Umgang mit Bremer Autoposer*innen: Mehr als Lärm und Tempo
Autoposer*innen und Raser*innen sind laut und gefährlich. Und eine unangenehme Konfrontation mit der Macht der Autos und dem Patriarchat.
D as Problem mit Autoposer*innen ist ihr Krach und ihre Geschwindigkeit. Beides ist gefährlich, im Einzelfall tödlich. Aber es ist noch mehr: Für Betroffene, also zufällig daneben Stehende, die extrem grenzüberschreitend vollgeröhrt werden, ist es die Konfrontation mit der Übermacht der Autos. Und ihrer Industrie, ihrer Rolle im Straßenverkehr und beim Klimawandel. In allen drei Kontexten brettern sie, im zweiten Fall sogar wortwörtlich, stinkend über die Bedürfnisse anderer Menschen.
In vielen Fällen – die Poser*innen sind ja doch mehrheitlich Poser – ist das Phänomen zudem eine sehr unangenehme Konfrontation mit dem männlichen Geschlecht. Auch hier lässt sich von einer Übermacht sprechen, in vielen Bereichen der Gesellschaft existiert sie schlicht immer noch. Wobei klar ist: Beim Autoposen ist diese Macht ob ihrer Peinlichkeit nur noch eine vermeintliche. Unangenehm ist das patriarchale Getöse trotzdem, vor allem gepaart mit weiterem Macho-Gehabe.
Natürlich gibt es darüber selten Bürger*innenbeschwerden! Wenn jemand sich an der Ampel irgendwie unwohl fühlt, belästigt, vielleicht sogar gefährdet – aber eben ohne beweisbaren Grund: Wie würden die Beamt*innen bei so einem Anruf wohl reagieren?
Um Beschwerden eine bessere Grundlage zu geben und den Autoposer*innen zu zeigen, dass ihr Handeln falsch ist, braucht es dringend andere rechtliche Grundlagen: Niedrigere Grenzwerte für Lärm, strengere Auflagen fürs Tuning. Der Senat muss sich auf Bundesebene für die entsprechenden Änderungen einsetzen. In Bremen muss er Lärmblitzer aufstellen und viel mehr kontrollieren.
Das Auto als Safe Space in der Pandemie
Vor allem aber muss er die Debatte verändern: Der Verweis auf fehlende Beschwerden und Städte, in denen es noch schlimmer ist, sind völlig fehl am Platz. Und natürlich sind „verkehrserzieherische Gespräche“ kein sinnvoller Lösungsansatz. Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird das Problem vermutlich sogar noch größer. Denn das Auto ist in den letzten eineinhalb Jahren der Pandemie zu einem neuen Safe Space geworden, mit dem man virenfrei und zugleich super cool zur Partymeile kommt.
Um das Problem ernster zu nehmen, als es der Senat gerade tut, braucht es nicht erst mehr messbare Verstöße, mehr Unfälle oder gar Verletzte. Ein nächtlicher Gang durch die City reicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles