Ukraine-Gate und die USA: Im Strudel des Skandals
Die Trump-Biden-Affäre wird dem Image der Ukraine im Hinblick auf Korruption massiv schaden. Das fürchten Beobachter in Kiew.
Zwei Dinge hatte Trump im Juli am Telefon von seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski im Gegenzug für US-Militärhilfe verlangt: Die Ukraine solle sich zu Vorwürfen einer ukrainischen Einmischung in die US-Wahlen von 2016 bekennen, und sie solle gegen die ukrainische Burisma Holding ermitteln, in deren Aufsichtsrat Hunter Biden saß – Sohn des damaligen demokratischen US-Vizepräsidenten Joe Biden.
Besonders interessant ist für Serhiy Sidorenko, Redakteur der Ukrainska Prawda, die Rolle von Juri Luzenko, Generalstaatsanwalt der Ukraine von 2016 bis 2019. Er habe Trumps negatives Ukraine-Bild mitgeprägt, so Sidorenko: Bei einem US-Aufenthalt Anfang 2019 habe Luzenko über eine ukrainische Einmischung in die US-Wahlen von 2016 auf Seiten der US-Demokraten gesprochen. Im September hatte dann Rudy Giuliani, Trumps Anwalt und Vertrauter, getwittert, dass er Beweise für diese Einmischung habe.
Für Alexander Demtschenko vom Portal lb.ua kommt das einer Diskreditierung der Ukraine gleich. Damit, so Demtschenko, stelle man die Ukraine mit Russland auf eine Stufe. Und Trump gilt als nachtragend und dürfte kaum vergessen haben, dass sich der frühere ukrainische Präsident Petro Poroschenko vor den US-Wahlen 2016 demonstrativ mit Politikern der US-Demokraten getroffen hatte.
Im Licht der Öffentlichkeit
Mit seinem Begehren, Präsident Selenski solle Ermittlungen gegen die Burisma Holding anstoßen, ist Trump allerdings gescheitert. Doch die Burisma steht nun wieder im Licht der Öffentlichkeit.
Im Aufsichtsrat dieser Firma hatte Hunter Biden von 2014 bis April 2019 einen lukrativen Job. Hunter Bidens Vater Joe Biden gestaltete in diesem Zeitraum als Vizepräsident der USA die Ukraine-Politik der US-Regierung – eine klare Verflechtung von Politik und Wirtschaft.
Burisma, eines der größten privaten ukrainischen Gasunternehmen, gehört Mykola Slotschewski, Umweltminister unter dem 2014 gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Als Minister vergab Slotschewski Lizenzen zur Erschließung von Gasfeldern an die eigene Firma.
Der Skandal geht weiter. Zwischen 2014 und 2016, so berichtete am Dienstag der ukrainische Abgeordnete Andrej Derkatsch, habe Hunter Biden von Burisma 871.000 Dollar erhalten. In diesem Zeitraum hätten Lettlands Finanzbehörden der Generalstaatsanwaltschaft und staatlichen Finanzaufsicht der Ukraine Unterlagen übermittelt, die eine Verwicklung von Hunter Biden in Korruptionsgeschäfte nahelegten.
Just als der damalige ukrainische Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin in dieser Angelegenheit aktiv wurde, traf 2016 US-Vizepräsident Biden in Kiew ein und drohte, einen zugesagten Kredit von einer Milliarde Dollar zu verweigern, wenn die Ukraine nicht seiner Forderung nach Entlassung Schokins nachkäme. Im Januar 2018 gab Biden in Washington diese Erpressung zu.
Die Affären treffen also beide politischen Lager in den USA – aber den Imageschaden hat die Ukraine zu tragen. Denn nun schwinde in den USA die Akzeptanz für Hilfen an Kiew, so der US-Politologe Jason Smart gegenüber dem ukrainischen Internetportal Segodnya. Die Ukraine gegen Russland zu verteidigen – das könne man verstehen. Nicht aber, dass die Ukraine aus unlauteren Gründen Geld bekäme. Und am Ende werde Trump mit der Aussage, die Ukraine sei korrupt, in den Wahlkampf 2020 ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste