Verflechtungen im Wirtschaftsministerium: Freunde der Energiewende

Der neue Chef der Deutschen Energie-Agentur war Trauzeuge von Robert Habecks Staatssekretär Patrick Graichen.

Patrick Graichen und Robert Habeck lehnen sich mit ernsten Gesichtern zueinander hin.

Robert Habecks Staatssekretär Patrick Graichen (links) steht unter Druck (Foto von 2022) Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Sie standen quasi schon zusammen vor dem Traualtar: Als Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen heiratete, war Grünen-Politiker und Umweltschützer Michael Schäfer sein Trauzeuge. Bald soll Schäfer einen neuen Job antreten, Vorstand der Geschäftsführung der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) werden. Wer in die letzte Bewerbungsrunde kommt, entschied eine vierköpfige Gruppe, der unter anderem Patrick Graichen angehörte.

Hat das ein Geschmäckle – und eventuell ein zu starkes? Das will das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) nun prüfen lassen, nachdem Graichen die enge persönliche Verbindung zu Schäfer Anfang der Woche selbst gemeldet habe. Das teilte das Ministerium am Donnerstag mit.

Die Dena ist ein bundeseigenes Unternehmen. Ihre Anteile gehören zur Hälfte dem Bund, zu 26 Prozent der staatlichen Förderbank KfW und zu 24 Prozent der Dena selbst. Ihre Aufgabe: die Energiewende voranzubringen, indem sie beispielsweise Studien durchführt oder Pilotprojekte auf den Weg bringt. Oft geschieht das im Auftrag ihrer Gesellschafter.

Besonders eng ist die Zusammenarbeit aufgrund der inhaltlichen Nähe mit dem Wirtschaftsministerium. Habecks Haus vertritt die Bundesregierung in der Gesellschafterversammlung der Dena und hat beispielsweise 2021 mehr als zwei Drittel der Mittel für deren Projektarbeit bereitgestellt.

Schäfer hat langjährige Erfahrung mit Energiepolitik

Schäfer bringt nachweislich viel Erfahrung in Sachen Energie- und Klimapolitik mit: Von 2006 bis 2016 war er energiepolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Anschluss war der Verwaltungswissenschaftler einige Monate lang Projektleiter für Industriepolitik beim Thinktank Agora Energiewende, den Patrick Graichen mitgegründet hat und damals leitete.

Danach leitete Schäfer mehrere Jahre lang die Abteilung Klimapolitik beim WWF, später die des Nabu. Dort trat er im vergangenen Jahr zurück, weil der Naturschutzbund immer wieder den Ausbau der Windkraft kritisiert.

Laut Habecks Wirtschaftsministerium sind bei Schäfers Berufung zum Vorstand der zweiköpfigen Dena-Geschäftsführung „zwar rein rechtlich keine Fehler im Verfahren aufgetreten“. Es räumt aber ein: „Aufgrund eines Fehlers in einem vorgeschalteten Vorauswahlprozess könnte der Anschein einer möglichen Befangenheit entstanden sein.“ Die Entscheidung darüber, ob das Bewerbungsverfahren noch mal aufgerollt wird, obliege dem Aufsichtsrat der Dena.

Der war es auch, der Schäfer am 5. April final ausgewählt hatte. Dieses Gremium leitet Stefan Wenzel, einer der Parlamentarischen Staats­se­kre­tä­r:in­nen des Wirtschaftsministeriums. Patrick Graichen sitzt nicht darin, dafür unter anderem eine Vertreterin des Bundesverkehrsministeriums von Volker Wissing (FDP), des Bundesumweltministeriums von Steffi Lemke (Grüne) und der staatlichen Förderbank KfW.

Weitere Verflechtungen rund um Graichen

Die aktuelle Personalie schlägt besonders Wellen, weil um Graichen herum schon mehrere persönliche Verflechtungen bekannt sind. Er hat zwei Geschwister, die am Öko-Institut forschen. Das führt seit vielen Jahren manchmal Gutachten im Auftrag verschiedener Bundesministerien durch. Graichens Schwager ist zudem der Grünen-Politiker Michael Kellner, aktuell Parlamentarischer Staatssekretär in Habecks Ressort.

Darüber berichteten kürzlich mehrere Medien, die taz hatte bereits vor anderthalb Jahren über die Verbindungen geschrieben. Offengelegt hatte das Ministerium sie damals von sich aus. Es werde „selbstverständlich sichergestellt, dass keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Studien oder Aufträgen entstehen“, hieß es.

In Teilen der Opposition im Bundestag herrscht Empörung. Die AfD veranlasste eine sogenannte Aktuelle Stunde, also eine Debatte, zu dem Thema. Stephan Brandner, Abgeordneter der Rechtsextremen, beklagte dabei „grüne Clanstrukturen“. Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban sprach gar von „mafiösen Tendenzen“.

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