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VAR-DebatteDer Schiri ist nur noch ein Fuzzi

Der VAR hat das Vertrauen in die Gültigkeit des Gepfeifes erodiert. Dieses Vertrauen aber war die Grundlage des Spiels.

Wie nur zurechtkommen, wenn der VAR nicht da ist? Felix Zwayer checkt eine Szene in der Männer-Bundesliga Foto: Marijan Murat/dpa

I ch saß auf der Tribüne, als das Spiel stoppte, und dachte minutenlang, es gehe um eine mögliche Rote Karte für das eine Team. Imagine my surprise, als es auf der anderen Seite plötzlich Strafstoß gegen das andere Team gab. Nach Prüfung der Bilder liege ein Handspiel vor, teilte der Schiedsrichter mit. Im Stadion hatte das keine Sau mitgekriegt.

Nun ist nach der Pokalspielrunde letzte Woche der Eindruck entstanden, es sei ein Problem, wenn kein Video Assistant Referee (VAR) im Einsatz ist. Einige Entscheidungen der Schiedsrichter stellten sich nach Ansicht der Fernsehbilder als falsch heraus. Tenor: Möglichst gar keine Spiele mehr ohne VAR. Dahinter steht der romantische Glaube, es müsse doch im Fußball – wenigstens im Fußball! – so etwas wie Gerechtigkeit geben.

Durch möglichst totale Kontrolle.

Na ja, es war schon im Realsozialismus nicht so, dass die totale Kontrolle zu mehr Gerechtigkeit geführt hätte, nur zu mehr eingesperrten Leuten in Bautzen. Will sagen: Kontrolle ist immer auch Verlust von Freiheit und Entzug von Vertrauen. Der Soziologe (und BVB-Ultra) Aladin El-Mafaalani hat gerade in Bezug auf Rechtspopulismus ein großartiges Buch geschrieben („Misstrauensgemeinschaften“), in dem die Wichtigkeit von Vertrauen für das Funktionieren von Systemen beschrieben wird und die rechtspopulistische Strategie des Säens von Misstrauen gegen alle Institutionen.

Nur noch Marionette

Ohne einen rechtspopulistischen Bezug zu nehmen, könnte man die These aufstellen, dass der VAR das Vertrauen in den Schiedsrichter und damit eine Grundlage des Spiels erodiert. Dieses basierte auf der Grundlage, dass „Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift“. Jetzt ist Abseits, Elfmeter, Platzverweis, wenn der VAR einschreitet. Zugespitzt ist der Schiedsrichter jetzt eine Marionette, ähnlich einem Moderator einer politischen Talkshow, dem sein Redakteur über den Knopf im Ohr immer genau sagt, was er fragen soll. Das Recht auf die Gültigkeit des Gepfeifes – right or wrong – ist dahin. Das aber hat ihn ausgemacht.

Jetzt ist der Schiedsrichter nur noch ein Fuzzi. Jede F-Jugend-Spielerin wird bald „eine Ansicht der Bilder“ fordern, wenn er irgendwas pfeift. Und im Bundesligastadion ist man nicht mehr am nächsten dran, sondern ganz weit weg. Aber viel schlimmer: Die Entscheidungsgewalt ist vom Menschen auf die Maschine übertragen worden. Und das wird diese Welt nicht gerechter machen.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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9 Kommentare

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  • Der Autor hat den wichtigsten Punkt der für den VAR spricht nicht angesprochen. Das Spiel ist jetzt immun gegen einen Hoyzer...

  • "Und im Bundesligastadion ist man nicht mehr am nächsten dran, sondern ganz weit weg. Aber viel schlimmer: Die Entscheidungsgewalt ist vom Menschen auf die Maschine übertragen worden"



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    Als regelmäßiger Stadiongänger mit unterschiedlichen Einblicken sehe ich das auch so, aber die vielen an den Geräten und in den Wettvorgängen sind wohl maßgeblicher.



    Übrigens schult das Ertragen einer Fehlentscheidung auch, man kann sie gemeinsam diskutieren oder auch durch Verstärkung der Unterstützung beantworten.



    "Runterspülen" ist auch nicht so ganz unüblich, auf den Rängen.



    Allerdings:



    Wer kann sich noch an die kürzeste Halbzeit der Bundesliga-Geschichte erinnern?



    www.ndr.de/sport/f...hlenfelder101.html

    • @Martin Rees:

      Jaha. Danke fürs Erinnern. - Der „Eisenfuß" : „(fast staubtrocken".

  • Natürlich macht der VAR den Fussball nicht gerechter. Wie auch.



    Die Forderung nach Einschreiten des VAR wird immer dann erhoben, wenn der eigene Verein sich einen Vorteil verspricht. Kritisiert wird der VAR natürlich dann, wenn eine Entscheidung gegen den eigenen Verein gefällt wird.



    Also das ganze Brimborium abschaffen, mit eventuellen Fehlentscheidungen des Schiris wieder leben lernen und gut ist.

  • Bullshit. Das Problem ist, dass wir im Stadion nicht das sehen, was der Schiri sich ansieht. Minutenlang doof rumsitzen nervt. Wenn ich, wie im TV, dem Entscheidungsprozess beiwohne im Stadion, ist der VAR okay. Aber dss Wichtigste idt die Coach‘s Challenge. F-Jugendspielerin? Come on…

    • @Torsten Wacker:

      Ich will jubeln, wenn der Ball im Netz zappelt und die Fahne des Assistenten unten bleibt, und nicht erst nach sechs Minuten. Wer im VAR einen Gewinn für den Fußball sieht, hat das Wesen und die Schönheit dieses Sports nicht begriffen.

  • May be. But



    It’s soccer only, stupid!

    • @Lowandorder:

      Eben, die schönste Sache der Welt. (Neben den anderen schönen Sachen).

      • @Friedel Castrop:

        Däh&Zisch - Mailtütenfrisch schlenzt ein



        “Moin.







        And it's pig pissenes...







        Glückauf!“



        …anschließe mich