Verbot von Flaggenverbrennen: Gesetz gegen Symbole
Die Große Koalition will das Verbrennen ausländischer Fahnen unter Strafe stellen. Damit werden traditionelle Protestformen unnötig kriminalisiert.
D as Verbrennen einer Flagge ist eine Meinungsäußerung. Das hat der oberste Gerichtshof der USA schon mehrfach festgestellt, zuletzt 1989. Damit wurden US-Gesetze kassiert, die das Verbrennen der US-Flagge, insbesondere durch (Vietnam-)Kriegsgegner, unter Strafe stellen wollten.
In Deutschland gibt es solche Gesetze bereits. Das Zerstören und Verächtlichmachen der deutschen Flagge ist strafbar. Auch das Zerstören ausländischer Fahnen ist strafbar, wenn diese offiziell präsentiert werden, etwa bei einem Staatsbesuch. Allerdings kann bisher jeder selbst mitgebrachte ausländische Fahnen bei einer Demonstration verbrennen oder zerschneiden.
Dass das ein Problem sein könnte, wurde deutlich, als Ende 2017 in Berlin bei Protesten gegen die amerikanische Israel-Politik auch einige israelische Flaggen verbrannt wurden. Die damalige Diskussion hat jetzt Spätfolgen. Die Große Koalition will künftig das Verbrennen aller ausländischen Fahnen bei Demonstrationen unter Strafe stellen.
Es geht hier nicht um Gewalt gegen fremde Sachen. Es geht um das Verbrennen eigenen Eigentums zu symbolischen Zwecken. Die Flagge wird als Symbol für den fremden Staat benutzt, gegen dessen Politik man protestiert. Es mag eine aggressive Symbolik sein, aber auch die Darstellung von Wut und Empörung sind legitime Zwecke von Demonstrationen, insbesondere wenn Wut und Empörung berechtigt sind.
Der freie Diskurs steht unter Druck
Es wäre vielleicht noch akzeptabel, die Flagge Israels in Deutschland besonders zu schützen, weil das Existenzrecht Israels im Nahost-Konflikt teilweise bestritten wird und Deutschland als Folge des Holocaust eine besondere Verantwortung für den Staat Israel hat. Doch warum soll man die Flagge Chinas gegen Proteste von Uiguren schützen oder die Flagge Myanmars gegen die Empörung der vertriebenen Rohingya?
Der freie, staatlich nicht reglementierte Diskurs steht derzeit auch im Westen massiv unter Druck. Teilweise zu Recht. Wenn der Internet-Mob engagierte Einzelpersonen und Teile der Bevölkerung bedroht und einschüchtert, beeinträchtigt ja auch dies den Diskurs. Die im Maßnahmenpaket gegen Hasskriminalität geplanten Verschärfungen des Strafrechts bei Bedrohungen und der Billigung von Straftaten sind daher gerechtfertigt.
Beim geplanten Verbot der Flaggenverbrennung geht es aber gerade nicht um den Schutz von Menschen. Rechtsgut des geplanten Gesetzes sind einerseits das „Ansehen des ausländischen Staates“, andererseits die „guten Beziehungen“ Deutschlands zum Flaggenstaat. Es geht also um staatliche Schutzgüter und die Einschränkung von Machtkritik. Hier ist weiterhin Zurückhaltung angebracht.
Sollte das Gesetz kommen, wird spätestens das Bundesverfassungsgericht diese Zurückhaltung in der Praxis durchsetzen. Karlsruhe hat schon beim Zerstören und Verunglimpfen der deutschen Flagge darauf bestanden, dass nur antidemokratische Aktionen bestraft werden sollen. So könnte und sollte es auch beim Schutz ausländischer Flaggen enden: Legitimer Protest wird vom Bundesverfassungsgericht erlaubt, die Strafnorm wird auf blinden und rassistischen Hass beschränkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin