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Untersuchungsausschuss zu Wirecard-PleiteÜberflüssiges Gremium

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der Untersuchungsausschuss zu Wirecard ist unnötig. Auch ohne ihn ist klar: Versagt haben die Wirtschaftsprüfer.

Die Grünen-Bundestagsmitglieder Danyal Bayaz und Lisa Paus nach Treffen zum Wirecard-Skandal Foto: Michel Tantussi/reuters

D ie Pleite des DAX-Konzerns Wirecard war zweifellos ein Skandal. Doch so erstaunlich es klingen mag: Nicht jeder Skandal rechtfertigt einen Untersuchungsausschuss. Es ist überflüssig, dass Grüne, FDP und Linke jetzt ein Extragremium zu Wirecard einsetzen wollen.

Die Opposition spricht zwar davon, dass sie dann „noch mehr“ Zeugen befragen und „noch mehr“ Akten einsehen könnte. Doch diese zusätzlichen Befragungsrunden werden keine neuen Erkenntnisse zutage fördern. Die Lage ist nämlich recht eindeutig: Das Bundeskanzleramt wusste von nichts; im Finanzministerium wusste man nur, was in der Zeitung stand; und die Finanzaufsicht Bafin war nicht wirklich zuständig und hat ansonsten gepennt. An diesen bedauerlichen Tatsachen wird sich auch nichts ändern, wenn man „noch mehr“ Zeugen befragt.

Zudem lag das zentrale Problem nicht bei der Bundesregierung – sondern bei den Wirtschaftsprüfern. EY hat Wirecard zehn Jahre lang durchleuchtet und die Bilanzen jedes Mal als ordnungsgemäß testiert. Wenn aber den Prüfern nichts auffällt, ist es schwer, von außen Unregelmäßigkeiten zu entdecken. Denn die Prüfer sind die Einzigen, die alle wichtigen Kontobewegungen systematisch nachvollziehen. Die Regierung für die Fehler bei Wirecard verantwortlich zu machen, ist ungefähr so, als würde man der Polizei die Schuld geben, wenn ein Dieb einen Laden ausräumt.

Wie seltsam ein Untersuchungsausschuss zu Wirecard ist, zeigt auch ein Vergleich mit anderen Untersuchungsausschüssen. Momentan befasst sich zum Beispiel ein Sondergremium mit der Pkw-Maut. Und zwar völlig zu Recht. Hier hat Verkehrsminister Andreas Scheuer schwere Fehler gemacht, die den Steuerzahler am Ende bis zu 560 Millionen Euro kosten dürften. Es könnten aber auch noch mehr werden.

Blauäugige Kreditvergabe

Die Vorgänge bei Wirecard liegen hingegen völlig anders. Dort haben nicht Minister versagt, sondern die Wirtschaftsprüfer. Und es wurden nicht die Steuerzahler geschädigt, sondern vor allem jene Banken, die blauäugig Kredite an Wirecard vergeben haben.

Natürlich muss die Politik auf den Skandal reagieren. Aber nicht durch einen Untersuchungsausschuss. Stattdessen stellt sich die Frage, wie man einen ähnlichen Betrug künftig verhindern kann. Vorschläge gibt es genug. Um nur eine Idee zu nennen: Man könnte Whistleblower belohnen, damit sich kritische Insider frühzeitig an die Behörden wenden. Aber um diese Vorschläge zu diskutieren, reicht der Finanzausschuss des Bundestags völlig aus.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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20 Kommentare

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  • Ja zum PUA, zu klären, warum Finanzminister Scholz 25% Anteilseigner Commerzbank AG nichts gegen 1,6 Milliarden Wirecard Kredit hatte, obgleich Financial Times (FT) vor Wirecard Geldwäsche 2015, Marktmanipulation 2019 warnt, ohne Sonderprüfung zu veranlassen, FT mit Klage überzieht durch die FT Mitarbeiter in Haft kam?



