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Urteil im Chemnitz-ProzessNeun Jahre und sechs Monate Haft

Knapp ein Jahr nach dem tödlichen Messerangriff in Chemnitz ist ein 24 Jahre alter Angeklagter zu neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden.

Die Verteidigung hatte einen Freispruch für Alaa S. gefordert Foto: reuters

Dresden epd | Im Prozess nach dem gewaltsamen Tod eines Chemnitzers ist der Angeklagte Alaa S. zu neun Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 24-Jährige das Opfer Daniel H. am 26. August 2018 am Rande des Chemnitzer Stadtfestes getötet hat.

Alaa S. wurde laut Anklage gemeinschaftlicher Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Sein mutmaßlicher Komplize ist flüchtig. Bei der Messerattacke am 26. August 2018 in Chemnitz war Daniel H. getötet worden. Zudem wurde eine weitere Person verletzt.

Die Verteidigung hatte einen Freispruch für Alaa S. gefordert, weil sie den einzigen Zeugen als nicht glaubwürdig ansah und dem Angeklagten keinerlei DNA-Spuren nachgewiesen werden konnten. Die Staatsanwaltschaft plädierte dagegen für zehn Jahre Freiheitsentzug.

In seinem „Letzten Wort“ zum Abschluss der Hauptverhandlung hatte Alaa S. betont, er hoffe auf ein gerechtes Urteil des Gerichts. Seine Hoffnung sei auch, dass er nicht das zweite Opfer des Täters und für ihn stellvertretend verurteilt werde. Zudem bedauerte der Angeklagte, was der Familie des Opfers widerfahren sei.

Der Prozess vor dem Landgericht Chemnitz findet aus Sicherheitsgründen in Dresden statt. Alaa S. musste sich seit März vor Gericht verantworten. Nach dem Tod des Chemnitzers am Rande des Stadtfestes hatten rechte Gruppen die Tat in den Folgetagen für ausländerfeindliche Demonstrationen instrumentalisiert.

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34 Kommentare

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  • Für mich ist eher relevant, ob Alaa S., also der Täter sich freiwillig Deutschland als Land ausgesucht hat, in dem er leben wollte.



    Sollte er auch andere Länder zur Verfügung gehabt haben, dann geht das Urteil insofern in Ordnung, weil er sich auch insoweit hätte informieren können, wer Roland Freisler ist und was mit den Richtern der Nazizeit geschah, nachdem die BRD die Rechtsnachfolge des deutschen Reiches übernahm.



    Wer vom deutschen Justizsystem Gerechtigkeit erwartet, ist wirklich selber schuld. Ebenso könnte ich an einen gerechten Gott glauben oder meinen, das Leben sei gerecht.

    • @Age Krüger:

      Dass Sie immer noch in diesem Land leben wollen, erstaunt bei solchen Aussagen schon.

  • Wenn er der Täter war, geht das Urteil schon in Ordnung. Dass er der Täter war, steht aber wohl keineswegs zweifelsfrei fest, so dass man sicherlich noch mit Rechtsmitteln der Verteidigung zu rechnen hat.

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Die Bürgermeisterin von Chemnitz sollte sofort zurücktreten.

    • @91491 (Profil gelöscht):

      Wieso das? Weil das Gericht den Mann verurteilt hat?

      • 9G
        91491 (Profil gelöscht)
        @Normalo:

        Die Bürgermeisterin von Chemnitz hat in einem Interview eine Verurteilung gefordert, bevor das Urteil gesprochen war.

  • Zeugenaussagen sind so ziemlich der schlechteste Beweis, den man anbringen kann und jeder Jurist weiß das auch.

    Zeugen lügen, Zeugen irren, Zeugen erinnern sich falsch. Wenn man nur einen fragwürdigen Zeugen hat - wie das hier der Fall zhu sein scheint - dann ist das gleich zu setzen mit "Keine ausreichenden Beweise".

    Urteile gegen Migranten im braunen Osten sollten grundsätzlich überprüft werden.

    • @Michael Garibaldi:

      Eben deswegen ist der konkrete Zeuge und dessen konkreten Aussagen im Zusammenhang mit anderen Zeugenaussagen zu beurteilen.

      Ihre allgemeinen Hinweise zu Zeugenaussagen sind da wenig hilfreich. Wie passen zum Beispiel die Zeugenaussagen des Hauptzeugen nicht in das Bild der anderen Zeugenaussagen. Könnten Sie dazu näheres sagen?

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Das ganze erinnert mich an die Südstaaten der USA vor 50 Jahren...

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Ja, ein Schwarzer wird erstochen, zwei weiße Männer arabischer Abstammung werden der Tat beschuldigt, es gibt sogar einen Zeugen.

      Der Zeuge wird aber bedroht, er revidiert seine Aussage, und alle behaupten, die armen weißen Männer könnten den Schwarzen unmöglich umgebracht haben.

      Hätte ich vorher nicht so gesehen, aber Sie haben recht.



      Die Taz scheint vom Ku Klux Klan unterwandert zu sein.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Der lybanesische Zeuge?

  • Witzig, grad vor 2-3 Tagen war abends ne nette Doku im TV über Fehlurteile der deutschen Justiz....

  • Urteile können durch Revision überprüft werden.

