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Überfälliger DenkmalssturzEin Profiteur der Nazis

Ludwig Erhard wird bis heute gefeiert – dabei hat er eng mit Gauleitern und NS-Behörden kooperiert. Und bestens daran verdient.

Die Zigarre als Symbol des Wirtschaftswunders. Ludwig Erhard war aber schon vor 1945 gut im Geschäft Foto: dpa

Berlin taz | Die Nachkriegszeit hat ein Gesicht: Ludwig Erhard. Vor siebzig Jahren wurde die erste Bundesregierung vereidigt und vor allem ihr Wirtschaftsminister ist unvergessen. In Deutschland sind Straßen, Festsäle und Schulen nach Erhard benannt. Erhard bediente, wonach sich viele Westdeutsche sehnten: Er inszenierte sich als politikferner „Professor“, der über den Parteien stand. Zugleich suggerierte Erhard, dass er zu NS-Zeiten eine Art Widerstandskämpfer gewesen sei. Doch diese Legenden sind falsch. Erhard war ein Profiteur des NS-Regimes und hat hochbezahlte Gutachten für Gauleiter und Himmler-Behörden verfasst.

Erhards NS-Vergangenheit ist historisch bestens dokumentiert, wird aber bis heute tatkräftig verschwiegen. Das neue Ludwig-Erhard-Museum in Fürth behauptet etwa, dass er die NS-Diktatur „in einer Art Nische“ überstanden hätte. Dieser ungebrochene Erhard-Kult zeigt beispielhaft, dass die Deutschen die NS-Vergangenheit noch immer nicht vollständig aufgearbeitet haben.

Das Buch

Gekürzter Auszug aus: Ulrike Herrmann: „Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen“, Westend Verlag, September 2019

Erhard hat die meisten seiner Lügen wahrscheinlich selbst geglaubt, denn sie halfen ihm, schwere Niederlagen zu verbrämen. Dies begann bereits mit seiner Habilitation. Später hat Erhard behauptet, er hätte auf eine „akademische Laufbahn verzichten“ müssen, weil er kein Nazi gewesen sei. Dem italienischen Premier Aldo Moro erzählte Erhard beispielsweise, er sei zu Hitlers Zeiten „verfemt und geächtet“ gewesen und habe „seine Professorentätigkeit nicht ausüben dürfen“.

Die Wahrheit ist weniger schmeichelhaft: Erhards Habilitation scheiterte nicht am NS-Regime, sondern an seiner eigenen Unfähigkeit. Er brachte zwar 141 Seiten zu Papier, aber der Inhalt war so dürftig, dass Erhard das Werk lieber nicht einreichte. Die NSDAP war jedenfalls nicht schuld, dass Erhard nicht zum Professor aufrückte. Nürnbergs NS-Bürgermeister Eickemeyer wollte ihn sogar ohne Habilitation mit dem Titel ehren, stieß jedoch auf den Widerstand des standesbewussten bayerischen Kultusministeriums: Es fehle „ein umfangreiches wissenschaftliches Werk“, wurde aus München beschieden.

Ludwig Erhard – Kontakte, Karriere, Kanzleramt

Herkunft Ludwig Erhard wird am 4. Februar 1897 in Fürth geboren. Die Eltern betreiben ein Fachgeschäft für Weißwäsche. Nach der Realschule absolviert Erhard eine Lehre in einer Textilhandlung in Nürnberg. Im Ersten Weltkrieg wird er so schwer verletzt, dass eine Kriegsbeschädigung zurückbleibt. Um die Genesung zu überbrücken, schreibt sich Erhard an der neu gegründeten Handelshochschule in Nürnberg ein, die kein Abitur verlangte.

Unternehmer 1925 promoviert Erhard in Frankfurt/Main beim Nationalökonomen Franz Oppenheimer, der an einer postmarxistischen Arbeitswertlehre forscht. Anschließend steigt Erhard als kaufmännischer Leiter beim Vater ein, kann aber die Pleite des Familienunternehmens nicht verhindern. 1928 wird er wissenschaftlicher Assistent beim Nürnberger Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware, das Marktforschung betreibt. 1933 rückt Erhard in die Geschäftsleitung auf – und knüpft vielfältige Kontakte zum NS-Regime.

