entfernt, erarbeitete die Stadt Pläne für eine temporäre Geflüchtetenunterkunft für rund 140 Menschen.

Mit Unterstützung der örtlichen FDP versuchten einige An­woh­ne­r:in­nen mit allerlei Argumenten, das zu verhindern: Discounter seien ja kaum fußläufig erreichbar, gute Integration nicht möglich. Hier war dies allerdings nicht einhellige Meinung – und eine Klausel in der Bauordnung, wie im Hochkamp, gibt es in Groß Flottbek nicht. Die Unterkunft in Modulbauweise wird gerade gebaut.

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19 Kommentare

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  • Eine Enteignung wäre natürlich möglich, in der die offenbar vertraglich fixierten Einspruchsrechte entzogen würden. Dann müsste aber der Wertverlust für die Villen entschädigt werden. Dazu hat der Hamburger Senat offenbar keine Lust.

    Wieso such sich Flüchtlinge bei uns nicht selbst eine Bleibe, wie die illegalen Immigranten in den USA? Warum werden sich nicht nach Landesfläche zugeteilt, sondern nach Wirtschaftskraft der Gemeinde (was für die Kostenaufteilung freilich sinnvoll bliebe)?

  • Dann baut die Stadt einfach eine Villa für die Geflüchteten.

    • @Anna Christl:

      Als Flüchtlingsunterkunft wäre das dann noch immer ein Gewerbebetrieb (verboten). Ferner wäre zu klären, ob die Mindestgrubdstücksgröße vorliegt und die vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden können. Zumindest nach Google maps ist die Bebaubarkeit ohne Ausnahmegenehmigung dann doch eher fraglich.

  • Nicht der angebliche Reichtum der Eigentümer ist ausschlaggebend, sondern die besondere Grundbuchsituation. Das kann man jetzt für blöd halten oder auch nicht, ist im Ergebnis jedoch auch egal.

    Kehrseite dieser Medaille ist, dass die Eigentümer halt in ihren Rechten erheblich eingeschränkt sind.

  • Und die Stadt Hamburg lässt sich von den Bewohnern Hamburg-Hochkamps juristisch auf der Nase herumtanzen, ändert nicht das Baugesetzbuch?



    Gerne würde man eine Stellungnahme der örtlichen Kirchgemeinden oder der Nordkirche hören zu dieser massiven Ausgrenzung armer Flüchtlinge hören.



    Wie können die Bewohner Hamburg-Hochkamps in eine örtliiche Kirche gehen, ohne vor Scham zu erröten?

    • @Lindenberg:

      Die Sicherung erfolgt über wechselseitige Grunddienstbarkeiten. Da können Sie am Baugesetzbuch ändern was Sie wollen, gebaut wird da dann trotzdem nichts.

  • Asoziale als Nachbarn sind aber auch unzumutbar !

    -Die Geflüchteten haben doch schon genug erlitten...

  • Und wenn die Bebauungspläne so sind dann muss man sich daran halten. Punkt.

    Denn solch ein Passus ist in vielen Bebauungsplänen festgelegt.

    Hier stört es gerade vllt etwas die Volksseele - aber würde ein Investor einen "Weißen Riesen" in einer Wohnsiedlung errichten wollen würde es die Volksseele ebenso erzürnen.

  • Für manchen Grundstückseigentümer in Hochkamp ist der Verein,



    der sich Baubeschränkungen in den Grundbüchern hat eintragen lassen, inzwischen auch ein Ärgernis, verhindert er doch den



    Abriss der alten Villen und Bebauung mit Eigentumswohnungen, um den Wert der riesigen Grundstücke massiv zu steigern.



    Das läßt der Verein aber ohne Ausnahme nicht zu, um den



    Charakter des Viertel nicht zu verändern und um keine Präzedenz-



    fälle zu schaffen.

  • Viele Vermögende geben sich in Hamburg gerne Liberal und Sozial. Aber bitte mit Abstand.

    • @JanHamburg:

      nicht nur Vermögende, mittlerweile leider die meisten.