    Was nicht geht, ist eine öffentliche Diskussion über irgendwelche Motive der Richter außer der Wahrheitsfindung.

    • @TazTiz:

      Nur dass halt die Revision ausgerechnet die Qualität der Beweiswürdigung nur ganz am Rande prüft.

      Diese Problem hat man häufiger gerade bei vielbeachteten, politisch brisanten Prozessen (die deshalb vor dem Landgericht landen): Sie werden erstinstanzlich unter großem politischen und medialen Druck durchgeprügelt, entscheiden sich dann an der Beweiswürdigung, und ausgerechnet die kann nicht überprüft werden. Dass es in diesen Fällen keine zweite Tatsacheninstanz gibt, ist ein Manko im Strafprozessrecht, über das auch der Bundestag mal reden sollte.

  • Taz, Spiegel, Zeit, Süddeutsche, alle haben ganz offensichtlich Bauchschmerzen mit diesem Urteil, explizit sagt es aber niemand. Das macht mir dann Bauchschmerzen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Hätte es härter ausfallen sollen? Und wie können Zeitungen körperliche Schmerzen erleiden?

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    Der Artikel gibt zu wenig her, um sich über das Urteil eine Meinung bilden zu können

  • Ein offenkundig rassistisches Urteil gegen einen unschuldigen Flüchtling. Aber was will man schon in Sachsen erwarten. Der einzige Lichtblick ist, dass dieses beschämende Urteil in der höheren Instanz kassiert werden wird. Einfach nur eine Schande!

    • @Aleyna:

      Das ist jetzt Satire, oder?! Ach bitte, Aleyna, sag dass das Satire sein soll und alles ist weitgehendst in Ordnung...

  • Ich finde den Antrag der Verteidigung, die Kammer als für befangen festzustellen, weil sie nicht objektiv in der Lage war, über den Fall zu entscheiden, für begründet und richtig. Der öffentliche Druck auf die Richter, den Angeklagte unbedingt abzuurteilen, war meines Erachtens einfach zu hoch. Hinzu kommt, dass nicht wenige AfD Funktionäre in Sachen auch Richter und Staatsanwälte sind. Der BGH lehnte die Anträge der Verteidigung, den Fall außerhalb von Sachsen zu verhandeln ab, weil es an der Unabhängigkeit der Justiz in Sachsen keine Zweifel erkannte.

    Ich halte diese Entscheidung für nicht richtig und halte es für durchaus sehr wahrscheinlich, dass mit dem Verurteilten nun ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt.

    • @Nico Frank:

      Solche Umstände reichen für eine Befangenheit nicht aus. Was meinen Sie, unter welchem Druck das OLG München im NSU-Prozess gestanden hat? Nach Ihrer Logik hätte man im dortigen Verfahren überhaupt kein unbefangenes Gericht finden können.

      • @Lockenkopf:

        Nun, die (nicht-) Ergebnisse der NSU-Prozesse lassen finstere Ahnungen in einem aufkommen...

  • Ich habe gestern den Beitrag von Frontal21 dazu gesehen. Dieses Urteil scheint mir mehr als finster. Ich kann daher nur Gerechtigkeit für Alaa fordern.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Gibt es nähere Infos dazu?Stützt sich die Anklage wirklich nur auf eine Zeugenaussage?Wer ist dieser Zeuge?Hinterlässt ein mulmiges Gefühl.

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Das würde mich auch interessieren. Kann ich mir kaum vorstellen

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Gem. Foto ist er ja noch ganz schön sozialisiert. Weste, Sacko, schnieckes Hemd. Nach den 9 Jahren Knast muss er dann wieder " resozialisiert" werden.

  • Harte Nummer, dass hier eine Verurzeilung stattgefunden hat. Einzige "Beweismittel" waren ein absolut unbrauchbarer Zeuge und die Herkunft des Angeklagten.

    • @Hampelstielz:

      Woher wissen Sie das?

      • @Chilli Island:

        Das Gerichtsverfahren war kein Geheimprozess. Informiere dich, es gibt eine genaue Berichterstattung.

        • @Hampelstielz:

          Warum sollen andere ihre in den Ring geworfenen Behauptungen recherchieren? Das ist schon ihre Aufgabe offensichtlich Dahingeworfenes zu belegen.

          • @Rudolf Fissner:

            Ich gehe davon aus, dass die Personen, welche unterhalb des Artikels kommentieren, den Artikel selbst gelesen haben.

            "Die Verteidigung hatte einen Freispruch für Alaa S. gefordert, weil sie den einzigen Zeugen als nicht glaubwürdig ansah und dem Angeklagten keinerlei DNA-Spuren nachgewiesen werden konnten. Die Staatsanwaltschaft plädierte dagegen für zehn Jahre Freiheitsentzug."

            Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

            Die Moderation

            • @Hampelstielz:

              Hampelstielz mal wieder am Hampel und hilflos mit Trollvorwürfen um sich werfend?

              Seien Sie doch ehrlich. Im Artikel steht nüscht von „absolut unbrauchbarer Zeugen“. Das ist ihr Fake-News-Wording wofür Sie auch sonstwo keine Quellen parat haben.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Chilli Island:

        Kann ja gar nicht anders sein. Logisch, oder?