Urteil zu Urherberrecht bei Musik: Absteigende Tonfolge

Ein Copyright-Urteil gegen den Popstar Katy Perry könnte international Schule machen. Musiker und Komponisten sind entsetzt.

Die Popsängerin Katy Perry bei einem Auftritt in New Orleans

Muss einem christlichen Rapper über zwei Millionen Dollar zahlen: Popsängerin Katy Perry Foto: ap

BERLIN taz | Viermal c, dreimal b und einmal a, gespielt über zwei Takte in einfachen Viertelnoten – so lautet die simple Tonfolge, die dem christlichen US-Rapper Flame und seinen Nebenklägern Da’ T.R.U.T.H und Chike Ojukwu in einem Gerichtsurteil diese Woche eine stolze Schadenersatzzahlung von 2,78 Millionen US-Dollar bescherte. Das Urteil sorgte für Entsetzen, nicht nur bei den Beklagten – dem Popstar Katy Perry, ihrem Label und Produzententeam –, sondern auch bei unzähligen Komponisten und Musikern. Was war passiert?

Die Klage hatten Flame und seine Co-Autoren bereits 2014 eingereicht. Ihr zufolge soll die 34-jährige US-Künstlerin Perry in dem 2013 erschienenen „Dark Horse“ den von Flame fünf Jahre zuvor veröffentlichten Song „Joyful Noise“ ohne Erlaubnis kopiert und somit eine Urheberrechtsverletzung begangen haben. Außerdem monierte die Klageschrift, dass Perry – insbesondere im zugehörigen Musikvideo – die tiefreligiöse Botschaft von „Joyful Noise“ durch „Hexerei, Heidentum, schwarze Magie und Illuminatentum“ zitierende Bildersprache auf irreparable Weise „befleckt“ habe. (Was einem Co-Autor zu viel wurde, der schließlich von der Klage absah).

Das nun gesprochene Urteil stellt in gewisser Weise ein Novum dar: Kern der Klage war das in der Tat recht ähnlich klingende Synthesizer-Ostinato, eine repetitive Tonfolge, die in beiden sonst wenige Gemeinsamkeiten aufweisenden Songs gleichermaßen zu hören ist. Die Rechtsprechung folgte in der Vergangenheit stets der Ansicht, dass vor allen Dingen Melodielinien schützenswert seien, da diese schöpferische Eigentümlichkeiten besitzen, die einen individuellen, ästhetischen Gehalt ausdrücken. Nun wurde das Konzept des Urheberrechts also auf eine generische, absteigende Tonfolge ausgeweitet.

Das abenteuerliche Unterfangen, besagtem Ostinato eine signifikante Schöpfungshöhe zu unterstellen, übernahm vor Gericht der Musikwissenschaftler Todd Decker, ihm zufolge benutzt kein ihm bekanntes Musikstück eine in gleicher Weise abfallende Tonfolge. Eine aberwitzige Behauptung; sie impliziert, dass der Rapper Flame im Jahr 2008 als Erster in der Musikgeschichte diese simple, musikalische Figur genutzt habe. Die Jury – die Anklage hatte wohlweislich auf einem Jury-Prozess bestanden – ließ sich aber offenbar beeindrucken.

Dass auch Punkte wie Klangfarbe, Tonhöhe und Rhythmus Urheberrechtsverletzungen kennzeichnen, könnten nun eine gerichtlich verbriefte Argumentation bei künftigen Copyrightstreiten werden. Diese Tendenz zeichnete sich bereits in Prozessen der letzten Jahre ab. Paradebeispiel: Robin Thicke und Pharrell, die 2015 zu Zahlungen von fast 5 Millionen Dollar verurteilt wurden, weil sie den vibe eines Marvin-Gaye-Stücks kopiert haben sollen. Dass Klangfarben, Rhythmen oder auch nur ein simples Ostinato als copyrightfähig anerkennt werden, ist aber vielleicht auch nur folgerichtig in Zeiten, in denen das Geld durch Plattenverkäufe schwindet, ergo der Kuchen kleiner wird und sich niemand mehr – dem Internet sei Dank – darauf berufen kann, ein Musikstück nicht gekannt und es deshalb auch nicht kopiert haben zu können. Komponisten könnten es zunehmend schwerer haben.

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