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Unabhängigkeitsbewegungen in EuropaEdinburgh und Glasgow sagen „Si“

Schottische Separatisten erhoffen sich von Katalonien Auftrieb für die eigene Unabhängigkeit. Ihre Solidarität ärgert Spaniens Regierung.

Solidarität mit Katalonien auf einem Parteitag der Schottischen Nationalpartei Foto: dpa

Dublin taz | Die Senyeras, die katalanischen Flaggen, hängen noch an vielen Fenstern in Edinburgh und Glasgow. Auf der Straße trägt mancher eine „Si“-Anstecknadel. Meist sind es die Anhänger der Scottish National Party (SNP), der Partei der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon. Sie bekunden ihre Solidarität mit den Katalanen, weil sie sich Auftrieb für die Unabhängigkeit ihres eigenen Landes erhoffen.

2014 hatten die Schotten selbst über die Unabhängigkeit Schottlands abgestimmt – und sich mit 45 zu 55 Prozent dagegen entschieden. Der damalige britische Premierminister David Cameron war den Schotten damals allerdings entgegengekommen: Sie bekamen ihr Referendum, konnten das Datum wählen und durften den Abstimmungstext formulieren. Camerons Rechnung ging auf, auch wenn die Unionisten bis zum Schluss zittern mussten.

Schottische Unabhängigkeitsbefürworter beobachten nun genau, was in Spaniens Nordosten passiert. Zwischen der SNP und der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung gibt es enge Verbindungen. Hunderte Schotten reisten zum Referendum nach Barcelona und waren kaum zu übersehen mit ihren Sal­tires, wie die blaue schottische Fahne mit dem weißen diagonalen Kreuz heißt. Die SNP-Veteranin Tricia Marwick sprach auf der Demo am Tag vor dem Referendum, der frühere schottische Premierminister Alex Salmond wurde im katalanischen Fernsehen interviewt.

Der Regierung in Madrid platzte schließlich der Kragen. Ein Sprecher des Außenministeriums wetterte: „Es ist schwer zu verstehen, wie schottische Na­tio­nalisten nach Barcelona kommen und ihre Unterstützung für einen illegalen Akt zeigen können, der nicht nur die Rechte des größeren Teils der katalonischen Gesellschaft mit Füßen tritt, sondern auch die Verfassung einer europäischen Demokratie wie Spanien verletzt.“

Catalan Defence Committee Scotland

Der Zwist zwischen der SNP und der Regierung in Madrid geht schon auf das schottische Referendum zurück. Premierminister Mariano Rajoy warnte damals, dass ein Ja zur Unabhängigkeit den Ausschluss Schottlands aus der EU nach sich ziehen würde. Er befürchtete, dass ein Erfolg der SNP beim Volksentscheid den katalonischen Separatisten Schwung verleihen könnte.

Den umgekehrten Effekt erhoffen sich nun Schottlands Separatisten – neben der SNP sind das Organisationen wie die linke Radical Independence Campaign (RIC). Kürzlich gründete sich in Edinburgh das Catalan Defence Committee Scotland. Dem gehören etwa der prominente Menschenrechtsanwalt Aamer Anwar an und die Ko-Chefin der schottischen Grünen, Maggie Chapman. Das Komitee will das schottische Parlament dazu bewegen, „alles zu unternehmen, das in ihrer Macht steht“, um die Bürgerrechte der Katalanen zu schützen.

Die Argumente für die Unabhängigkeit sind nach dem Brexit größer als je zuvor

Nicola Sturgeon

Das zweite Standbein der Kampagne für ein neues schottisches Referendum ist der Brexit. „Die Argumente für die Unabhängigkeit sind nach dem Brexit größer als je zuvor“, sagte Sturgeon neulich. Die Wähler sind jedoch offenbar nicht dieser Meinung. Bei den Unterhauswahlen im Juni verlor die SNP immerhin 21 ihrer 56 Abgeordneten.

