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Urteil des BundesverfassungsgerichtsWindkraft mit Beteiligung

Die Klage gegen ein Gesetz aus Mecklenburg-Vorpommern ist abgelehnt. Damit darf es eine Pflicht geben, Bürger am Ertrag neuer Anlagen zu beteiligen.

Windpark in Werder, Mecklenburg-Vorpommern Foto: Thoams Trutschel/photothek/imago

Freiburg taz | Bürger- und Gemeinden dürfen zwangsweise an den Erträgen von Windkraftanlagen beteiligt werden – um so die Akzeptanz der Windräder vor Ort zu steigern. Das entschied nun das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss zu einem entsprechenden Landesgesetz aus Mecklenburg-Vorpommern (MV).

Seit 2016 gilt in dem windträchtigen Küstenland das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz. Danach müssen die Betreiber neuer Windparks vor Ort eine Projektgesellschaft gründen und den Gemeinden und Bürgern im Umkreis von fünf Kilometern insgesamt 20 Prozent Unternehmensanteile zum Kauf anbieten. Alternativ dazu kann der Betreiber den Gemeinden auch eine jährliche Zwangsabgabe und den Bürgern ein verzinstes „Sparprodukt“ offerieren. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Gemeinden meist die weniger aufwendige Abgabe bevorzugen.

Gegen dieses Gesetz erhob ein Windkraftbetreiber, der in MV acht neue Windräder bauen wollte, Verfassungsbeschwerde. Die „Zwangskollektivierung“ greife unverhältnismäßig in seine Berufsfreiheit ein. Außerdem werde die Windkraft diskriminiert, weil andere unbeliebte Vorhaben, etwa Schweinezuchtanlagen, nicht gezwungen werden, Bürger und Gemeinden finanziell zu beteiligen.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wies die Klage nun im Kern ab. Zwar gehe es hier um „beträchtliche“ Eingriffe in die Grundrechte von Windunternehmen. Diese seien jedoch durch den Klimaschutz und die Sicherung der Energieversorgung gerechtfertigt. So sei die finanzielle Beteiligung von Kommunen an Windkraftanlagen ein „geeignetes“ Mittel, um die Akzeptanz der Windräder zu erhöhen. In Umfragen hätten sich knapp 80 Prozent der Befragten hierfür ausgesprochen, heißt es im Karlsruher Beschluss.

Gegen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs spreche auch nicht, so das Gericht, dass die Windräder in Mecklenburg-Vorpommern nur einen sehr kleinen Teil zum globalen Klimaschutz beitragen. Denn bei dem Landesgesetz handele es um ein „Pilotprojekt“, und nach der verfassungsrechtlichen Klärung könnten weitere Bundesländer folgen. Außerdem trage jede „Verbesserung der nationalen Emissionsbilanz zum Gelingen des globalen Klimaschutzes“ bei, weil sich alle Staaten mehr anstrengten, wenn sie sähen, dass auch andere handelten.

Erfolg bislang gering

Bisher war das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz allerdings nur wenig erfolgreich. Wegen der Antiwindkraftpolitik der Großen Koalition im Bund ging die Zahl der Windräder in Mecklenburg-Vorpommern 2021 sogar erstmals zurück, von 1.965 auf 1.850. Das dürfte sich unter der neuen Bundesregierung und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) ändern.

Bisher hat nur Brandenburg ein ähnliches Gesetz wie Mecklenburg-Vorpommern beschlossen. In Brandenburg müssen Windkraftbetreiber pro Anlage 10.000 Euro Sonderabgabe an Gemeinden im Umkreis von drei Kilometern abführen. Auf Bundesebene gibt es seit Januar 2021 eine nur halbherzige Regelung im Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG). Danach „dürfen“ Anlagenbetreiber „den Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlage betroffen sind, Beträge durch einseitige Zuwendungen ohne Gegenleistung anbieten“. Die Betreiber machen sich also nicht der versuchten Bestechung schuldig. Eine Abgabe auf Grundlage des Bundesgesetzes ist bisher aber völlig freiwillig.

