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Verkehrsberuhigung in StädtenLangsam, aber sicher

Nach zwei Jahren Tempo 30 zieht Lyon ein positives Fazit. Die Anzahl der Verkehrsopfer reduzierte sich nach der Geschwindigkeitsbegrenzung.

Tempo 30 macht Lyon sicherer Foto: imago

Paris taz | Das Verkehrschaos, das die Gegner der Höchstgeschwindigkeit 30 Stundenkilometer in Lyon (und anderen französischen Großstädten) prophezeit hatten, hat nicht stattgefunden. Das konnte der Bürgermeister Grégory Doucet Ende März, zwei Jahre nach der Einführung der Tempobegrenzung in seiner Stadt und mehr als 30 umliegenden Kommunen, bestätigen.

Die Zwischenbilanz der Maßnahme als Teil eines Gesamtplans zur Verkehrsberuhigung ist „positiv“ und „ermutigend“: „Wir haben unsere Stadt sicherer gemacht, indem wir die Geschwindigkeit praktisch überall auf (maximal) 30 km/h gesenkt, die Straßen angepasst und die kommunale Polizei eingesetzt haben, damit die Regeln respektiert werden“, freut sich Doucet. Er ist Mitglied der Grünen (Europe Ecologie Les Verts) und regiert an der Spitze einer grün-roten Koalition seit 2020 Frankreichs drittgrößte Stadt (552.000 Einwohner*innen) am Zusammenfluss von Rhône und Saône, in der zahlreiche Industrieunternehmen angesiedelt sind.

Zusammen mit Bruno Bernard, dem sozialistischen Vorsitzenden des Kommunalverbands „Lyon-Métropole“, konnte Doucet bei einer Pressekonferenz als Beleg mit Zahlen aufwarten: „In Lyon haben wir in vier Jahren 35 Prozent weniger Unfälle mit Verletzten und 39 Prozent weniger schwere Verletzungen.“ Die Zahl der Verkehrsopfer, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, sank um 21 Prozent und jene der Todesfälle um die Hälfte (54 Prozent). Als Ziel wird ins Auge gefasst, dass in Lyon bis 2050 niemand mehr bei Verkehrsunfällen stirbt.

Dafür sollen ein Dutzend Radarfallen und die Polizei mit vermehrten Kontrollen sorgen. Im Jahr 2023 wurden 17.000 Personen wegen Verstößen gegen die Verkehrsregeln auf den Straßen von Lyon von der kommunalen Polizei gebüßt. Diese Wachsamkeit und die Aussicht auf Strafen bei Zuwiderhandlung gegen die Tempogrenze habe auch zur Folge, dass angeblich 85 Prozent der Fahrzeuge sich der Höchstgeschwindigkeit anpassen.

Spannend wird der Bericht aus Paris

Dennoch bleibt die stolz präsentierte Bilanz etwas durchwachsen. Denn trotz der Senkung von 50 km/h auf 30 km/h ist die bei den Kontrollen konstatierte Durchschnittsgeschwindigkeit der Fahrzeuge nur um 1,6 Prozent gesunken. Man könnte daraus schließen, dass auf den Straßen in und um Lyon nur ein bisschen langsamer gefahren wird und dass die Verminderung der Unfälle auch andere Gründe, wie beispielsweise die Anschaffung von neuen Fahrzeugen, hat.

Zu früh für eine Bilanz wie in der Metropole Lyon scheint es in Paris zu sein, wo das generelle Tempo 30 grundsätzlich seit 2021 gilt. Der alltägliche Augenschein liefert jedoch in der Hauptstadt einen wenig optimistischen Eindruck: So gut wie niemand respektiert die Geschwindigkeitsbegrenzung. Schlimmer noch: Wer sich konsequent an die Temporegel hält, wird von den anderen, allen voran von den Taxifahrern, beschimpft und manchmal wie ein mutwilliges Verkehrshindernis mit genervtem Hupen bedacht.

Bisher gibt es nur gerade drei permanente Kontrollen mit Radar innerhalb der 20 Arrondissements des Zentrums. Auf die Fünfjahreszwischenbilanz der Pariser Stadtregierung kurz vor den nächsten Kommunalwahlen von 2026 darf man gespannt sein.

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15 Kommentare

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  • Wie hat es sich den wirtschaftlich abgebildet?

  • Vor über 10 Jahren wurde in unserem kleinen Ort Flächendeckend Tempo 30 eingeführt. Zugegeben, am Anfang fand ich es nervig, bei quasi 0 Verkehr so langsam zu fahren.



    Heute finde ich es gut und richtig, es ist ruhiger und sicherer geworden. Jede Stadt sollte Tempo 30 sein.

  • Einfach in großen und kleinen Städten einführen und evaluieren.

