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Ungerechtigkeit in der ElternschaftVatertag ist Protesttag

Was Kindersorge angeht, beteiligen sich Väter immer noch weniger als Mütter. Der Vatertag könnte ein Anlass für Proteste sein.

Väter sollten am Vatertag demonstrieren, statt mit Bier in Polonaisen durch den Wald zu ziehen Foto: Jakob Studnar/imago

A m Donnerstag ist der Tag des Bollerwagens, auch bekannt als Herren- oder Vatertag. Ein „Brauchtum zu Ehren der Väter“, heißt es auf Wikipedia. Leider gibt es da 2024 weder viel zu ehren noch zu feiern. Denn die Mehrheit der Väter beteiligt sich auch heute nicht gleichberechtigt an der Kindersorge. Das mag einerseits oft am mangelnden Willen einiger Männer liegen. Andererseits scheitern diejenigen, die gerne würden, häufig an finanziellen und strukturellen Hürden. Für eine gleichberechtigte Elternschaft braucht es daher dringend politische Veränderungen – und Väter, die diese fordern.

Gute Familienpolitik könnte den Ungleichheiten entgegenwirken. Da gibt es Nachholbedarf

18 Prozent aller Familien in Deutschland sind derzeit alleinerziehend. In 9 von 10 Fällen ist das, dem Bundesfamilienministerium zufolge, die Mutter – das macht 1,33 Millionen alleinerziehende Frauen im letzten Jahr. Der Mikrozensus belegt, dass Alleinerziehende unter allen Haushaltstypen mit Abstand am häufigsten von Armut bedroht. Studien zeigen zudem, dass sie einer besonders hohen gesundheitlichen und psychischen Belastung ausgesetzt und anfälliger für Krankheit sind.

In Partnerschaften sieht es nicht viel besser aus: Im Väterreport, in dem das Familienministerium jährlich die Lebenslagen und Einstellungen von Vätern in Deutschland untersucht, hieß es 2023 irritierenderweise in lobendem Ton, dass mittlerweile jeder zweite Vater gern die Hälfte der Betreuung übernehmen würde. Doch wo das Ministerium den Willen lobt, fehlt scheinbar der Weg: Denn tatsächlich umsetzen tut das, so der Bericht weiter, nur jeder fünfte Mann. Noch immer übernehmen Mütter demnach einen Großteil der Sorgearbeit, gehen deutlich länger in Elternzeit und arbeiten häufiger in Teilzeit.

Die Folgen lassen sich in Zahlen messen: Einer Studie der Bertelsmann Stiftung von 2020 zufolge, verdienen Mütter im Schnitt 40 Prozent weniger als kinderlose Frauen und sind damit, gepaart mit der generellen Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern, von einer doppelten Ungleichheit betroffen. Männer hingegen verzeichnen keinen signifikanten Einkommensverlust, wenn sie Väter werden. Im Vergleich zeigt sich das drastisch: Erst im April belegte eine Studie des Netzwerks EconPol Europe, dass 30-jährige Mütter im Schnitt 70 bis 80 Prozent weniger verdienen als gleichaltrige Väter.

Zutiefst ungerecht

Heterosexuelle Elternschaft ist 2024 noch immer zutiefst ungerecht und führt viele Frauen in die finanzielle Abhängigkeit von ihren Partnern. Was das bedeutet, liegt auf der Hand: Sie können gewalttätige Beziehungen schwieriger verlassen, Lebensentscheidungen weniger frei treffen, kassieren am Ende weniger Rente. Dem Statistischen Bundesamt zufolge liegt die Gender Pension Gap, also der Unterschied zwischen der durchschnittlichen Rente eines Mannes und der einer Frau, derzeit bei rund 40 Prozent.

All das sind Zahlen, die längst anders sein könnten. Denn Familienpolitik könnte diesen gravierenden Ungleichheiten entgegenwirken. Leider gibt es hier einiges Nachholbedarf. Denn auch wenn Maßnahmen wie das Elterngeld dem Familienministerium zufolge explizit keine „klassische Sozialleistung“, sonder„Familienleistung und Gleichstellungsinstrument“ sind, fördern sie derzeit eher eine traditionelle Arbeitsteilung.

Eine der zentralen staatlichen Leistungen für junge Eltern ist das Elterngeld. Es soll Verdienstausfälle in der Zeit nach der Geburt kompensieren und wird am vorherigen Einkommen der Eltern gemessen. Das Konzept wird häufig kritisiert, da es die Versorgungslage der Kinder an das Einkommen der Eltern koppelt, anstatt eine faire Grundsicherung zu schaffen.

Vor allem aber hat sich die Höhe der Zahlung seit der Einführung vor 17 Jahren nicht verändert. Der Mindestsatz liegt unverändert bei 300, der Höchstsatz bei 1.800 Euro. Eine Summe, die insbesondere heute, mit Inflation und Kaufkraftverlust, nicht reicht, um Windeln, Babynahrung, Kleidung und Ausstattung, eben all die zusätzlichen Kosten eines Kindes zu decken.

Eine Frage des Willens

Für viele Familien bedeutet der Wertverlust, dass die Person mit dem höheren Einkommen ihren Job nicht mehr pausieren kann. Schlicht, weil das Geld sonst nicht reicht. In einer Hetero-Partnerschaft ist nach wie vor meist der Vater der Mehrverdiener. Rein finanziell sind also viele Familien, gerade jene, die wenig Elterngeld beziehen, darauf angewiesen, dass der Vater weiter arbeiten geht.

Gutverdienende Familien haben in der Regel durchaus die Kapazität, für die Elternschaft zu sparen oder den Lebensstandard zu senken und sich so durch die Zeit bis zum Kitaplatz zu finanzieren. Bei diesen Haushalten ist die gleichberechtigte Elternzeit längst eine Frage des Willens. Auf der einen Seite gibt es also zu wenig väterliche Bereitschaft, auf der anderen Seite zu wenig Geld oder zu wenig von beidem.

Ein weiteres Problem liegt in der Elternzeit. Eltern eines Neugeborenen können sich gemeinsam maximal 14 Monate nehmen, in denen sie Elterngeld beziehen und Kündigungsschutz haben, davon jedoch nur einen Monat gleichzeitig. Die restlichen müssen sie unter sich aufteilen. Wenn die Mutter also nach sieben Monaten nicht wieder arbeiten gehen will oder nicht kann, etwa weil sie noch stillt, kann der Vater im Anschluss gar nicht mehr die gleiche Elternzeit anhängen.

Jedes fünfte Kind von Armut betroffen

Wer mehr Zeit will, muss sie selbst finanzieren. Und so nahmen Frauen, dem Väterreport zufolge, 2022 durchschnittlich 14,6 Monate Elternzeit, Männer nur 3,6 Monate – von den 44 Prozent, die sie überhaupt in Anspruch nahmen.

Elterngeld und Elternzeit sind wichtige Hebel. Um eine tatsächliche Gleichberechtigung von Eltern zu erreichen, bräuchte es aber eine ganze Reihe politischer Maßnahmen: Berufe mit hohem Frauenanteil dürfen nicht mehr systematisch abgewertet werden.

Es braucht eine bessere Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit, etwa Löhne, die auch in Teilzeit zum Leben und für die Altersvorsorge reichen, zudem mehr Kitaplätze, mehr bezahlbaren Wohnraum und eine gut umgesetzte Kindergrundsicherung. Und es gilt, die Vermögens- und Einkommensschere zu hinterfragen, die dafür sorgt, dass jedes fünfte Kind von Armut betroffen ist.

Es gibt konkrete Maßnahmen, die etappenweise Verbesserungen schaffen. Diese Änderungen kommen jedoch nicht von allein – sie müssen gefordert werden. Besonders all jene Männer, die gern mehr Vater wären, als sie es sind, sind hier in der Pflicht. Für politische Änderungen muss man laut werden. Der Vatertag wäre dafür doch mal ein guter Anlass.

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