Dennoch will Sturgeon Ende nächsten Jahres einen Termin für einen neuen Volksentscheid ansetzen. „Das Plädoyer für die Unabhängigkeit hängt nicht allein vom Brexit ab“, sagte sie. „Aber der Brexit macht deutlich, was passieren kann, wenn wir keine Kontrolle über unsere eigene Zukunft haben.“

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5 Kommentare

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  • Das Entscheidende ist die EU- Zugehörigkeit. In der EU, mit starken europäischen Institutionen und mit einem umfassenden europäischen Finanzausgleich wäre es ziemlich egal in welchen Einheiten sich die jetzigen Staaten organisieren. Davon sind wir zur Zeit leider weit entfernt. Ein unabhängiges Katalonien ist aber auch außerhalb der jetzigen EU nicht lebensfähig. Zoll, Finanzverwaltung, Sicherheitsbehörden, eigene Währung wie soll das gehen? Die Katalonen würden von einer fragwürdigen Mehrheit aus dem Wohlstand den die EU sichert vertrieben und das Land zum Spielball starker Wirtschaftsmächte werden. Lohn-, Sozial- und Umweltdumping wären die Folge. Den Schotten übrigens geht es genau anders herum. Hier erfolgt die Vertreibung aus dem "Paradies" durch den Staat und die Unabhängigkeitsbestrebungen erhalten so neue Nahrung. Die gibt es natürlich auch so schon und sie sind auch nicht besser als die katalonische Unabhängigkeitsromantik aber mit dem Brexit gibt es ein echtes Argument.

  • Ist es verwerfenswert, wenn ein Volk in seiner deutlichen Mehrheit nicht mehr in einem ihm fremden Staat sein will. Wenn sich die Bürger nicht mehr wertgeschätzt fühlen, wenn sie sich ausgebeutet fühlen, wenn sie von der Unterdrückung in der Vergangenheit verletzt sind? Stellen wir uns einmal vor, in Russland würden wieder menschen- und völkerrechtliche Verhältnisse herrschen. Und die Bürger der Krim wollten wieder zur Ukraine gehören. Würden wir ein solches 'abspalterisches' Verhalten auch verurteilen -so wie es die EU (oder Kommentatore hier) tun? Wenn Irgendwo Zentralismus herrscht, wenn Regierungen oder Verwaltungen aus der Ferne gegen Landesteile andauernd Entscheidungen treffen, dann werden Trends zur Abspaltung auftreten.

  • Kleinstaaterei wie im Mittelalter...

    • @Hartz:

      Nein, die Zeit ist weiter gegangen. Wir sind nicht mehr im Mittelalter mit seinen Königen und Fürsten. Derzeit hat es für mich eher den Anschein als wären es manche der großen Nationalstaaten die keine zeitgemäße Transformation für ihre internen Konflikte zustande bekommen die Dinosaurier im Laden. Spaniens Verfassung mit dem Gummiparagraphen 155 ist ein Produkt der Machtverhältisse nach der Diktatur. Die Schweiz oder Canada schaffen das auch, mehrere Kulturnationen unter einem staatlichen Dach zu integrieren. Sie halten aber auch nicht - wie die PP - zwanghaft an einem faschistischen Erbe fest.

      Im Rahmen einer demokratischeren EU wäre es sowieso sehr egal, wie viele kleine oder große autonome demokratische Republiken es gibt. Die Entstehung neuer Staaten mit modernen demokratischen Verfassungen die sich gleichzeitig klar zu Europa bekennen wird wertvolle Impulse für Europa bringen.

  • 2G
    2830 (Profil gelöscht)

    Sind Schotten Separatisten, weil sie in der EU bleiben wollen? Spanien will nicht raus, GB schon. Das Interesse ist sich nicht vom Nachbarn voschreiben zu lassen wo es hingeht. Diese Bestrebung gibt es in und außerhalb der EU. Fazit: Menschen wollen gemeinsam, wenn es Vorteile bringt, ansonsten mag man sich nicht.