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Verbot des Herbizids in der EU wackeltGlyphosat-Studie stützt Bayer

Studie der EU-Kommission hält den umstrittenen Unkrautvernichter für unbedenklich – und spricht sich für die erneute Zulassung aus.

Der krebserregende Gift Glyphosat soll wieder auf die Felder Foto: Sven Simon/imago

Brüssel rtr/taz | Die jüngste Risiko-Bewertung zum umstrittenen Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat stärkt Bayer den Rücken. Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass „Glyphosat die Zulassungskriterien für die menschliche Gesundheit erfüllt.“

Tierversuche, epidemiologische Studien sowie statistische Analysen hätten ergeben, dass das Mittel weder krebserregend noch erbgutschädigend sei. Es gebe kein Risiko für Verbraucher. Zu dieser übereinstimmenden Bewertung waren die Prüfbehörden in Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Ungarn gekommen, die ihren Berichtsentwurf an die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) schickten.

Die EU-Kommission hatte Ende 2017 die Zulassung von Glyphosat um fünf Jahre verlängert und muss nun neu entscheiden. Im September soll eine erste Gesprächsrunde stattfinden und anschließend die EU-Mitgliedsstaaten einbezogen werden. Eine endgültige Empfehlung der EFSA ist im zweiten Halbjahr 2022 zu erwarten.

Die Zulassung von Glyphosat hatte 2017 für Wirbel gesorgt. Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) stimmte im Alleingang dafür, obwohl die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dagegen war.

Koalitionskrach in Berlin 2017

Schmidt löste damit in Berlin einen Koalitionskrach aus. Die Lebensmittelbehörde EFSA und die europäische Chemikalienagentur Echa waren zu dem Schluss gekommen, dass verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreichten, um das breit eingesetzte Mittel als krebserregend einzustufen. Der Hersteller – die Bayer-Tochter Monsanto – gibt an, bei vorschriftsgemäßer Anwendung seien die Produkte ungefährlich.

Von Umweltschützern wird die Aussagekraft der zugrundeliegenden Studien angezweifelt. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen ein.

Glyphosat wurde von der Bayer-Tochter Monsanto entwickelt und von den Amerikanern und nun auch von Bayer unter dem Markennamen Roundup vertrieben. Das Herbizid wird aber auch von anderen Firmen hergestellt, da das Patent seit Jahren abgelaufen ist.

Vor der erneuten Zulassung in der EU

Von Umweltschützern wird die Aussagekraft der zugrundeliegenden Studien angezweifelt. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen ein.

Im September soll für die erneute Zulassung eine erste Gesprächsrunde stattfinden und anschließend die EU-Mitgliedsstaaten einbezogen werden. Eine endgültige Empfehlung der EFSA ist im zweiten Halbjahr 2022 zu erwarten.

9.300 Kläger in den USA

Bayer sieht sich wegen des Unkrautvernichters in den USA mit vielen Schadensersatzforderung konfrontiert, da Glyphosat im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Der Leverkusener Agrarchemie- und Pharmakonzern hatte immer wieder beteuert, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei und sich dabei auf mehr als 800 wissenschaftliche Studien berufen. Zuletzt waren insgesamt 125.000 Klagen bekannt.

Die Klagen im Zusammenhang mit Krebserkrankungen von Anwendern sind inzwischen zur teuren Belastung für den Dax-Konzern geworden. Zuletzt musste Bayer Ende Mai eine Niederlage in den USA hinnehmen. Im Rahmen eines Gesamtpakets von mehr als elf Milliarden US-Dollar hat der Konzern aber auch schon viele bestehende Klagen beigelegt. In Deutschland entscheidet der Bundesrat in dieser Woche abschließend über ein Verbot von Glyphosat.

(Der Text wurde aufgrund einer Korrektur von Reuters angepasst.)

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31 Kommentare

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  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Bei steigender Weltbevölkerung auf 12 Milliarden Menschen, wird man um Herbizide wohl nicht herum kommen.

    Lt.Wikipedia: IM Vergleich mit anderen Herbiziden weist Glyphosat meist eine geringere Mobilität, eine kürzere Lebensdauer und eine niedrigere Toxizität bei Tieren auf.[6][7][8] Dies sind für landwirtschaftlich verwendete Herbizide in der Regel wünschenswerte Eigenschaften.[9]

  • Das schlimme ist, das die "Wissenschaftlichkeit" in Respekt auf Glyphosat und andere chemisch/tecnische Pesticide und Herbizide zu reiner Ideologie degeneriert ist... was bleibt, ist nur ein "JA"ODER"NEIN" zum Nutzen der Ideologie!Wobei das "JA" zumeist ideologisch durch industrielle Profitinteressen determiniert ist.



    Das dabei die Artenvielfalt tödlich reduziert wird, seltsame 'neue' Krankheiten (Allergien,Immunschwächen etc.) entstehen wird in kauf genommen!



    Die Wissenschaft verliert die Vertrauenswürdigket!

  • Das es keinerlei Beleg für die Gefährlichkeit von Glyphosat beim Menschen gibt ist ja nix Neues. Zeigt aber wie das US Justizsystem arbeitet - schockierende Zustände sind das…

    Selbst Warnhinweise gehen nich da irreführend -



    Schließlich ist das Produkt ja ungefährlich…. Was soll man da als Firma noch machen 😂

    • @Wombat:

      Ja, ja, völlig ungefährlich, bei Insekten wird das Immunsystem negativ beeinflusst. In Tier- und Zellversuchen zeigt Glyphosat sich als krebserregend, für den Menschen „wahrscheinlich krebserregend“.

  • taz: "Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa hält den umstrittenen Unkrautvernichter für unbedenklich – und spricht sich für die erneute Zulassung aus."

    "Fast die Hälfte der EFSA-WissenschaftlerInnen hat Industrieverbindungen. [...] Es bestehen deswegen Zweifel, ob die EFSA nur für das Allgemeinwohl handelt. Ihr wird - belegbar - vorgeworfen, dass sie die Interessen der Industrie, insbesondere die der Gentechnik-Industrie, zu stark berücksichtigt." [Lobbypedia] lobbypedia.de/wiki...nsmittelsicherheit

    • @Ricky-13:

      Danke. Sowas habe ich gesucht. Warum wundert mich das nicht...

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Verbot des Insektizids in der EU wackelt"



    Nochmal: Glyphosat ist kein Insektizid. Bitte die Headline ändern. Danke.

  • Die Krebsforschungsagentur der WHO stuft Glyphosat nicht als krebserregend ein, sondern als "wahrscheinlich krebserregend". Eine Einstufung als "wahrscheinlich krebserregend" hat diese Krebsforschungsagentur auch z. B. für Kaffee vorgenommen, während sie Alkohol ohne Einschränkung als krebserregend bewertet. Wann kommt endlich die Diskussion um ein Verbot von Kaffee und Alkohol?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa hat offensichtlich nicht alle Tassen im Schrank oder wird zu 99% von Lobbyisten besetzt.

    Der unglaubliche Fehlkauf von Bayer hat den Aktienkurs auf die Hälfte reduziert. Der Chef ist immer noch im Amt. Mir ist schleierhaft, wie sich so eine Niete halten kann.

  • Ahhhhhhh,



    Habe mich schon gewundert, warum jetzt gerade das Thema Glyphosat ansteht.



    Eine Verlängerung der Glyphosaterlaubnis steht an.



    Da kommt es für den Hersteller gerde zu pass, das "gue Presse" wie aus heiterem Himmel zu lesen ist. Quasi ein Wunder für den Hersteller.



    Liebe Leser, glaubt Ihr das?



    Bayer hat Monsanto gekauft, obwohl klar war, das Proteste kommen werden.



