Verflechtungen im Wirtschaftsministerium: Freunde der Energiewende
Der neue Chef der Deutschen Energie-Agentur war Trauzeuge von Robert Habecks Staatssekretär Patrick Graichen.
Hat das ein Geschmäckle – und eventuell ein zu starkes? Das will das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) nun prüfen lassen, nachdem Graichen die enge persönliche Verbindung zu Schäfer Anfang der Woche selbst gemeldet habe. Das teilte das Ministerium am Donnerstag mit.
Die Dena ist ein bundeseigenes Unternehmen. Ihre Anteile gehören zur Hälfte dem Bund, zu 26 Prozent der staatlichen Förderbank KfW und zu 24 Prozent der Dena selbst. Ihre Aufgabe: die Energiewende voranzubringen, indem sie beispielsweise Studien durchführt oder Pilotprojekte auf den Weg bringt. Oft geschieht das im Auftrag ihrer Gesellschafter.
Besonders eng ist die Zusammenarbeit aufgrund der inhaltlichen Nähe mit dem Wirtschaftsministerium. Habecks Haus vertritt die Bundesregierung in der Gesellschafterversammlung der Dena und hat beispielsweise 2021 mehr als zwei Drittel der Mittel für deren Projektarbeit bereitgestellt.
Schäfer hat langjährige Erfahrung mit Energiepolitik
Schäfer bringt nachweislich viel Erfahrung in Sachen Energie- und Klimapolitik mit: Von 2006 bis 2016 war er energiepolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Anschluss war der Verwaltungswissenschaftler einige Monate lang Projektleiter für Industriepolitik beim Thinktank Agora Energiewende, den Patrick Graichen mitgegründet hat und damals leitete.
Danach leitete Schäfer mehrere Jahre lang die Abteilung Klimapolitik beim WWF, später die des Nabu. Dort trat er im vergangenen Jahr zurück, weil der Naturschutzbund immer wieder den Ausbau der Windkraft kritisiert.
Laut Habecks Wirtschaftsministerium sind bei Schäfers Berufung zum Vorstand der zweiköpfigen Dena-Geschäftsführung „zwar rein rechtlich keine Fehler im Verfahren aufgetreten“. Es räumt aber ein: „Aufgrund eines Fehlers in einem vorgeschalteten Vorauswahlprozess könnte der Anschein einer möglichen Befangenheit entstanden sein.“ Die Entscheidung darüber, ob das Bewerbungsverfahren noch mal aufgerollt wird, obliege dem Aufsichtsrat der Dena.
Der war es auch, der Schäfer am 5. April final ausgewählt hatte. Dieses Gremium leitet Stefan Wenzel, einer der Parlamentarischen Staatssekretär:innen des Wirtschaftsministeriums. Patrick Graichen sitzt nicht darin, dafür unter anderem eine Vertreterin des Bundesverkehrsministeriums von Volker Wissing (FDP), des Bundesumweltministeriums von Steffi Lemke (Grüne) und der staatlichen Förderbank KfW.
Weitere Verflechtungen rund um Graichen
Die aktuelle Personalie schlägt besonders Wellen, weil um Graichen herum schon mehrere persönliche Verflechtungen bekannt sind. Er hat zwei Geschwister, die am Öko-Institut forschen. Das führt seit vielen Jahren manchmal Gutachten im Auftrag verschiedener Bundesministerien durch. Graichens Schwager ist zudem der Grünen-Politiker Michael Kellner, aktuell Parlamentarischer Staatssekretär in Habecks Ressort.
Darüber berichteten kürzlich mehrere Medien, die taz hatte bereits vor anderthalb Jahren über die Verbindungen geschrieben. Offengelegt hatte das Ministerium sie damals von sich aus. Es werde „selbstverständlich sichergestellt, dass keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Studien oder Aufträgen entstehen“, hieß es.
In Teilen der Opposition im Bundestag herrscht Empörung. Die AfD veranlasste eine sogenannte Aktuelle Stunde, also eine Debatte, zu dem Thema. Stephan Brandner, Abgeordneter der Rechtsextremen, beklagte dabei „grüne Clanstrukturen“. Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban sprach gar von „mafiösen Tendenzen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen