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Verkehrsexperte über E-Zapfsäulen„Eine Million sind viel zu viel“

Ein dichtes Netz an Ladestationen soll die E-Mobilität fördern. Weniger ist dabei mehr, sagt Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland.

E-Autos werden dank besserer Akkus künftig eine größere Reichweite haben Foto: dpa
Denis Giessler
Interview von Denis Giessler

taz: Herr Müller-Görnert, die Bundesregierung will den Ausbau des Ladenetzes für E-Autos schneller fördern. Am Freitag gab es dazu ein Treffen mit den Verbänden. Bis 2030 sollen eine Million Stationen stehen. Genug, um mehr Elektrofahrzeuge auf die Straßen zu bringen?

Michael Müller-Görnert: Das ist viel zu viel. Schon jetzt haben Elektroautos viel höhere Reichweiten als noch vor ein paar Jahren. Denn die Batterietechnik hat sich rasant weiterentwickelt. 2030 werden Akkus wahrscheinlich noch leistungsfähiger sein. Und dann besteht die Gefahr, dass wir Tausende Ladesäulen in der Landschaft stehen haben, die niemand braucht. Um mehr E-Autos auf die Straße zu bringen, müssen wir die E-Infrastruktur völlig anders denken.

Inwiefern?

Wir fordern statt Quantität einen bedarfsgerechten Ausbau. Stationen müssen dort sein, wo die Menschen wirklich laden. Aktuell ist das bei 85 Prozent aller Nutzer*innen im privaten Raum. In Mietwohnungen ist das private Aufladen oft problematisch, weil der Vermieter den Einbau einer Ladestation untersagen kann oder Altbauten nicht erweitert werden können. Wir haben aktuell die meisten öffentlichen Ladestationen in Städten, die meisten E-Autos sind hingegen im ländlichen Raum zugelassen. Besonders in den Städten brauchen wir daher neue Konzepte zum Laden.

Welche denn?

In Berlin gibt es aktuell ein Pilot-Projekt, bei dem Nutzer*innen ihre Fahrzeuge an Laternen anschließen können. Das wäre ein günstiger und platzsparender Ansatz. Dazu sind Parkplätze in Entwicklung, bei denen durch Induktion das Auto geladen wird. Bei den vielen neuen technischen Ansätzen brauchen wir eine Koordination durch die Politik, die das Verkehrsministerium ja mit einer nationalen Leitstelle in ihrem “Masterplan Ladeinfrastruktur“ umsetzen will.

Im Interview: Michael Müller-Görnert

ist verkehrs­politischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland, Team Mobilität.

Elon Musk hat angekündigt, in der Nähe Berlins ein Tesla-Werk zu bauen. Ein überfälliger Tritt in die Hintern der Automobilhersteller, um die E-Mobilität voranzutreiben?

Das ist eine Kampfansage. Wenn Musk in Deutschland Fahrzeuge und Batterien produziert, zwingt das die deutschen Hersteller dazu, nachzuziehen. So war das Tesla Model 3 im Juni dieses Jahres das meistverkaufte E-Auto in Deutschland. Der Konkurrenzdruck wird dann den Ausbau der E-Mobilität sicherlich fördern. Langfristig gesehen darf es aber nicht das Ziel sein, die Millionen PKW mit Verbrennungsmotor alle in E-Autos umzutauschen, da ja vor allem in den Städten der Individualverkehr an seine Grenzen stößt. Stattdessen braucht es weniger Autos und beispielsweise mehr Car-Sharing.

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9 Kommentare

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  • Was ist eigentlich aus den überaus nachvollziehbaren Bedenken geworden, dass die E-Mobilität ökologisch betrachtet mindestens eine ähnlich große Umweltsauerei ist wie die Mobilität auf der Basis fossiler Brennstoffe?

    In 2019 wurde in DE über 1 Millionen SUV verkauft. In Madrid entpuppt sich die Weltklimakonferenz als Nullnummer. Die Europäer verhalten sich dort, als gehörten sie zum Lager der Bremser. Keine klimarelevanten Hilfen für die Entwicklungsländer. In Brüssel sabbern die von der Leyens von grünem Wachstum und in den Vorstandsetagen der deutschen Automobilindustrie knallen die Sektkorken. Und das Geschäft mit den E-Tanksäulen verheißt auch nur hohe Profite.



    Die Transatlantiker feiern ihr rüstungspolitisch gut funktionierendes Zugpferd AKK. Vielleicht gibt es bald auch noch die Losung, dass Militarismus auch grün sei. Und genau diese Leute setzen sich auch für die amerikanischen Frackingsauerei ein.

    Und FFF erwartet von den realpolitischen Bedenkenträgern, den schwarzen Nullen und grün gefärbten Phrasendreschern Lösungen?

    Wo gibt es einen Hoffnungsschimmer?