    Möglicherweise hat der Konzern gehofft, einfach mit reichlich Werbug, Studien und Gutachten lässt sich das schon händeln und die Gewinne werden sprudeln.



    D kommt der Bericht der EFSA gerade recht.



    Eine Organisation die nicht dafür bekannt ist unabhängig zu sein.



    Deshalb musste ich schmunzeln als diese Studie als NEU in den Medien angeboten wird. In Wahrheit ist die EFSA schon viele Jahre im Sinne von Bayer an diesem Thema drann,



    Eine wohlwollende Studie zu bestellen und zu bezahlen ist für Bayer kein Problem.



    Um die Regierenden zu überzeugen, kurz vor der entscheidenden Abstimmung.

  • Glyphosat ist ein Totalherbizid und wird ausschließlich auf lebende Bestände ausgebracht. In der No - Till Landwirtschaft, vor oder kurz nach der Neuansaat, um eine Zwischenfrucht abzutöten und als Bodenbedeckung zu hinterlassen. Damit erreicht man viele Ziele, keine weitere Bodenbarbeitung notwendig (alle Geräte können weg!), Erosionsschutz, verbesserte Wasserinfiltration, Humusaufbau, Zunahme der Bodenflora - fauna, uvm.



    Die Aufwandmenge konnte durch Einstellung der Wasserhärte auf 0,7 l/ha gesenkt werden.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Müller Matts:

      Na das ist ja toll!

      Und wie erklären Sie sich die vielen Prozesse in den USA? Alles erstunken und erlogen?

  • Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte.



    Und wenn man bei der TAZ über ausreichend fachliche Qualifikation verfügen könnte, hätte man wohl auch ein Foto finden können, das eine Glyphosatanwendung zeigt. Bei Kartoffeln im Vorauflauf Roundup zu spritzen, auf so eine Idee muss man erstmal kommen....

    • @Harald Butenschön:

      Es geht doch ums Feind-Bild, und so gesehen stimmt alles. Fakten haben beim Thema Glyphosat noch nie viel bedeutet.

  • Ein zweiter "Asbest-Skandal"? Nach jahrzehnte langem Streit und tausenden teuren Studien, welche die Unschädlichkeit beweisen sollten, wurde dann doch die Herstellung eingestellt. Glyphosat zerstört den Bayerkonzern, und mit verzögerter Wirkung unseren Boden und unser Leben. Eine win-win-Situation?!

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Schönes Beispiel!



      Wer mit Asbest gearbeitet hat und später Lungenkrebs bekam, musste jahrelang für eine Anerkennung der Berufskrankheit kämpfen - oft erfolglos.

      Hat sich eigentlich dafür jemals einer dieser Verantwortlichen entschuldigt?

  • Unser Pestizid-Suizid wird uns wahrscheinlich nicht über den fraglichen Krebstot erlösen- sondern über das massive Artensterben und seinen verheerenden für die Menschheit. Insofern untersucht die EFSA vielleicht die Hautverträglichkeit einer selbstangelegten Schlinge- übernimmt aber nicht wirklich Verantwortung für dieses Humanizid.

    • @noncarnnever:

      Die meisten Menschen leben überhaupt deshalb weil es Agrarchemie gibt. Ohne



      Agrarchemie müsste ein Großteil der Menschheit verhungern.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @Bernhard Hellweg:

        Mag sein. Mit Agrarchemie verrecken sie an Krebs. Das "Gute" ist, nach 30 - 40 Jahren lässt sich das i.d.R. nicht nachweisen.



        Was hat man nur früher, also vor 50 oder 100 Jahren wohl gemacht - da gab`s kein Glyphosat!

        • @17900 (Profil gelöscht):

          Verhungern!

      • @Bernhard Hellweg:

        Wenn man Agrarchemie abzieht, übertriebenen Fleischkonsum und Umweltzerstörung aber so beläst, wäre das wohl so.

