piwik no script img

Unvergessener LäuferLegendäre letzte Runde

Louis Zamperini läuft bei Olympia 1936 in Berlin für die USA im 5.000 Meter-Finale. Sein Schlussspurt ist ebenso phänomenal wie sein ganzes Leben.

Nachruhm: Jack O'Connell in der Rolle des Louis Zamperini im Film „Unbroken“ Foto: Cinema Publishers Collection/imago

O hne Frieden ist alles nichts. Auch der Sport wird nichtig, wenn gebombt wird. Etliche ukrainische Athleten sind in der Zeit der russischen Aggression umgekommen, und Louis Zamperini wäre es fast auch so ergangen. Sein Schicksal belegt, wie schnell es gehen kann, und aus einem Mittelstreckler, der bei den Olympischen Spielen 1940 in Tokio eine Medaille über die Meile gewinnen will, wird ein Soldat, dessen Leidenszeit später von Hollywood verfilmt werden wird. Natürlich fielen die Sommerspiele 1940 aus, der Zweite Weltkrieg tobte, und Louis Zamperini sollte zwar nach Japan, einem Alliierten von Nazi-Deutschland, kommen, allerdings in ein Internierungslager.

Aber erzählen wir seine Geschichte von vorn. Louis Zamperini ist das zweite Kind italienischer Einwanderer. Er kommt an der Ostküste der USA zur Welt, seine Mutter ist bei der Geburt gerade mal 18 Jahre alt. Der Vater schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Nachdem Louis mit 2 krank wird, rät ein Arzt der Familie, in die Sonne zu ziehen. Die Zamperinis werden in Kalifornien heimisch, in Torrance. Die Lebensumstände bleiben prekär. Italiener sind verhasst. Während sich Louis’ großer Bruder Pete zu einem kleinen Gentleman entwickelt, wird aus dem 20 Monate Jüngeren ein wilder, ungebärdiger Bursche.

Er rauft, klaut, raucht schon mit 5 Zigaretten. Bei seinen kleinen Raubzügen lernt er eines: wegzulaufen. Er befindet sich offensichtlich auf einer verdammt schiefen Ebene, einer slippery slope. Der große Bruder ist es, der für Louis immer wieder ein gutes Wort einlegt und aus ihm einen Läufer macht.

Die Energie geht nun in die Beine, der große Bruder überwacht die Transformation, gern mal als radelnder Begleiter bei Trainingsläufen. Louis hasst die Schinderei anfangs, doch er macht enorme Fortschritte. Das Laufen ist sein Ding. Die Meile wird seine Strecke, 1.609 Meter. „The Torrance Tornado“ bricht etliche Rekorde auf der Highschool, später auch auf nationaler Ebene.

Moment des Schmerzes

1934 stellt er einen Highschool-Weltrekord auf, als er eine Meile in 4:21,20 Minuten läuft. Sein Rekord wird erst nach 20 Jahren gebrochen. Zamperini ist nun auf dem Sprung zu Olympia 1936 in Berlin, doch er muss auf die ungewohnten 5.000 Meter ausweichen, weil die Konkurrenz über die Meile zu stark ist. Eben noch Striezi ohne Perspektive, befindet sich der 19-Jährige nun auf dem Dampfer „Manhattan“, um Olympionike zu werden.

Er futtert sich auf der Überfahrt etliche Kilos an, und als er im Berliner Olympiastadion seinen ersten Auftritt im Vorlauf hat, kommt er als Fünfter gerade so ins Finale. Er fühlt sich schwach, die Finnen sind überlegen. Im Endlauf ist er bald auf Position 12. Doch dann sagt er sich: Was ist ein Moment das Schmerzes gegen lebenslangen Ruhm!? Seine letzte Runde im 5.000-Meter-Rennen wird historisch. Er braucht für die 400 Meter nur 56,2 Sekunden, wird noch Achter. Zum Vergleich: Der Finne Lauri Lehtinen, Zweiter, braucht 69,2 Sekunden.

Das Stadion, so auch Hitler, bestaunt den irren Sprint des Amis. Die Autorin Laura Hillenbrand („Unbroken“) beschreibt nun eine Szene, die, wenn sie sich tatsächlich so zugetragen hat, geradezu grotesk anmutet. Zamperini klettert Richtung Tribüne, drückt Propagandaminister Joseph Goebbels seine Kamera in die Hand, damit der ein Bild von Hitler schieße. Hitler fragt nach, will den US-Läufer nun treffen. Es kommt wohl zum Handschlag, und Hitler soll zu Zamperini gesagt haben: „Ah, Sie sind also der Junge mit dem schnellen Finish!“

Der Krieg verändert Louis Zamperini, der nach 1945 wegen der Lagerqualen nicht mehr Leistungssport treiben kann, völlig. Der einstige Raufbold predigt Vergebung in der evangelikalen Bewegung des Billy Graham.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
Mehr zum Thema

0 Kommentare