Unabhängigkeitsreferendum in Schottland: Umfragemehrheit für ein „Yes“
Erstmals hat sich in einer Umfrage unter den Schotten eine knappe Mehrheit für eine Abspaltung von Großbritannien ausgesprochen. Nun ist auch die Königin besorgt.
LONDON/EDINBURGH dpa | Kurz vor dem Unabhängigkeitsreferendum in Schottland könnte die Stimmung kippen: Erstmals hat sich in einer Umfrage eine knappe Mehrheit für die Abspaltung ausgesprochen. 51 Prozent der Schotten wollen sich laut Meinungsforschungsinstitut YouGov von Großbritannien lösen, 49 Prozent möchten die Union mit England, Wales und Nordirland beibehalten. Das berichtete die britische Times am Sonntag, die die Umfrage in Auftrag gegeben hatte. Die Schotten stimmen am 18. September darüber ab, ob sie unabhängig vom Vereinigten Königreich werden wollen.
In der jüngsten Umfrage wurden die Befragten, die sich noch nicht entschieden haben, nicht mitgerechnet. Zählt man sie dazu, unterstützen 47 Prozent die Unabhängigkeit, 45 Prozent wollen die Union erhalten. „Diese Befragung kann und muss ein Weckruf sein für alle, die dachten, das Ergebnis des Referendum stehe schon fest“, kommentiert die Kampagne "Better together" (Besser zusammen) den Bericht.
Im August hatte die Unabhängigkeitsbewegung viele Stimmen hinzugewonnen. In einer zweiten Umfrage lagen die Unionisten aber weiterhin knapp vorn. 52 Prozent wollten zu Großbritannien gehören, 48 Prozent lieber eigenständig sein, wie das Meinungsforschungsinstitut Panelbase im Auftrag der „Yes“-Kampagne ermittelte, die für die Unabhängigkeit wirbt. Sollte mehr als die Hälfte der Schotten mit „Ja“ stimmen, würde das Land im Frühjahr 2016 unabhängig.
Der Times zufolge macht sich die britische Königin Elizabeth II. inzwischen Sorgen über eine drohende Verfassungskrise und will täglich auf dem Laufenden gehalten werden. Offiziell ist der Palast neutral, die Zeitung beruft sich auf hochrangige Beamte. Großbritanniens Premierminister David Cameron wollte am Sonntag zu schottischen Residenz der Queen fahren, wo sie sich traditionell im Sommer aufhält. Am Wahlkampf werde er sich am Wochenende nicht beteiligen, teilte der Regierungssitz in der Londoner Downing Street mit. Camerons konservative Partei hat in Schottland wenig Rückhalt.
Die Times kommentiert: „Es bleiben noch elf Tage, um die Union (zwischen Schottland, England, Wales und Nordirland) zu retten. Die Tendenz zum „Ja“ verstärkt sich eindeutig, doch das Ergebnis könnte auf des Messers Schneide stehen. Es war ein Fehler, die Frage einer größeren Autonomie für Schottland nicht zum Referendum hinzuzufügen. Mehr Autonomie ist das, was die meisten Wähler wünschen. Es war auch ein Fehler, nicht deutlicher zu erklären, was Schottland bei Ablehnung der Unabhängigkeit gewinnen würde. Viele Schotten würden statt für Unabhängigkeit für eine Dezentralisierung stimmen, müssen jedoch überzeugt werden. Die Parteien in Westminster müssen sich über die zukünftige Finanzhoheit Schottlands einigen, und dies klar erläutern. Dies könnte ihre letzte Chance sein.“
Leser*innenkommentare
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Gast
Ein unabhäniges Schottland, ein unabhängiges Wales und ein wiedervereintes Irland ist eine zwingende Voraussetzung für ein vereintes Europa in Form einer Konföderation. Die britisch-englische Unterdrückung seiner Nachbarstaaten muss erst ein Ende haben, bevor der Einigungsprozess von freien Völkern in Europa abgeschlossen werden kann.
Gerald Müller
Die Schotten sagen nicht 'yes', sondern 'aye'
Maharishi
Die schottische Unabhänigkeitsbewegung hat ihre Wurzeln in der neoliberalen Wirtschaftspolitik von Margaret Thatcher in den 1980er-Jahren, als halb Großbritanien "reformiert", besser formuliert: deindustrialisiert wurde, die soziale Absicherung der Menschen in den Keller gefahren wurde, eine hauchdünne Besitzoberschicht mitsamt der Londoner Bankercity immer reicher und die Massen der Durchschnittsbürger immer ärmer wurden.
Schottland war neben den mittelenglischen Industrierevieren die hauptsächlich darunter leidende Region.
Das hat die Schotten auf die Palme gebracht und die Frage aufgeworfen; was bringt uns diese Partnerschaft mit England eigentlich noch ?
Man erinnerte sich daran, dass die Engländer durch die Geschichte hindurch immer nur dann ins schottische Land kamen, wenn es dort was zu erobern, auszubeuten oder plattzumachen gab, ähnlich den seinerzeitigen "englischen Interessen" in Irland.
Mithin kriegt das neoliberale England jetzt die Quittung für den Mist präsentiert, den sie gebaut haben.
Nur, was die Schotten jetzt vor sich haben, die Durchsetzung der Unabhängigkeit, das haben die Iren (außer Nordirland) längst hinter sich und mit England will auf der irischen Insel niemand wirklich mehr was zu tun haben.
Ich kann den Schotten nur Glück wünschen und würde als Schotte auch mit "Yes" stimmen.
Jean Noire
Ich frage mich ernsthaft, was diese Kleinstaaterei soll... Es mag im Falle Schottlands friedlich ablaufen, gut ist es meiner Ansicht nach nicht, wenn das Prinzip Schule macht. Demnächst sind Bayern und Sachsen dran....
D.J.
Gast
@Jean Noire Die Sachsen hätten keinerlei Vorteile. Was Bayern betrifft, wäre es ein Problem für D, nicht für Bayern (da die Bayern ja in der EU blieben, wo sollte der Nachteil für Bayern sein?). Übrigens gibt es viele EU-Mitglieder, die weniger Einwohner als Schottland oder Bayern haben.
Age Krüger
Sie sollten nicht jeden Propagandakram aus Bayern glauben.
Da Bayern kaum eigene Energiequellen hat (die weigern sich ja, Windräder dort zu bauen) wäre die bayerische Industrie sehr schnell auf Energieimporte aus Norddeutschland angewiesen.
Problem ist eher, dass die Norddeutschen ihre Energie lieber multinationalen Konzernen verkaufen anstatt die daraus resultierenden Gewinne der dortigen Bevölkerung zukommen lassen.
D.J.
Gast
@Age Krüger Und wo ist innerhalb eines Binnenmarktes der Unterschied zwischen Lieferungen aus Niedersachsen, das Inland, und Niedersachsen, das Ausland wäre?
D.J.
Gast
P.S.: Habe übrigens gerade mit Verwunderung festgestellt, dass Bayern wesentlich mehr Anlagen hat als BW und nur unwesentlich weniger als Hessen:
http://www.foederal-erneuerbar.de/landesinfo/bundesland/BY/kategorie/wind/auswahl/188-anzahl_windenergiean/#goto_188
Dass es im Norden wesentlich mehr gibt, liegt in der Natur der Sache.
D.J.
Gast
So what? Könnte ein Vorbild sein, wie sich Selbstbestimmungsrecht in einer völkerrechtlich einwandfreien Form arikulieren kann.
Nicht mal der Name "U.K." ändert sich. Nur dass es nun das "Vereinigte Kgr. von England und Nordirland" wäre (U.K. bezog sich auf die britisch-irische Realunion von 1801, nicht auf die englisch-schottische von 1707). Nur "Großbritannien" wird es nicht mehr geben. Frage wäre, ob die Flagge des U.K. sich ändert. Eigentlich dürfte nur das englische Kreuz pus das ebenfalls rote irische Andreaskreuz auf weißem Grund übrig bleiben. Gewöhnungsbedürftig. Mich wundert nur, dass es kaum eine Diskussion über die schottische Krone, die ja bei Windsor beleiben soll, gab. Genügend Stuart-Nachfahren gibt es ja (der nächste lustigerweise übrigens der Chef des Hauses Bayern). Aber genug getrascht...