    Es kann doch nicht sein, dass wir jedes Jahr weiter Tausende dem Auto zum Fraß vorwerfen.

    • @Janix:

      Die meisten Todesopfer sind auf Landstraßen zu beklagen. Wieso auf diesen engen und sehr kurvigen Straßen in Deutschland 100 km/h gefahren werden darf, habe ich noch nie verstanden.

    • @Janix:

      Nicht alle Verkehrstoten werden direkt vom Auto überrollt. Die Toten und Gesundheitsgeschädigten, die durch mutwilligen vermeidbaren Verkehrslärm verursacht werden, sind in den Statistiken immer wieder gern übersehene Verkehrsopfer.



      Man sollte sich mal öffentlichkeitswirksam Gedanken darüber machen, wie viele Herz-Kreislaufsysteme durch einen einzigen Soundoptimierungschaoten oder seinen Freiheitsdrang auslebenden Raser unnötig, teilweise bewusst, überlastet werden.

  • Ich wär ja schon halbwegs zufrieden, wenn man sich hier mehrheitlich an Tempo 50 halten würde. Die Taxiteufel fahren ja nicht mal in verkehrsberuhigten Zonen unter 60.

    • @guzman:

      Das stimmt. Doch die "freiheitsliebende" Pseudo-Partei FDP verhindert mit allem was sie kann eine wirksame Ahndung solcher Verstöße. Österreich und die skandinavischen Länder und auch die Niederlande machen vor, dass es funktioniert. Wenn's richtig weh tut, dann klappt das auch....

  • Die Stadtweite Durchschnittsgeschwindigkeit hat innerhalb einer Großstadt meist nur wenig mit dem Vorhandensein einer Maximalgeschwindigkeit zu tun.



    Aus dieser Statistik zu schließen, dass die Fahrzeuge sich nicht an die neuen Limits halten, halte ich für einen Fehlschluss.



    Vielmehr könnte das Tempo 30 auch zu einer leichten Verringerung der Stauanfälligkeit der Straßen geführt haben.



    Ich behaupte nicht, dass es tatsächlich so war, aber es ist untersuchenswert, ob die vorhandene Statisitk diese These untermauern oder entkräften könnte.

  • Man kann das gar nicht oft genug wiederholen: Tempolimit ist notwendig! 30kmh in Ortschaften, 80kmh auf Landstraßen und 120kmh auf Autobahnen. Dazu spürbare Strafen, wenn's missachtet wird, so wie in Österreich oder Skandinavien oder Holland.



    Es geht -das ist eine Binsenweisheit- nicht nur um den CO2 Ausstoß, es geht um Menschenleben, körperliche Unversehrtheit. Aber Herr Klima-bla-bla Wissing meint nach wie vor, dass "...die Bevölkerung das nicht will..." Die 63% die es sehr wohl haben wollen, sind ja auch eine klare Minderheit - nach Rechnung der FDP...

    • @Perkele:

      Wenn es nach Mehrheiten zu bestimmten Themen geht wäre ich an Ihrer Stelle lieber vorsichtig: das kann auch böse nach hinten losgehen. Wenn Volksentscheide, dann bitte zu allen Themen; und nicht nur zu solchen die einem persönlich nahe stehen und deren Ausgang im eigenen Sinne ist.

      Stichwort Autobahnen: da diese nicht von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden, wäre es nur konsequent wenn man dann auch nur Autobesitzer befragen würde, ob diese ein Tempolimit befürworten.

    • @Perkele:

      Tempolimits machen dann Sinn, wenn sie nachvollziehbar und angemessen sind. Das kann 20/70/100 aber auch 60/120/unbegrenzt sein. Anstelle starrer Limits wäre es in unserem digitalen Zeitalter viel schlauer nach Parametern wie Wetter, Verkehrsdichte, Tageszeit etc. flexibel zu steuern. Solche positiven Konzepte (z.B. auf der A 99 um München) werden entsprechend gut angenommen.

      • @Flocke:

        Und bitte nicht den Energiebedarf (bzw. Verbrauch) mit einbeziehen. Aus eigener Beobachtung weiß ich, dass dieser bei Geschwindigkeiten oberhalb von 110 km/h dieser rapide steigt, womit schnelles Fahren als ineffektiv einzustufen ist.

        • @hechtmaus:

          Das ist völlig korrekt - doch es gibt eben Leute, denen das völlig egal ist, die wollen ihre "Freiheit" haben, koste es was es wolle...

        • @hechtmaus:

          Vorausschauend fahren, möglichst nicht bremsen und viel Rollen. Damit kann man sehr effizient unterwegs sein. Probieren sie es einmal aus.

          • @Flocke:

            Stimmt, mach ich übrigens schon lange.