Wirtschaftsminister Im Oktober 1945 macht die amerikanische Militärregierung Erhard zum bayerischen Wirtschaftsminister. Während seiner Amtszeit verschwinden Rohstoffe im Wert von mehreren Millionen Reichsmark. Der erste parlamentarische Untersuchungsausschuss in der westdeutschen Geschichte konstituiert sich und spricht Erhard zwar frei, stellt aber fest, dass er sich als Minister nicht eignen würde. Im März 1948 steigt Erhard zum Wirtschaftsdirektor der Bi-Zone auf. Mit der Währungsreform am 20. Juni 1948 hat er nichts zu tun; Konzept und Durchführung liegt bei den Amerikanern. Erhard gibt allerdings die meisten Preise frei, was zu einer starken Inflation führt, die vor allem Arme trifft. Nach der ersten Bundestagswahl beruft Konrad Adenauer Erhard am 20. September 1949 als Wirtschaftsminister in sein Kabinett.

Kanzler Am 16. Oktober 1963 wird Erhard Nachfolger von Adenauer als Bundeskanzler. 1965 fährt er mit 47,6 Prozent für die Union einen Wahlsieg ein. Bald darauf schwächt sich das Wachstum jedoch ab. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Union fürchtet um ihre Mehrheit und zwingt Erhard am 1. Dezember 1966 zum Rücktritt. Bis zu seinem Tod am 5. Mai 1977 gehört Erhard dem Bundestag an.

Quellen

Bundesarchiv, R 49/893. Christian Gerlach: „Ludwig Erhard und die „Wirtschaft des neuen deutschen Ostraums“ (Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik). Volker Hentschel: „Ludwig Erhard. Ein Politikerleben“. Jürgen Lillteicher: „Raub, Recht und Restitution“. Karl Heinz Roth: „Das Ende eines Mythos“ (Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts). Clemens Wachter: „Ludwig Erhard als Wissenschaftler und Dozent“ (Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg).

Erhard war damals Geschäftsführer beim Nürnberger Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware, das eigentlich Marktforschung betrieb. Aber ab 1938 tat sich ein neues Thema auf, weil sich das Hitler-Reich Gebiete einverleibte – ob Österreich, das „Sudetenland“, das „Protektorat Böhmen und Mähren“, Lothringen oder das „Warthegau“: Es gab kaum ein Gebiet, über das Erhard keine Studie erstellte.

Aufträge von Gauleiter Bürckel

Besonders eng arbeitete Erhard mit Josef Bürckel zusammen, der erst Gauleiter in Wien und dann in Lothringen war. Zwei Expertisen stechen heraus: Anfang 1942 sollte Erhard die „Gesichtspunkte“ untersuchen, die bei der „Verwertung des volksfeindlichen Vermögens zu beachten“ seien. Damit war das Eigentum von deportierten Juden und missliebigen französischen Politikern gemeint.

Auch die zweite Expertise hatte mit diesem Themenkomplex zu tun: In den enteigneten Betrieben waren NS-Manager eingesetzt worden, die sich oft als extrem korrupt und unfähig erwiesen, so dass Erhard nun die „Problematik der kommissarischen Verwalter“ beleuchten durfte. Erhard war also bestens über die Judenverfolgung informiert – und gedachte davon zu profitieren, indem er Gutachten einwarb. Nach dem Krieg verbreitete Ludwig Erhard die Legende, er habe in Lothringen nur die Glasindustrie untersucht.

1940 tat Erhard zudem einen weiteren Großkunden auf – die „Haupttreuhandstelle Ost“, die im annektierten Polen tätig war. Mehrfach bereiste Erhard diese Gebiete und sprach dort mit den „verschiedensten und maßgebendsten Stellen“, wie er in einem Brief an Nürnbergs NS-Bürgermeister Eickemeyer herausstrich. Erhard kannte also das Grauen, das sich in Polen abspielte.

Massenmord als „Evakuierung“

Die polnische Elite war bereits im Herbst 1939 ermordet worden, um jeden Widerstand zu brechen: 20.000 Politiker, Priester, Professoren, Lehrer und Adlige wurden als Geiseln erschossen oder bestialisch niedergemetzelt. Diesen Massenmord umschrieb Erhard später in einem Gutachten euphemistisch als „Evakuierung der sogenannten polnischen Intelligenz“.