  • Die Lösung sind nicht primär die Zahl der Ladesäulen, richtig.



    Viel effizienter wäre eine maximal mögliche Anzahl von Standplätzen drumherum und eine intelligente Ladesteuerung, damit eine Säule nicht von einem (ich mag die trotzdem) Tesla belegt wird, der 2h mit 50kW auf 100% lädt oder schlimmer noch an Typ 2 mit 22kW den halben Tag.



    Wir haben alle Smartphones, da könnte man so tolle Sachen machen - aber die GroKo-Regierung will ja gar keine tollen Sachen, die wollen Dinosaurier füttern.

    JETZT könnte man noch Weichen stellen, aber man will lieber Chaos, das am Ende keinem nützt.

  • Die Antworten lesen sich, als kämen sie aus dem ADAC Vorstand oder vom VDA.

    Habt ihr Angst, dass man euch die Gemeinnützigkeit entzieht, wenn ihr euch nicht in den Tanz der Lemminge einreiht?

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Intransparente Lademodelle, überhöhte Preise in der rechtlichen Grauzone und unzugängliche LadeStationen. Für E-Auto-Besitzer ist Stromtanken eine absurde Herausforderung.

    Nur eine Glücksfee kann derzeit helfen eine Ladesäule für das E-Auto zu finden . 90 Minuten lang führt das Navi den Fahrer in die Irre wenn man von Hamburg kommend in Berlin eine Ladesäule sucht. Das Navi führt zu Säulen, die es entweder nicht gibt oder die nur mit Kundenkarte des jeweiligen Versorgers funktionieren oder schon belegt sind. Als Hamburger, der am Wochenende zu Besuch in Berlin ist, benötigt er eine „neutrale“ Säule. Eine, die ihn einfach so, gegen Gebühr, Strom tanken lässt.

    Ist so ein seltenes Exemplar gefunden ist es ein „Session Fee“-Modell. Eine Säule, die vom Nutzer einen Festpreis verlangt, unabhängig von der Ladedauer und der geladenen Energiemenge. (???)

    Was abläuft kann nur noch als "Lindnern" oder als das sogenannte "Lindner Chaos" bezeichnt werden - was einen nur noch die Zornesröte ins Gesicht treibt und den heimlichen Wunsch aufkeimen lässt, das E-Batterie Auto schleunigst in die Tonne zu treten .



    O - Ton Christian Lindner, FDP:



    " Der Markt wird es schon richten."

    Resultat:



    Soviel Chaos wie derzeit der Markt hinsichtlich von Ladestationen anrichtet wird wohl kaum dazu führen umzusteigen und den Verbrenner auf dem Schrottplatz zur Entsorgung abzugeben.

  • "... sind Parkplätze in Entwicklung, bei denen durch Induktion das Auto geladen wird."

    Wie soll das in einer Stadt funktionieren, in der viele Sensibelchen sogar Angst vor Elektrosmog aus dem Radiowecker haben?

  • Ja -- ich kann den Erregungsschweiss der "Unternehmer" förmlich riechen.

    "Ein Wachstumsmarkt!"

    Ob das nun sinnvoll für die Gesellschaft sei oder nicht... egal.

    Induktiv? Obwohl die Verluste irgendwo bei 15 Prozent liegen? Egal.

    Unsere PolitikerInnen rekrutieren ihre "Expertise" genau bei diesen Zynikern.

    Die Zukunft des Autos sollte sein: so wenig wie sinnvoll möglich (viel weniger als jetzt, jedenfalls!).

    Wir dürfen nicht lockerlassen.

  • Gespensterdikussion. Es gibt kaum E-Fahrzeuge, es gibt kaum Ladestationen, es werden kaum E-Fahrzeuge verkauft. Ein reines Theoretikum.

  • Schoen wäre es wenn man grundsätzlich mit normalen Zahlungsmitteln wie Kreditkarten zahlen könnte und ein ganz normaler Preis pro kwh zu zahlen wäre, kein Abomodell, keine speziellen Karten, keine Inkompatibilitäten bei den Steckern, geht beim Benzin tanken ja auch.

    • @Gunnar Grannis:

      Genau. Und das haben wir schon in so vielen Testfahrten im Fernsehen gesehen: Erstmal überhaupt ´ne Ladesäule finden, dann eine, die auch funktioniert, dann sollte sie einen passenden Stecker haben und dann auch noch frei sein. Und wenn man dann dranhängt, kann man stundenlang warten. Das ist einer von vielen Aspekten der E-Mobilität und nicht mal dieser eine funktioniert. Da ist es doch kein Wunder, daß nur der Herr Oberstudienrat aus der Stadt für seine Frau ein E-Mobil als Drittkarre kauft, damit Madame die Biogurke aus dem Öko-Markt standesgemäß klimaneutral ins Jutesäckchen purzeln kann.