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Urteil gegen Bäcker*innen in USADann sollen sie eben Kuchen backen

In Oregon kann es teuer werden, seinen Job nicht zu machen. Eine nicht gebackene Torte kostet jetzt 135.000 Dollar.

In einem weiteren Fall von „Konditor gegen Ehepaar“ aus Colorado demonstrieren LGBT-Aktivist*innen in Washington, D.C. Foto: ap

Am Court of Appeals, dem Berufungsgericht des US-Staates Oregon, wurde letzte Woche ein besonderer Fall verhandelt. Es geht um die Rechte homosexueller Paare, um die Frage, was Religionsfreiheit alles umfassen darf – und um Kuchen.

2013 bekamen Melissa und Aaron Klein, Inhaber*innen einer Bäckerei in Gresham, ganz im Norden des Bundesstaates, den Auftrag, einen Kuchen für eine gleichgeschlechtliche Hochzeit backen. Sie lehnten ab. Diesen Auftrag zu übernehmen, würde den Grundsätzen ihres christlichen Glaubens widersprechen, so die Inhaber*innen.

Die Kund*innen, Rachel und Laurel Bowman-Cryer, erstatteten daraufhin Anzeige wegen Diskriminierung. Der Staat Oregon untersagt Unternehmer*innen, geschäftliche Dienstleistungen aufgrund der sexuellen Orientierung der Kund*innen zu verweigern. Nach Bekanntwerden des Falls wurde die Bäckerei Ziel von vielen Protesten und Angriffen, 2016 gaben Melissa und Aaron Klein ihr Geschäft auf.

Doch auch Rachel und Laurel Bowman-Cryer wurden attackiert, vor allem nachdem die Kleins private Informationen des Paars aus der geschäftlichen Korrespondenz veröffentlicht hatten. 2015 gab es dazu die erste gerichtliche Entscheidung: Die Kleins wurden zu einer Schadensersatzzahlung von 135.000 Dollar verurteilt. Doch die Bäcker*innen gingen in Berufung und wandten sich an die nächste Instanz: eben den Oregon Court of Appeals.

Die zentralen Fragen im Berufungsprozess: Ist ein Kuchen die künstlerische Ausdrucksform von Bäcker*innen und deswegen in besonderer Form von der Meinungsfreiheit geschützt – und ist der Schadenersatz zu hoch angesetzt? Die Jury entschied letzte Woche: Nein, und bestätigte damit das Urteil.

Die Kleins haben schon mitgeteilt, dass sie wieder in Berufung gehen werden. Morddrohungen, Proteste und ein jahrelanger Rechtsstreit: Das Kuchengate von Oregon ist nicht vorbei. Und alles nur, weil zwei Bäcker*innen keinen buchstäblich gottverdammten Kuchen backen wollen.

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31 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Ich weiss nicht, wie genau die Rechtslage in Deutschland oder Amerika ist, aber in Frankreich darf kein Geschäftsinhaber den Verkauf seiner Ware verweigern, " refus de vente" unterliegt dem Strafrecht und kann bei Diskriminierung sogar mit Gefängnis bestraft werden.

  • Hier mal die Geschichte ausfürlich. da geht es nicht nur um Kuchen.

    https://www.advocate.com/commentary/2016/9/06/women-who-challenged-sweet-cakes-cost-their-battle

     

    Ätzend auch, dass die taz hier Lesbophobie zulässt.

  • kann der Autorin nicht mal jemand klarmachen, dass mann/frau vor lauter Inhaber*innen, Kund*innen, Unternehmer*innen etc. den an sich guten Artikel nicht mehr vernünftig lesen kann. Bei anderen Beiträgen verzichten die Autor*innen ja auch auf diesen Unsinn.....

  • Belinda und Peter G., Konditoreibesitzer aus Vermont: "Wir backen keine Hochzeitskuchen für Christen. Das verbietet uns unser humanistisch-kritischer Agnostizismus. Die Religionsfreiheit schützt schließlich auch die, die frei von jeder Religion sind!"

     

    George H., Pub-Besitzer aus Arizona: "Ich bediene keine Latinos. Das verbietet mir meine Heimatliebe. Ich bin ja schließlich kein Beamter!"

     

    Lisa O., Rechtsanwältin aus Michigan: "Ich berate keine Männer. Das verbietet mir meine anti-patriarchale Erziehung. Das ist hier schließlich Privatwirtschaft!"

     

    Bartholomew K., Team-Coach aus Alabama: "Ich coache keine Protestanten. Das verbieten mir die Grundsätze meines Glaubens. Hier herrscht schließlich Religionsfreiheit!"

     

    Gerald H., Frisör aus North Dakota: "Ich bediene keine Republikaner. Das verbietet mir mein politisches Gewissen. Dies ist schließlich ein freies Land!"

     

    Barbara Y., Taxi-Fahrerin aus Nebraska: "Ich fahre keine Hundebesitzer. Das verbietet mir die Liebe zu meiner Katze. Ich bin ja keine Regierungs-Chauffeurin!"

     

    Ist es diese Art von Gesellschaft, die die Väter der amerikanischen Verfassung im Auge hatten?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Völlig absurder Rassismus. Für ein*e tote Zivilist*in in Afghanistan zahlen die USA gerade einmal 2.500 Dollar Blutgeld, aber wegen einer nicht gebackenen Torte werden 135.000 fällig.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Für diese Summe kann das US-Militär in Afghanistan 54 Zivilist*innen umbringen.

  • Der Kommentar wurde gelöscht. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    • @Anti pervert:

      Das stimmt, diese Pervertierung des christlichen Glaubens stinkt wirklich zum Himmel.

  • Was für Depp_Innen*X.

     

    Wie kann man so blöd sein und denen das ins Gesicht sagen. Da lügt man und sagt man hat keine Kapazität oder irgendeine nicht nachtprüfbare Ausrede.

     

    Wie bei Vermietungen oder Jobs: Du wirst auch nicht abgelehnt weil mich dein Kopftuch stört - du wirst abgelehnt weil an anderer einen subjektiv besseren Eindruck hinterlassen haben.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Sie bedienen damit die Marotten armseliger Wichte, will sagen "Inhaber*innen".

    Ich bevorzuge DIE Inhaber.

  • Hmmmm... ich gehe mal davon aus, dass es sich bei dieser Bäckerei um ein privatwirtschaftliches Unternehmen handelt, und nicht etwa um eine staatliche Institution.

     

    Das bedeutet doch, dass sie ganz ohne Angabe von Gründen ihre "Dienste" verweigern dürfen.

     

    Ist es in diesem Fall also so, dass sie Gründe angegeben haben, welche diskriminierend sind -- und wenn sie kommentarlos abgelehnt hätten, wäre "alles okay" (juristisch gesehen) gewesen?

     

    Irgendwie gefällt mir das nicht.

     

    Ich bin wahrlich kein Freund der "freien Marktwirtschaft", aber ich finde, wenn man schon eine solche fährt, dann darf man sich nicht wundern, dass es zu so etwas kommt.

  • Der eigentliche Fehler der beiden Bäcker war doch, dass sie zugegeben haben, die beiden nicht bedienen zu wollen, weil sie lesbisch sind. In Zukunft wird jeder Dienstleister halt sagen, dass leider leider die Auftragsbücher für die kommenden Monate gefüllt sind, aber da um die Ecke ist noch ein weiterer Dienstleister, dort könne der werte Kunde es doch mal versuchen...

  • Also mir ist es lieber, dass Leute offen sagen dürfen, sie würden für bestimmte Personengruppen aus irgendwelchen Gründen nicht backen wollen - dann sucht man sich halt einen anderen Bäcker - als wenn man sie dazu aus Angst vor Strafe zwingt mit der Folge, dass sie heimlich in den Kuchenteig spucken.

    • 2G
      2730 (Profil gelöscht)
      @Cristi:

      ...solange es nur spucken ist... ;-)

  • Ich halte diesen Fall für durchaus problematisch. Ich würde mich als Bäcker zum Beispiel weigern, eine Ku Klux Klan oder Neonazi-Torte zu backen - könnte ich demnach ebenfalls belangt werden? Andererseits ist klar, dass die Nicht-Bedienung z.B. afro-amerikanischer Kunden, bzw. eine afro-amerikanische Thementorte (etwa zu Kwanza) nicht vorstellbar ist. Es sollte grundlegend sichergestellt sein, das Menschen jedweder Art und Orientierung Dienstleistungen in Anspruch nehmen können und lange Zeit war das in den USA aufgrund der Rassen- bzw. Ethnopoliitk keine Selbst verständlichkeit. Mit diesem historischen Hintergrund kann ich das anliegen des lesbischen Paares wiederum nachvollziehen. Schwierig eben.

    • @hessebub:

      Ja, das ist kritisch. Und interessant finde ich auch, dass man als Geschäftebetreiber eigentlich entscheiden dürfen sollte, wen man bedient. Wenn man da zu etepetete ist, wird der Laden vermutlich nicht lange laufen.

      Nur, zu behaupten, dass man Homosexualität ablehnt, ist nach Gesetz diskriminierend. Genauso wie gegenüber Schwarzen und legalen politischen Richtungen.

  • Man kann sich das Leben ganz gut selber schwer machen...

    • @Sebas.tian:

      Jau, und beide Streithanseln haben jetzt schon bei der ganzen Angelegenheit verloren, egal wie der Streit eines Tages juristisch wirklich endet.

    • @Sebas.tian:

      So was nennt man zivilen Ungehorsam. Und dieser wird seit alters her je nach politischer Couleur gefeiert oder verdammt.

       

      Es bleibt hier jedoch abzuwarten, welche Seite am Ende triumphiert. Die Religionsfreiheit in weitester Ausprägung ist den Amerikanern extrem wichtig und der supreme court (als abschließende Rechtsinstanz) ist konservativ geprägt und kein echter Freund der LGBT.

      Clausewitz hat in seinen Schriften schön dargelegt, dass ein Feldherr eine Schlacht gewinnen, dadurch jedoch einen ganzen Krieg verlieren kann. Man darf gespannt sein, wie diese (meiner Ansicht nach eher lächerlich anmutende Episode) endet.

      • @Cerberus:

        1. Erstaunlich, dass Sie wissen, was "den Amerikanern" extrem wichtig ist. Sie die alle geklont oder was?

         

        2. In seiner Entscheidung im Fall Obergefell v. Hodges entschied der Supreme Court im Jahr 2015, dass gleichgeschlechtlichen Paaren das Grundrecht auf Ehe durch die Verfassung garantiert ist. Schon vergessen?

        • @mats:

          Grundrecht auf Ehe, ok. Aber ob sich damit auch ein Grundrecht auf bestimmte Torten ableiten läßt ?

          • @Thomas Schöffel:

            "Aber ob sich damit auch ein Grundrecht auf bestimmte Torten ableiten läßt ?"

             

            Das behaupte ich ja nicht. Die Kleins wurden auf Grundlage geltenden bundesstaatlichen Gewerberechts in Oregon verurteilt.

        • @mats:

          Warum so empfindlich? Es gibt Eigenschaften, die sowohl Amis als auch Deutschen typischerweise zugeschrieben werden. Da muss man nicht gleich zur Goldwaage greifen, Sie machen sich damit selbst zum Oberlehrer.

          • @Wuff:

            Tja, wären Sie kein Deutscher, hätten Sie einfach drüber lachen können, anstatt sich belehrt zu fühlen.

      • @Cerberus:

        Da bin ich auch gespannt drauf...

  • Oder, im Zeitalter der alternativen Enden:

     

    "Und alles nur, weil zwei Lesb*innen keinen Kuchen bei einem anderen Bäcker kaufen wollten. "

  • Bei allem Respekt: Aber eine solche persönliche Entscheidung betrifft die Religionsfreiheit! Und selbst wenn dieser religöse Fakt hier für viele nicht nachzuvollziehen ist (ebenso für mich), aber es handelt sich doch um eine private Dienstleistung! Der Konditor ist doch kein Beamter!

    • @fvaderno:

      Religionsfreiheit konkurriert, wie jedes Grundrecht, mit anderen Grundrechten, zu denen sie im Widerspruch steht. Kein einzelnes Grundrecht ist absolut. Es bedarf einer Abwägung.

    • @fvaderno:

      Das heisst doch nur, dass Religion hinter den eigenen Türen stattzufinden hat und nicht in der Öffentlichkeit. In der Öffentlichkeit zählen die weltlichen Gesetze und nicht irgendwelche religiösen Befindlichkeiten.

      Wer einen Dienstleistungsbetrieb hat sollte sich vielleicht mal mit seinen persönlichen Ansichten zurückhalten.

       

      Das mit der Diskriminierung ist allerdings weltlich-politisch dünnes Eis, da kann man schnell irgendwas konstruieren und jemand abservieren. Nur geht's natürlich auch gar nicht, z.B. Schwarze nicht zu bedienen, weil sie schwarz sind.