Die restliche Bevölkerung wurde ausgehungert und teilweise deportiert, weil die Gebiete möglichst schnell „eingedeutscht“ werden sollten. Bis Mai 1941 wurden 320.000 Polen aus dem Warthegau und aus Westpreußen in Züge gepfercht und in den Osten Polens abtransportiert, wo es für sie weder Nahrung noch Unterkünfte gab. Gleichzeitig wurden 160.000 Juden in das Ghetto von Lodz gezwängt und später ermordet.

Der polnische Arbeiter hat sich ja als willig und fleißig erwiesen, wenn auch seine Leistung nicht an reichsdeutschen Maßstäben zu messen ist

Ludwig Erhard in einem Bericht 1941

Erhards neuer Großkunde, die „Haupttreuhandstelle Ost“, war Teil dieser brutalen Gewaltherrschaft: Sie sollte die konfiszierten polnischen Betriebe verwalten, verwerten und an Deutsche übertragen. Allerdings zogen gar nicht genug qualifizierte „Volksdeutsche“ ins Warthegau um, so dass es mehr enteignete Firmen als deutsche Interessenten gab. Erhard sollte daher ein wirtschaftspolitisches Gesamtkonzept entwerfen, wie sich der „neue deutsche Ostraum“ entwickeln ließe.

Rassistische Klischees

Im Sommer 1941 war der Vorbericht fertig, in dem es nicht an rassistischen Klischees fehlte. So schrieb Erhard beispielsweise: „Der polnische Arbeiter hat sich ja als willig und fleißig erwiesen, wenn auch seine Leistung nicht an reichsdeutschen Maßstäben zu messen ist. Dies ist der Ausfluss mangelnder Erziehung und rassisch bedingter Eigenschaften.“ Erhard stellte daher fest: „Das polnische Volk hat weder die Gestaltungskraft noch den Gestaltungswillen, die es zu so wahrhaft kultureller Leistung befähigt.“ Erhards implizite Botschaft: Die Polen konnten froh sein, dass sie von den Deutschen unterworfen und enteignet worden waren, denn nun übernahm der germanische Sachverstand.

Ludwig Erhard dachte in völkischen Kategorien, daran besteht kein Zweifel. Dennoch lehnte er den mörderischen Vernichtungsrassismus ab, wie ihn etwa SS-Chef Heinrich Himmler verfolgte. Erhard blieb pragmatisch: Es war schlicht ineffizient, die Polen zu ermorden, zu vertreiben oder verhungern zu lassen, wenn sie doch als Arbeitskräfte und als Kunden benötigt wurden. Erhard plädierte daher dafür, dass die polnischen Arbeiter nicht viel weniger verdienen sollten als die deutschen: „Eine in materieller Hinsicht allzu starke Differenzierung zwischen Deutschen und Polen muss sich in einer Leistungsminderung niederschlagen und erhöht zudem die sozialen und politischen Spannungen.“

Kann jemand Rassist sein, der derart vernünftige Sätze schreibt? Erhards Anhänger glauben jedenfalls, sie könnten ihn exkulpieren: Erhard habe sich „überraschend couragiert für die Belange der einheimischen Bevölkerung eingesetzt“, schreibt etwa sein ehemaliger Mitarbeiter Horst Friedrich Wünsche.

Polen hatten Deutschen zu dienen

Diese Lesart beruht auf einem Missverständnis: Erhard interessierte sich nicht für die Polen – sondern für die Entwicklung des „neuen deutschen Ostraums“. Die Polen waren nur geduldet, solange man sie brauchte. Für Erhard war fraglos klar, dass die Polen keine Rechte besaßen und den Deutschen zu dienen hatten. Ihn interessierte nur, wie man sie möglichst produktiv einsetzen könnte.

