Urteil in Saudi-Arabien: Lyriker in der Todeszelle
Ein Gericht in Saudi-Arabien hat einen palästinensischen Dichter zum Tode zu verurteilt. Ashraf Fayadh habe atheistische Propaganda betrieben.
Infam. Widerwärtig. Einfach zum Kotzen. Da schießen islamistische Terroristen in Paris Konzertbesucher tot, viele von ihnen aus der Kunstszene. Und fünf Tage später hat ein Gericht im streng islamischen Saudi-Arabien nichts Besseres zu tun, als einen palästinensischen Dichter, ein führendes Mitglied der entstehenden Kunstszene Saudi-Arabiens, zum Tode zu verurteilen.
Seit fast zwei Jahren sitzt der 35-jährige Ashraf Fayadh in Haft, wegen des „Abfallens vom Glauben“. Er ist im internationalen Kunstbetrieb bekannt. Als Mitglied der britisch-saudischen Kunstinitiative Edge of Arabia war er auch in Berlin präsent, wo 12 Mitglieder von Edge of Arabia anlässlich der 6. Berlin Biennale 2010 ihre Arbeiten im Soho-House zeigten. 2013 organisierte er die Jeddah Art Week, Saudi-Arabiens wichtigstes zeitgenössischen Kunstereignis. Im gleichen Jahr war er Kokurator der Ausstellung im Rahmen der Biennale von Venedig.
Ashraf Fayadh wurde am 1. Januar 2014 festgenommen, weil er mit seinem 2008 erschienenen Gedichtband „Instruction Within“ angeblich atheistische Propaganda betrieben haben soll. Dafür wurde er zunächst zu vier Jahren Gefängnis und 800 Peitschenhieben verurteilt. Fayadh bestreitet die Vorwürfe und nennt sich einen gläubigen Muslim.
Nachdem sein Einspruch abgelehnt wurde, kam es zu einer neuerlichen Verhandlung, mit dem bekannten Ergebnis. Da ihm bei seiner Festnahme der Pass abgenommen worden war, kann er keinen Rechtsbeistand bestellen. Der Scharia entsprechend hat er 30 Tage Zeit, gegen das Urteil Einspruch einzulegen.
Unterstützer von Arabic Literature oder „Freedom for Ashraf Fayadh“ auf Facebook vermuten, dass es sich bei dem Urteil um Rache für ein Video handelt, das Fayadh online gestellt hat und das die Religionspolizei zeigt, wie sie in der Öffentlichkeit der Stadt Abha einen Mann auspeitscht. Andere behaupten, die Polizei hätte keine Nachweise für atheistische Propaganda erbringen können und machten ihm jetzt Vorwürfe wegen seiner langen Haare und dem Rauchen.
Der britische Guardian zitiert Fayadh mit den Worten, sein Buch, „Instructions Within“, handle „lediglich von mir als Palästinensischem Flüchtling, von kulturellen und philosophischen Dingen. Aber religiöse Extremisten haben gottesfeindliche Ideen hineininterpretiert.“
Adam Coogle, von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch für den Nahen Osten abgestellt, sagt, die Gerichtsaufzeichnungen zeigten klare Verstöße gegen die Prozessordnung, wozu Anklagepunkte gehören, die gar nicht in der Scharia existieren, und das Fehlen eines Rechtsbeistands.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“