  • Ist doch kein Problem! Dann werden eben die Bauvorschriften für das Viertel angepasst und schon kann die Unterkunft gebaut werden.

    • @Truhe:

      Anscheinend ist das ein Problem, wenn man die Bauvorschriften so einfach anpassen könnte würden diese in vielen Teilen der Republik so verändert werden, dass eben keine Flüchtlingsunterkünfte mehr entstehen können.

    • @Truhe:

      Die „Bauvorschrift“ ist eigentlich ein Eintrag im Grundbuch. Da hat die Stadt keine Handhabe. Da müsste der Bund das zivilrechtliche Sachenrecht oder das Baugesetzbuch ändern.

  • Was ist daran so skandalös. Wir sind doch weltweit eher die Ausnahme. Seit jeher mussten sich die, die nach einem. besseren Leben suchten, von Generation zu Generation in die besseren Stadtviertel vorkämpfen. Die Stadtverwaltungen von London, Paris, L.A. , Neu-Dehli oder Nairobi würden gar nicht auf die Idee kommen Flüchtlinge in den besseren Vierteln anzusiedeln. Auch links-grünbürgerliche Viertel in HH, B,F/M oder München goutieren das nicht besonders, besonders wenn die Schulhomogänität gefährdet erscheint...

  • Welcher Profession mag der Behördensprecher Wolfgang Arnold wohl angehören? Ist er Jurist? Wenn nein, wie kommt er drauf, dass „die Rechtslage eindeutig“ sein könnte in diesem Fall? Hat ihm das am Ende ein Jurist verraten, der Vereinsmitglied ist?

    Meines Wissens wird das deutsche Baurecht durch das BauGB, seine diversen Nebengesetze und die Bauordnungen der Länder geregelt, nicht durch Vereinssatzungen. Warum das deutsche Baurecht ausgerechnet in der Villenkolonie Hochkamp in Hamburg nicht gilt und ob die Kolonie also so etwas wie etwa der Vatikan in Italien ist (ein Staat im Staate also), hätte ich mir gerne erzählen lassen von der taz. Leider scheint die sich dafür nicht interessiert zu haben. Und wenn doch, hat sie wohl geglaubt, dass ihre Leser:innen es nicht wissen wollen.

    Schade eigentlich. Denn ein wichtiger Grundsatz in demokratischen Rechtsstaaten, habe ich mal gelernt vor 30 Jahren, lautet: Gleiches Recht für alle. Dass manche trotzdem gleicher sind, nimmt Anderé Zuschlag offenbar einfach als Normalität wahr, Geflüchteten-Misere hin oder her. Vielleicht ja in der Hoffnung, dereinst auch eine Villa in Hochkamp zu bewohnen? Wenn er sich da mal nicht irrt…

    • @zitterbacke:

      Der Vatikan ist kein "Staat im Staate" sondern eine Enklave, wie auch San Marino und ähnlich wie Monaco. Von anderen Staaten umgeben sind viele Staaten, z.B. Liechtenstein und Andorra von zwei anderen.

    • @zitterbacke:

      Offensichtlich sind Sie mit den örtlichen rechtlichen Gegebenheiten nicht vertraut, denn die eingetragenen Grunddienstbarkeiten in den Grundbüchern zu gunsten des



      Vereins sind das Problem u. hat mit Baurecht nichts zu tun.



      Und anders als im Artikel beschrieben sind nicht die sog.



      reichen Grundstückseigentümer hier die Verhinderer sondern der Verein. Das hätte derAutor besser recherchieren können, denn die Interessen des Vereins sind



      in vielen Fällen nicht identisch mit denen des Vereins.



      Und wie auch sonst scheinen Kommentatoren nicht immer



      mit tatsächlichen Verhältnissen vertraut

  • Wenn das nicht populistisch ist und nicht mal BILD-Niveau hat: die armen Flüchtlinge und die herzlosen reichen Villenbesitzer.

    Ist das jetzt auch Hass&Hetze?