MV-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) empfiehlt dem Bund, dem Beispiel seines Landes zu folgen: „Einer verpflichtenden Bundesregelung stehen mit der heutigen Entscheidung nun keine juristischen Zweifel mehr im Weg.“

(Az.: 1 BvR 1187/17)

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8 Kommentare

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  • Gut so! Noch besser wäre eine Beteiligung der Kommunen mit mindestens 51%. Dann könnte man von einem Bürgerpark sprechen. Im Grunde müssten Wind und Solarparks wie städtische Kläranlagen betrieben werden. Ohne Gewinnerwartung würde der eingespeiste Strom nur noch die grob die Hälfte kosten. Aber noch glauben zu viele, dass man vom gegenseitigem Haareschneiden alle reich werden….

    • @mwinkl02:

      Es steht den Gemeinden ja frei, Projekte zu entwickeln und zu bauen. Wer aber will, dass Profis das tun, kann nicht erwarten, dass sie dann hinterher das Steuer aus der Hand geben und ihr Geld den Launen und Fähigkeiten des lokalen Laien ausgeliefert ist. Das müssen Sie doch auch nachvollziehen können. Kein einziger Projektierer würde in diesem Rahmen die Arbeit in Deutschland fortsetzen. Es wäre dann nur noch staatlicher Ausbau. Und was der Staat für ein guter Bauherr ist, sieht man bei jedem zu sanierenden Feldweg, der europaweit ausgeschrieben und zwei Jahre verspätet und überteuert fertig wird.

  • Wenn sich schon unsre höchste Gerichts-Instanz auf "Umfragen" beruft, wird hier NUR NOCH politisch ver- und gehandelt. Und mensch wünschte sich, dass die rein parteipolitische Besetzung des Gremiums mal ein Ende habe.



    Den Wandel gesellschaftlicher Auffassungen (oder auch deren Herbei-Wünschen) kann ein Gericht auch begleiten, ohne seine Sicht auf die Verfassungswirklichkeit derart tagespolitisch zurechtzubiegen.

    Ja, natürlich bewegt sich das Verhandeln einer Klage gegen ein Gesetz im poltischen Raum. Die im Artikel aufgeführten Argumentationslinien sind das Problem, nicht unbedingt das Ergebnis.

    Der einschränkende wie der fördernde Einfluss der Verfassung auf unsere Politik wird in dieser Weise erodiert. Gefälligkeitsurteile für die Politik mögen Klagen gegen Mehrheitsentscheidungen unattraktiver und Politik damit einfacher uund beweglicher machen - aber das Gericht verkommt so zu einer Art Drittem Parlament.

  • win, win, Windenergie!



    So geht´s.

  • Die Pflicht des Betreibers, betroffene Gemeinden zu beteiligen, war schon lange überfällig.



    Noch deutlich wirkungsvoller - aber wohl nur gegen erheblichen Widerstand von Energieversorgern und deren "Unterstützer" CDU/ CSU ! und FDP - wäre allerdings eine Art "Vorkaufsrecht" für Bürger, d.h. Bürger-Windparks mit echter Beteiligung am Ertrag.



    Dies würde die Vormachtstellung der Energieversorger sowie Willkür bei der Preisgestaltung reduzieren und die Akzeptanz von Windrädern nochmals deutlich steigern !!!.

    • @Thüringer:

      Informieren Sie sich doch einmal, bevor Sie so meinungsstark kommentieren. Die Eigentümerschaft deutscher WEA ist extrem kleinteilig fragmentiert. Es gibt Hunderte Betreiber und keine Monopolisten. Insbesondere die vier großen Energieversorger besitzen wenige WEA.

      Außerdem: Wieso ist das überfällig? Wieso gerade bei WEA und nicht beim Kohlekraftwerk oder bei der lokalen Autowerkstatt? Wieso sollen ausgerechnet bei WEA andere automatisch beteiligt werden?

  • "weil andere unbeliebte Vorhaben, etwa Schweinezuchtanlagen, nicht gezwungen werden, Bürger und Gemeinden finanziell zu beteiligen."



    das stimmt und ist auch unverhältnismäßig. Aber dennoch ist die Beteiligung richtig, ohne Akzeptanz geht es nicht.

    • @nutzer:

      "Akzeptier" ich den Dauer-Lärm in meim Garten eher, wenn ich dran verdien ? Und die optische Kaputtschrumpfung der Hügel meiner Umgebung zu Podesten, auf denen die Quirle stehen ? Schwimmbäder und Bibliotheken für die gastgebenden Gemeinden, das ham die Atomis auch gekonnt ... Nennen wirs Entschädigung - mit Akzeptanz dürfte dies wenig zu tun haben. Die is entweder eh da, oder lässt sich auch nicht erkaufen.