Diese Haltung war nicht „couragiert“, sondern im NS-Staat weit verbreitet. Viele überzeugte Nazis waren höchst unglücklich, dass Hitler und Himmler dringend benötigte Arbeitssklaven in die Konzentrationslager schickten oder verhungern ließen. Erhards Vorbericht wurde breit gestreut, und besonders stolz war der Verfasser, dass sogar Hermann Göring einen Lobesbrief unterschrieben hatte: „Für Ihre erfolgreiche Arbeit spreche ich Ihnen meine ganze besondere Anerkennung und meinen Dank aus.“

Himmlers SS-Dienststellen hingegen monierten, dass bei Erhard jeder Hinweis fehlte, dass die Polen „zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem deutschen Volkskörper und aus der deutschen Wirtschaft ausgemerzt“ werden müssten. Diese Vorbehalte hinderten Himmlers Gefolgsleute nicht daran, im Mai 1943 noch einen „Ergänzungsbericht“ bei Erhard zu bestellen.

Pläne zur Vertreibung Hunderttausender Polen

Der „volkspolitische“ Anspruch war nun glasklar formuliert: Erhard sollte darstellen, wie sich das Warthegau entwickeln ließe, wenn „von der Forderung ausgegangen wird, dass die Ostgebiete völlig mit deutschen Menschen besiedelt werden“. Das Honorar betrug 6.000 Reichsmark, und für diese üppige Summe war Erhard gern bereit, einen Plan zu entwickeln, wie sich Hunderttausende Polen vertreiben ließen, ohne dass hinterher Arbeitskräfte fehlten: „Je mehr ich mir den von Ihnen vorgebrachten Gedanken überlege, desto mehr lockt mich die Aufgabe.“

Pech für Erhard: Seine Personalakte hat den Krieg überstanden.

Dieses Gutachten warb Erhard schon in eigenem Namen ein, denn 1942 verließ er im Streit das Nürnberger Institut. Auch diese Differenzen nutzte Erhard nach dem Krieg, um sich als Widerstandskämpfer zu inszenieren. „Dreimal“, und zwar „mit immer kürzerer Terminsetzung“, sei er aufgefordert worden, sich der Deutschen Arbeitsfront anzuschließen. Da habe er „mit sofortiger Wirkung“ seinen Dienst quittiert. Ungehemmt erklärte sich Erhard zum NS-Opfer: „So war ich, völlig vermögenslos – gewissermaßen über Nacht – auch noch arbeitslos geworden.“

Pech für Erhard: Seine Personalakte hat den Krieg überstanden. Nirgendwo findet sich der Hinweis, dass Erhard einer NS-Organisation beitreten sollte. Auch fiel Erhard keineswegs ins Nichts, nachdem er das Nürnberger Institut verlassen hatte. Unter anderem blieb er wirtschaftspolitischer Berater von Gauleiter Bürckel in Lothringen, wofür ihm der „Führer“ im Januar 1943 das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse verlieh.

Viele Reichsmark für wenig Arbeit

Zudem konnte Erhard familiäre Bande nutzen: Seine Schwester war mit dem Hauptgeschäftsführer der Reichsgruppe Industrie verheiratet, und dieser Schwager organisierte nun die Mittel, damit Erhard sein eigenes Institut für Industrieforschung gründen konnte. Dieses Institut bestand zwar nur aus Erhard und seiner Sekretärin, wurde aber üppigst dotiert. Jährlich wurden 150.000 Reichsmark bewilligt. Ein Arbeiter, zum Vergleich, verdiente damals knapp 2.000 Reichsmark im Jahr. Zudem musste sich Erhard nicht überarbeiten: So weit man weiß, hat er nur ein paar Erhebungen durchgeführt und eine größere Denkschrift verfasst.

Erhard sollte sich mit der Frage befassen, wie man die gigantischen Staatsschulden abbauen könnte, sobald der Krieg endgültig verloren wäre. Hitler hatte zwar untersagt, über eine Niederlage nachzudenken, doch daran hielt sich nicht jeder – auch nicht SS-Führer Himmler. Stattdessen waren die Eliten in Wirtschaft und NS-Staat eifrig damit beschäftigt, ihre Bastionen auszubauen und für das unvermeidliche Kriegsende vorzusorgen.

