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Urteil gegen den Ex-Audi-Chef StadlerWenig Einsicht, wenig Strafe

Patrick Guyton
Kommentar von Patrick Guyton

Erstmals wurde der Dieselbetrug juristisch geahndet. Immerhin. Aber die 1,1 Millionen Euro Strafe ist trotzdem lächerlich gering für den Ex-Audi-Chef.

Rupert Stadler auf dem Weg zur Urteilsverkündung am Landgericht Foto: Peter Kneffel/dpa

D er Deal im Strafrecht muss nichts Verwerfliches sein. Die Absprache zwischen Richtern und Angeklagten, für ein volles Geständnis eine mildere Strafe zu erhalten, kann Prozesse massiv verkürzen. Sie kann Opfern oder Geschädigten rasch Gewissheit verschaffen und sie vor belastenden Aussagen bewahren. Und sie ermöglicht bei Raubdelikten, erhebliche Teile der Beute zurückzubringen.

Nichts von alldem trifft auf den Deal zu, den das Münchner Landgericht mit dem Ex-Audi-Boss Rupert Stadler und zwei weiteren ihm untergebenen Managern im Diesel-Betrugsverfahren ausgehandelt hat. Sein Last-Minute-Geständnis im Mai bewahrt Stadler vor dem Gefängnis. Stattdessen: ein Jahr und neun Monate Bewährung.

Den Prozess hat das nicht verkürzt. Der lief auch so zweieinhalb Jahre lang. Besonders glaubwürdig war das von der Verteidigerin abgelesene Papier auch nicht; nur das Nötigste wurde zugegeben. Schaden konnte keiner wiedergutgemacht werden. 1,1 Millionen Euro, die Stadler zahlen muss, sind bei einem Mann dieser früheren Gehaltsklasse lächerlich bis beschämend wenig. Dem Gericht ist vorzuwerfen, dass es sich, auch im Sinne der geschädigten Umwelt – es ging ja um Betrug mit viel zu hohen Diesel-Abgasausstößen –, nicht zu einem schärferen Urteil durchringen konnte. Immerhin: Erstmals ist dieses kriminelle Handeln überhaupt juristisch geahndet worden.

Der Prozess hat über die Jahre einen speziellen Blick auf den Managertyp Stadler ermöglicht. Einer der führenden Wirtschaftsbosse war plötzlich ganz klein, sagte fast nichts. Keine Spur von Kampfeswillen erkennbar, die von ihm bis fast zum Schluss behauptete Unschuld zu verteidigen. Auch die rückständigen Strukturen des VW-Konzerns mit seiner Audi-Tochter wurden offenbar: Der eine manipulierte und fälschte, damit die Karriere aufwärts geht. Sein Vorgesetzter deckte es, damit die Verkaufszahlen stimmen. Und der ganz oben konnte es zumindest ahnen, schloss aber die Augen. So sieht moderne Unternehmensführung mit offener Fehlerkultur und Teamgeist statt Ego-Shootern ganz sicher nicht aus.

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Patrick Guyton
Autor
Lebt in München, schreibt über mögliche und unmögliche bayerische Begebenheiten. Jahrgang 1967, aufgewachsen im Stuttgarter Raum. Studierte in München und wurde dort zum Journalisten ausgebildet. Es folgten viele Jahre als Redakteur in Ulm, zuständig für Politik und Reportagen. Nun frei atmend und frei arbeitend in der Bayern-Metropole.
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9 Kommentare

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  • Nun geht es in den zweiten Akt.



    Der Verurteilte hat das Urteil nicht akzeptiert..., ist ihm zu streng....



    Hoffe das nächste Gericht ist unabhängig...

  • Leider wird von vielen Kommentatoren eins vergessen: Es war kein Urteil, sondern ein "Deal".

    Ich habe den Prozess im Detail nicht verfolgt. Ich kann daher nicht beurteilen, ob hier sogar ein Freispruch im Raum gestanden hätte, wenn es kein Geständnis gegeben hätte, da bestimmte Punkte nicht sicher nachgewiesen werden konnten.

    Der Satz "Sein Last-Minute-Geständnis im Mai bewahrt Stadler vor dem Gefängnis." deutet an, dass eine Verurteilung sicher/wahrscheinlich gewesen wäre. Offensichtlich hatten StA und Richter da Zweifel, sonst wäre der Deal nicht kurz vor knapp gekommen. Ganz unwahrscheinlich war eine Verurteilung wohl nicht, sonst hätte Stadler nicht mitgemacht.

  • Das Betrügen von tausenden ist zu einem Kavaliersdelikt geworden und selbst der Schaden den der Staat hatte wurde nicht geahndet.



    Der Wirecard Boss kann nun ja kaum mehr bekommen, ist doch der verursachte Schaden um vieles geringer. Immerhin nur Geld und nicht auch Gesundheit und Leben vieler.

  • Was man hier einfach mal schnell „vergisst“ zu erwähnen. Er war 5 Monate in Untersuchungshaft, hat seine Arbeitsstelle verloren, hat 2 Jahre auf Bewährung bekommen und 1,1 Mio muss er zahlen.

    Angesichts der geringen moralischen Verwerflichkeit (90% der Leute die ich kenne würden bei sowas sofort mitmachen) halte ich mehr für keinesfalls angemessen. Man vergleiche das mal mit Gewalttätern die Leute tot prügeln und ebenfalls Bewährung bekommen.

    • @Wombat:

      Was kennen Sie denn für Leute? In meinem Bekanntenkreis hätte mindestens 90% gekotzt.



      Beziehen Sie auch mal die Vorgeschichte mit ein, um die "geringe moralische Verwerflichkeit" seiner Taten zu beurteilen. Der Autoindustrie wurde über den Umweg der Abwrackprämie ich weiss nicht wie viel Kohle in die Kassen gespült. Als dankeschön wird der "edler Spender" Steuerzahler, der glaubt, er selbst habe das Geld in den Allerwertesten geblasen bekommen - nein, er hat es selbst bezahlt, bzw. die ärmeren unter ihnen, die sich nie ein neues Auto leisten können - um Milliarden Steuern betrogen und zwar vorsätzlich und planmässig und weltweit.



      Vergleichen Sie bitte nicht Krawattengangster mit Gewalttätern, vergleichen Sie sie mit Steuerhinterziehern wie Herrn Hoeness. Wie lange sass der noch im Knast für eine weit geringere Straftat...?!

  • Es war zu erwarten und es zeigt, dass nicht alle Bürger Deutschlands vor dem Gesetz nicht gleich sind. Das Urteil des Gerichts ist ein Demokratiesargnagel.

  • Jugendliche, die sich aus Sorge um die Umwelt auf die Strasse kleben, bekommen unbedingte Strafen. Konzernchefs, die aus Geldgier bewusst und gezielt die Umwelt zerstören, bekommen bedingte Strafen. Finde den Fehler.

  • Für bandenmäßigen Betrug eine Bewährungsstrafe!!



    Das lässt tief blicken und lässt einen fassungslos werden.



    Aber was will man erwarten in einem Land, in dem Autos, vor allem die mit Verbrennermotoren Gottstatus haben!



    Das Urteil ist auch Produkt und Spiegel von uns als Gesellschaft!!



    Erschütternd

  • Leider zeigt sich auch ein zunehmendes Versagen der Judikative.



    Die Großen lässt man läufen - die Kleinen ersäufen ...