        • @yul:

          nun, der globale Fleischkonsum steigt, der Regenwald wird weiter gerodet, aber eher weniger für Fleisch, sondern für Palmöl, Kaffee, Tee, Bananen etc. Und wir Menschen werden immer mehr. Übrigens ist die mitteleuropäische Landwirtschaft auf Tierhaltung angewiesen und je mehr Bio, desto höher der Anteil der Tierhaltung. Einfach mal einen Bio-Bauern fragen, wieviel Prozent seiner Flächen der Tierhaltung (Futternutzung) dienen.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @Bernhard Hellweg:

        Zwischen Düngerproduktion und chemischen Keulen zur Schädlingsbekämpfung liegen Welten.



        Da muss man schon mal differnzieren.

        Darum geht´s doch auch gar nicht. Einzig und alleine ist der Profit die ausschlaggebende Größe.

        • @17900 (Profil gelöscht):

          Übrigens, keine Form der Landwirtschaft kommt ohne Ackergifte aus. Wir brauchen beides. Chemischen Dünger und Pflanzenschutz.

          • @Bernhard Hellweg:

            Hier wäre auch mal zu erwähnen, dass für die Stickstoffdünger-Herstellung, die Ammoniaksynthese genutzt wird.



            Für dieses aus chemischer Sicht geniale Verfahren wird ca. 1,5% des primären Weltenergiebedarfs benötigt.



            Das wäre mitzubilanizieren. Ebenso, dass wir durch dieses Verfahren ein enormes Stickstoffproblem auf diesem Planeten haben. Es gelangt einfach zuviel aktiver Stickstoff in die Ökosysteme. Die Folge ist eine Abnahme der biologischen Vielfalt.

          • 1G
            17900 (Profil gelöscht)
            @Bernhard Hellweg:

            Naja, es gibt ja zum Glück viele Alternativen. Dazu benötigt man sicherlich nicht Monsant-Bayer-Glyphosat.

            Ich bin grundsätzlich kein Feind von chemischem Dünger. Der wird ja überwiegend aus Phosphatlagerstätten in Nordafrika hergestellt. Leider ist es so, dass damit auch "ganz natürlich" Uran und Thorium aufs Feld gelangen. Ein bischen Cadmium auch, was nur im geringen Maß (statistisch) die Gene nachteilig verändert. Wer will sich darüber schon aufregen?

  • Es fragt sich, wer bei der EFSA ein- und ausgeht. Das ist ein höchst intransparentes System.

    Darüberhinaus ist neben der krebserregenden Wirkung auch die Wirkung auf Insekten zu beachten. Hierzu hat die John-Hopkins-University kürzlich interessante Erkenntnisse gewinnen können, die darauf hindeuten, dass das Immunsystem der Insekten negativ beeinflusst wird:



    www.jhsph.edu/news...tudy-suggests.html

    • @Manzdi:

      Es gibt keinerlei Beleg für eine Krebserzeugende Wirkung.

      • @Wombat:

        Sagt wer? Sie? Bayer?



        Glyophsat ist für den Menschen „wahrscheinlich krebserregend“ und Belege gibt es dafür reichlich, nur ein kausaler Beweis für die Wirkung beim Menschen steht aus, daher die Formulierung "wahrscheinlich". Für die Toxizität in Tier- und Zellversuchen liegen aber ausreichend Beweise vor.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @Wombat:

        Das hat man jahrzehntelang auch beim Asbest behauptet! Was ist nachweislich schon krebserregend - kommt ja kaum vor?



        Fehlt nur noch der böse "Bill Gates":

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Insektizid, Unkrautvernichter... Etwas mehr Klarheit wäre schon gut. Glyphosat ist ein "Totalherbizid": de.wikipedia.org/wiki/Glyphosat



    Und für Interessierte noch einmal: www.ardmediathek.d...TM0YWNmZDE0NmE0Yw/