    Wirecard AG Skandal gilt als so komplex, weil in den mutmaßlich Geheimdienste involviert sind, evtl. mangels eigenständig vom US $ unabhängigen internationalen Zahlungsverkehr der EU, durch illegalen Datenzugriff auf Finanzströme privater Söldnerarmeen, Waffenhandel in Libyen, Iran nach Iran Abkommen 2015 USA, Russland, China, EU, das 2017 einseitig von US Präsident Trump suspendiert, von EU u. a. aufrechterhalten wird, dass dieser Skandal an Verschlüsselungstechnik Crypto AG Skandal bis 2018 erinnert, für den CIA, BND, damit Bundeskanzleramt Geheimdienstkoordinator verantwortlich sind, in 157 UNO Staaten durch Verkauf manipulierter Verschlüsselungstechnik Regierungshandeln auszuforschen. 1970 zu Beginn Will Brandts Kanzlerschaft erwarben BND, CIA verdeckt über Siemens AG als Strohmann Schweizer Crypto AG für 25 Millionen Schweizer Franken, lasen verschlüsselten Regierungsfunk-, Schriftverkehr Apartheidsregimes Südafrika, Vorbereitung Militärputsch Brasilien 1964, Griechenland 1967, Chile 1973, Argentinien 1976, Iran, Afghanistan vor 1979 Revolution und danach, ohne diplomatisch auf Menschenrechtsverbrechen, Folter, Ermordung eigener Staatsbürger Elisabeth Käsemann, Daimler Buenos Aires Betriebsräte, 1977 Aufsichtsratsvorsitzender Hanns Martin Schleyer, im Kanzleramt Helmut Schmidt, Außenamt Hans-Dietrich Genscher zu reagieren. Stattdessen belogen AA Staatssekretäre Klaus von Dohnanyi SPD, Hildegard Hamm-Brücher F.D.P. Bundestag, was beide in ARD Doku 2014 zugaben, während Bonn US Präsident Carters Waffenembargo 1 gegen Argentinien unterlief, modernste Telekommunikations-, Waffentechnik dorthin exportiert

    www.youtube.com/watch?v=jagiJ9YAqto

  • Dieser "Kommentar" ist ein journalistischer Offenbarungseid!

  • Volle Zustimmung! Wenn hier etwas unter die Lupe zu nehmen ist, dann die Wirtschaftsprüfer.

  • Einen Sinn macht der Untersuchungsauschuss für mich schon. Einigen Bundestagsabgeordneten wird vor Augen geführt, wo die Schwachstellen in den bisherigen gesetzlichen Regeliungen liegen. Außerdem hat die BaFin aktiv mit Anzeigen gegen die Journalisten der FT die Aufdeckung verhindert. Hier sollte sich Frau Herrmann mal öffentlich zu ihren Kollegen äußern.

  • Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich Ulrike Herrmann verrannt hat. Während sie auf Seite 1 begründet, dass der Untersuchungsausschuss nicht nötig ist, liefert Fynn Kuckuck auf Seite 2 eine Fülle von Gründen, warum ein Untersuchungsausschuss sinnvoll ist.

  • Anderen Quellen zufolge schien die Wirecard-Aktie jedenfalls innerhalb der Bafin bereits 2019 das eigengeschäftliche Interesse von Mitarbeitenden auf sich gezogen zu haben. Wenn das zutrifft, wäre doch zu fragen, warum die Behörde nicht ihrer eigentlichen Aufgabe als Aufsichtsbehörde nicht nachgekommen ist.

    www.faz.net/aktuel...98f8428a94730eba8f

  • "Nicht jeder Skandal rechtfertigt einen Untersuchungsausschuss." Ich frage mich wirklich: Wie kann eine Journalistin sich gegen einen Untersuchungsausschuss einsetzen? Das ist doch verkehrte Welt.

  • Der Untersuchungsausschuss ist nur unnötig, wenn man das Kanzleramt schützen will. Ich frage mich, warum so viele Grüne das wollen...

  • Ein Untersuchungsausschuß wird vermutlich nicht sehr viel bringen, aber zumindest besteht eine kleine Chance, das "nichts gewußt haben" gegen ein "sich nicht mehr erinnern können" auszutauschen.

  • Ulrike Herrmann muss offenbar Rücksicht auf ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz nehmen. Für das Jahr 2021 liegen wohl vage Zusagen vor...

  • Ach was! “Überflüssiges Gremium“

    Aber nur. Wennste ehra Ansicht folgt.



