Vermietung als Marketingcoup: Die Werbewirkung ist unbezahlbar
Die Deutsche Wohnen poliert ihr Image und rettet eine von Verdrängung bedrohte Kreuzberger Buchhandlung. Zum Samariter wird sie deshalb aber nicht.
D er folgende Text ist keine Werbeanzeige, trägt aber einer gelungenen Marketingaktion der Deutsche Wohnen Rechnung – da führt nichts dran vorbei. Schon im Mai wandte sich der Konzern an den vor der Zwangsräumung stehenden Eigentümer des Buchladens Kisch & Co. in der Oranienstraße, um ihm ein neues Domizil anzubieten.
Aus dem Angebot wurde ein Vertrag. Sechs Häuser neben dem alten Standort kann Thorsten Willenbrock, der seine bisherigen Räumlichkeiten diese Woche abgeben musste, ab September wieder Bücher verkaufen – und das zu durchaus tragbaren Mietkonditionen.
Die Deutsche Wohnen, deren Image in der Stadt kaum besser ist als das eines Sklavenhändlers, hat die Chance genutzt, ihren ramponierten Ruf aufzupolieren und damit indirekt dem Enteignungs-Volksbegehren etwas entgegenzusetzen. Dafür, dass der Aktienkonzern nun quer durch die Medienlandschaft als Retter eines Kulturstandortes erscheint, musste er nur darauf verzichten, aus einem kleinen Ladenlokal das Maximum herauszupressen.
Kisch & Co. erhält einen Staffelmietvertrag über elf Jahre und zahlt zunächst weniger als der Modeladen, der die Räume vorher innehatte. Für die Deutsche Wohnen bedeutet das Peanuts. Die Werbewirkung aber ist unbezahlbar.
Buchhändler Willenbrock ist sich dessen bewusst, dass die Deutsche Wohnen ihm den neuen Laden zu Marketingzwecken vermietet, aber was soll’s: Nachvollziehbarerweise ergreift ein kleiner Einzelhändler den einzigen Strohhalm, der sich bietet. Selbstverständlich bleibt aber auch: Die Deutsche Wohnen ist kein Samariter, kein sozialer Vermieter, sondern auf Maximalprofit getrimmt. Viele andere ihrer Gewerbemieter*innen müssen darunter leiden.
Gleichzeitig ist der Konzern zwar der größte, aber nicht der schlimmste Vermieter der Stadt. Einer, der immerhin greifbar ist, anders als der luxemburgische Fonds, der Willenbrock vertrieben hat und ausschließlich über Anwälte kommunizieren ließ.
Kisch & Co. hat die Debatte über das fehlende Gewerbemietrecht vorangetrieben. 200 Menschen haben den Laden am Dienstag bei der Schlüsselübergabe an den Gerichtsvollzieher verabschiedet. Fans von privaten Vermietungskonzernen wird – trotz des schlauen Moves der Deutschen Wohnen – keiner mehr. Dafür gibt es auch keinen Grund.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden