Umgang mit der AfD: Arbeitsgruppe zur Entwaffnung soll „zügig“ kommen
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Umgang mit AfD-Beamt*innen kommt schneller als erwartet. Innenminister Dobrindt dachte, es würde länger dauern.

Unklar ist jedoch noch der genaue Zeitpunkt, wann die Gruppe ihre Arbeit aufnimmt. Zuletzt hatten Äußerungen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) Zweifel daran laut werden lassen, ob die Gruppe bereits zeitnah ihre Arbeit aufnehmen soll. Dobrindt sagte bei der Abschlusspressekonferenz, dass dies erst nach dem Gerichtsurteil zur Einstufung der AfD geschehen solle – und das könnte durchaus noch über ein Jahr dauern.
Eine Abfrage der taz in den verschiedenen Innenbehörden der Länder zeigt nun, dass die Innenminister*innen überwiegend davon ausgehen, dass die vereinbarte Gruppe „zeitnah“ eingerichtet werde – und nicht erst nach dem Urteil zur AfD-Einstufung. Selbst in Dobrindts CSU sieht man das so. So sagte Bayerns Innenminister Joachim Hermann der taz: „Wir haben im Kreise der Innenminister von Bund und Ländern vereinbart, zügig eine Arbeitsgruppe einzurichten.“
Auch in Bremen, dem Bundesland, das der Innenministerkonferenz derzeit vorsitzt und damit für die Ausrichtung der Bund-Länder-Gruppe zuständig ist, sieht man da so. Dort heißt es auf die Frage, ob die Gruppe vor einem möglichen Urteil eingerichtet werden soll, dass sich alle Minister*innen einschließlich Dobrindt darauf geeinigt hätten, „in Kürze“ eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten. Hamburg will die Arbeitsgruppe ebenfalls „schon jetzt sehr zeitnah“ und vor dem möglichen Urteil – damit man auf den Fall vorbereitet ist, „wenn die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem gerichtlich bestätigt wird“.
„Antworten müssen auf den Tisch“
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wird noch deutlicher: „Wenn das Gericht die Einstufung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bestätigt, müssen die Antworten auf diese Fragen aus unserer Sicht bereits auf dem Tisch liegen“, sagte sie.
Auch der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) würde es „begrüßen“, wenn die Arbeitsgruppe „schneller“ zusammenkomme, spricht aber auch davon, dass es auf der Innenministerkonferenz einen Kompromiss gegeben habe, „bis nach dem Urteil mit der Etablierung der Arbeitsgruppe zu warten“.
Das Bundesinnenministerium verweist auf taz-Anfrage auf den schwammigen IMK-Beschluss, der den Zeitpunkt offen lässt: „Wir richten eine Arbeitsgruppe ein, die für den Fall, dass die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem gerichtlich bestätigt wird, eine gemeinsame Bewertung von Bund und Ländern entwickeln soll“.
Konkrete Rückfragen zum Zeitpunkt lässt das BMI unbeantwortet. Vermutlich liegt die Zurückhaltung zum Termin auch an der Stillhaltezusage des Verfassungsschutzes gegenüber die AfD. Die extrem rechte Partei klagt gegen die Einstufung, weswegen die Einstufung zunächst bis zu einem Urteil auf Eis liegt.
Grüne fordern Tempo
Auch mit Blick auf Konsequenzen für Beamt*innen und Waffenbesitzer*innen fordern die Grünen wiederum ein schnelleres Vorgehen: Der Innenpolitiker Marcel Emmerich sagte der taz, dass es schon „unabhängig von der Frage der Hochstufung Handlungsbedarf“ gebe: Bund und Länder seien schon heute gefordert, dass Rechtsextremisten und AfD-Mitglieder keinen Zugang zu Waffen und sensiblen Sicherheitsinformationen haben sowie aus dem Staatsdienst fernzuhalten sind, so Emmerich: „Es darf keine Arbeitsgruppe im Konjunktiv geben, sondern im Handlungsmodus.“ Dobrindt sollte sich hier nicht querstellen, sondern als Bundesinnenminister Speerspitze der Bewegung sein, forderte Emmerich.
Der grüne Rechtspolitiker Helge Limburg forderte darüber hinaus auch eine föderale Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Verbotsverfahrens: „Die Rechtslage gibt es her, AfD-Funktionäre aus dem Staatsdienst zu entfernen und ihnen den Besitz von Waffen und Sprengstoff zu untersagen.“ Das könne aber nur ein erster Schritt sein: „Deshalb müssen die Innenminister eine Arbeitsgruppe einsetzen, um ein Verbotsverfahren vorzubereiten“, fordert Limburg.
Tatsächlich wäre eine Vernachlässigung vor allem mit Blick auf das Gefahrenpotential fahrlässig: Politiker*innen und Mitglieder der extrem rechten Partei werden überproportional häufig gewalttätig. Mitglieder und Funktionär*innen stehen immer wieder unter Terrorverdacht oder sind sogar wegen geplanten mutmaßlichen Umsturzplänen angeklagt.
Gleichzeitig verfügen AfD-Mitglieder über ein erhebliches Waffenarsenal: Allein in Thüringen besitzen 34 AfD-Mitglieder 154 Kurz- und Langwaffen. In Sachsen-Anhalt besitzen 274 AfD-Mitglieder insgesamt über 330 Schusswaffen. Dort, wo die AfD schon seit 2023 als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft ist, prüfen die Behörden bereits den Widerruf von 122 waffenrechtlichen Erlaubnissen – also bei rund der Hälfte der ihnen bekannten Waffenbesitzer*innen mit AfD-Parteibuch.
Zum AfD-Verbot keine Arbeitsgruppe
Nach Recherchen der taz fanden die Innenminister*innen zur möglichen Vorbereitung oder auch nur Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD keine gemeinsame Linie. Die Union ist gegen ein Verbot, aber auch viele SPD-Minister*innen sind demnach skeptisch. Zuletzt hatten die Grünen gefordert, in den Sicherheitsbehörden ein Verbotsverfahren vorzubereiten. Auch die Linkspartei fordert, es auf den Weg zu bringen. In der SPD mehren sich ebenfalls die Stimmen dafür.
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