Untersuchung zu Polizeispitzeln: Cop Kennedy auf der Spur
Der britische Polizist Mark Kennedy spähte Linke aus – auch in Deutschland. Nun wird sein Fall und der weiterer aufgeflogener Spitzel in London aufgearbeitet.
Acht Jahre bewegte sich der britische Ermittler so durch die linke Szene Europas, bis er 2010 aufflog. Zuvor war er auch in Deutschland: beim G-7-Gipfel in Heiligendamm 2007 oder beim Nato-Gipfel 2009 in Baden-Baden. Er übernachtete bei „befreundeten“ Aktivisten, führte mit einer Berliner Protestlerin eine jahrelange Fernbeziehung.
Auch wenn der Fall Jahre zurückliegt: Frühere Wegbegleiter und die Politik beschäftigt er bis heute. In England setzte das Innenministerium nun einen Sonderermittler ein, den Richter Christopher Pitchford, um die Fälle Mark Kennedys und einer Reihe weiterer enttarnter Undercover-Polizisten aufzuklären. Diese waren auf Umwelt- oder Antirassismusgruppen angesetzt, auf Gewerkschaften oder sogar Labour-Abgeordnete. Am Dienstag stellte Pitchford im Londoner High Court, dem obersten Zivilgericht, sein Arbeitsprogramm vor.
Die Opposition im Bundestag fordert, dass Pitchford auch Kennedys Wirken in Deutschland untersucht. Es bestehe „dringender Bedarf“, dass auch dessen hiesige Aktivitäten und Kontakte geprüft würden, schrieb der Linken-Innenpolitiker Andrej Hunko in einem Brief an den Ermittler. Es gebe „immer noch viele unbeantwortete, parlamentarische Fragen“.
Agent Provocateur
Frühere Wegbegleiter Kennedys vermuten, dass dieser auch als Agent Provocateur tätig war. So versuchte der Undercover-Cop auf einer Demonstration für „autonome Freiräume“, in Berlin 2007 einen Papiercontainer anzuzünden und wurde dafür verhaftet. Das Verfahren wurde eingestellt. Dass Kenndy auch Liebesbeziehungen führte, nannte selbst der damalige BKA-Präsident Jörg Ziercke „aus dem Ruder gelaufen“.
Auch die Grünen fordern weiter Auskunft, was der Spitzel genau in Deutschland trieb. „Der Fall ist bis heute ungeklärt“, sagte deren Innenexperte Christian Ströbele am Dienstag. In wessen Auftrag war Kennedy in Deutschland? Wer wusste davon? „Deutschland gehört in die britische Untersuchung einbezogen“, so Ströbele.
Ermittler Pitchford kündigte dagegen an, nur Fälle in England und Wales zu untersuchen – dafür aber zurückreichend bis in die sechziger Jahre. Seine Ergebnisse will Pitchford in drei Jahren vorlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“