    Halte ich aber weiterhin für zu kurz gegriffen. Das Instrumentarium - (Bundes)finanzminister - ist schlicht nicht ausgereizt worden. Obwohl das angesichts der offenen Erkenntnislage zwingend gewesen wäre •

  • Wer das Beratergeschäft kennt, wundert sich nicht. Ein Audit, dass vom Auditierten bezahlt wird, ist in der Regel eine Gefälligkeitsprüfung, will man den Kunden nicht an die Konkurrenz verlieren. Eingesetzt werden Juniors frisch von der Uni, überstundenwillig und scharf auf Karriere, abgerechnet werden Partner-Tagessätze.



    Wenn neben des Audits noch "Consulting-Dienstleistungen" im Mandat beinhaltet sind, kann man die Firma abschreiben. The "big four" sind eine Plage, die es nicht braucht.

    • @Expat:

      Vielleicht können Sie sich nicht mehr daran erinnern: Die heutigen "Big Four" der Wirtschaftsprüfergesellschaften waren mal die "Big Five", und eine von ihnen, Arthur Andersen, hatte das schöne Mandat, einen US-Bluechip namens "Enron" zu prüfen, der auch so ein ganz klein wenig im großen Stil an seiner Bilanz gedoktert hatte. Seitdem sind es auch nur noch die "Big Four"...

      Wer heute bei einer der verbliebenen WP-Großbuden arbeitet, hat das sicher NICHT vergessen. Insofern dürfte eigentlich mit den Gefälligkeitstestaten spätestens Schluss sein, wenn die "Unschärfe" die Milliardengrenze überschreitet. Wirecard ist also kein "Business as Usual", das man wie selbstverständlich auf korrumpierende Interessenkonflikte zurückführen kann.

  • Insbesondere besteht die Gefahr, dass durch das Betonen der Mitverantwortung der Regierung Geschädigte versuchen, ihre Verluste auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

    Dass es tatsächlich bemitleidenswerte Geschädigte gibt und die Bafin was verschnarcht hat -- auch klar.

    Liebe Aktien-Euphoriker, Gürnes und Kohls dieser Welt, nehmt euch das zu Herzen und vor allem zu Kopf!

  • Das die Bafin Dan McCrum und Stefania Palma immer noch staatsanwaltlich verfolgen läßt, liegt also an Wirtschaftsprüfern?

  • Natürlich ist dieser U-Ausschuß wichtig! Denn die BaFin war selbstverständlich vollumfänglich zuständig und hat diese Pflicht nicht erfüllt. Das löst eine Haftung gegenüber den geschädigten Privatanlegern aus. Aber selbst wenn es stimmte, daß die BaFin nicht zuständig gewesen wäre, hätte sich die BRD eines Organisationsfehlers schuldig gemacht, was genauso eine Haftung der BRD auslösen würde. Denn es ist unter Verfassungsjuristen unstreitig, daß der Staat eine umfassende Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern hat. Bei Verfehlung ist Staats-Haftung gegeben! Natürlich wird diese gesamtschuldnerisch von E&Y und Wirecard-Vorstand gestellt! Derartige Fragen sollten von Juristen und nicht von Historikern bearbeitet werden!!

  • Wenn aber Mitarbeiter*innen der Bafin emsig mitgezockt haben -- und womöglich Insiderwissen hatten?

    Dann wäre es doch so ähnlich wie wenn die Polizei kurz vor dem Ladendiebstahl dem Hehler um die Ecke Geld gepumpt hätte, oder so :-D

    • @tomás zerolo:

      Bringse die Bullerei mal nicht auf falsche Gedanken - wa!

      Oder isses eher 🦉 🦉 nach Athen?



      Who knows?

      kurz - Die BaFin-Leute hatten scheint’s schon entscheidendes begriffen. Newahr.



      Normal

      • @Lowandorder:

        "Bringse die Bullerei mal nicht auf falsche Gedanken ..."

        Auf die Idee, dass das möglich ist wäre ich jetzt gar nicht gekommen...

  • Vor der Bundestagswahl ist ein Untersuchungsausschuss aber eine tolle Bühne. Verspricht lange Aufmerksamkeit für das Thema, macht eine Abgrenzung zur Koalition deutlich.



    Blöd, aber so funktioniert Politik.