Himmler trachtete vor allem danach, Rüstungsminister Albert Speer wieder zurückzudrängen. Um diesen kommenden Machtkampf zu gewinnen, vertraute Himmler auch auf einige Getreue im Reichswirtschaftsministerium. Dazu gehörte Otto Ohlendorf, Chef des Sicherheitsdienstes Inland, der gleichzeitig Unterstaatssekretär im Wirtschaftsministerium war.

Das Treffen mit dem Massenmörder

Erhards Gutachten war ein höchst seltsames Dokument, denn er benötigte 268 redundante Seiten, um zu der simplen Erkenntnis zu gelangen, dass man die Staatsschulden faktisch annullieren muss, wenn eine Regierung ihre Kredite nicht zurückzahlen kann.

Am 16. November 1944 traf sich Erhard dann mit Ohlendorf, um seine Studie zu erläutern. Ohlendorfs hoher SS-Rang war allgemein bekannt, aber Erhard dürfte nicht gewusst haben, dass er sich mit einem Massenmörder traf: Ohlendorf ist 1951 als Kriegsverbrecher hingerichtet worden, weil er direkt dafür verantwortlich war, dass mehr als 90.000 Menschen „liquidiert“ wurden. Zu NS-Zeiten spielte Erhards Denkschrift dann keine Rolle mehr, weil die Reichsgruppe Industrie andere Konzepte bevorzugte. Nützlich wurde die Studie nur für Erhard selbst – nach dem Krieg. Denn ausgerechnet mit dieser Denkschrift wollte er belegen, dass er ein Widerstandskämpfer gewesen sei.

Erhards Fantasie wurde beflügelt, weil ein echter Widerstandskämpfer ihn tatsächlich lobend erwähnt hatte: Carl Goerdeler. Auf seiner Flucht vor der Gestapo hatte Goerdeler noch ein „politisches Testament“ verfasst, und dort schrieb er an seine Mitverschwörer: „Doktor Erhard […] hat über die Behandlung der Schulden eine sehr gute Arbeit geschrieben, der ich im wesentlichen beistimme. Er wird Euch gut beraten.“

Die Legende vom Widerstandskämpfer

Goerdeler dürfte von Erhards Denkschrift über Umwege erfahren haben, denn die beiden kannten sich kaum und waren sich nur ein einziges Mal 1935 dienstlich begegnet. Trotzdem dichtete Erhard nun eine enge Freundschaft herbei: Seine Denkschrift sei „in Zusammenarbeit mit Goerdeler“ entstanden, versicherte er immer wieder treuherzig. Ergriffen schilderte Erhard die Gefahr, in der er angeblich geschwebt hatte: „Ich bin mit Goerdeler oft zusammengekommen, wir haben auch Briefe gewechselt, wir haben uns in Berlin getroffen […] und ich war zu dem Zeitpunkt, als Goerdeler verhaftet wurde, durchaus darauf gefasst, auch mitgefangen zu werden.“

Wo er helfen konnte, half er

Ludwig-Erhard-Stiftung

Erhard sah kein Problem darin, fremdes Leid auszuschlachten. In der NS-Zeit hatte er Gutachten über „Arisierungen“ geschrieben, und nach dem Krieg war eben ein gehenkter Widerstandskämpfer nützlich. Erhard vermochte mühelos auszublenden, dass Goerdeler just in der Zeit von der SS gequält und gefoltert wurde, als er selbst seine Denkschrift mit SS-Brigadeführer Ohlendorf diskutierte.

Erhard konnte sein Gewissen auch mühelos ausschalten, wenn es galt, Beraterhonorare zu kassieren. Nach dem Krieg erhielt er jährlich 12.000 D-Mark von der weltbekannten Porzellanfirma Rosenthal AG, die zu den „arisierten“ Unternehmen gehörte. Als Firmenerbe Philip Rosenthal sich nach dem Krieg bemühte, den väterlichen Betrieb zurückzuerhalten, schrieb Erhard am 20. Juni 1949 einen höchst ungewöhnlichen Brief an die US-Militärregierung: Er legte den Amerikanern nahe, „den im Dritten Reich eingesetzten Vorstand der Rosenthal A.G. nicht abzusetzen“. Erhard wollte also genau jene Manager retten, die ab 1934 die Firma gewaltsam „arisiert“ hatten. Sein Brief blieb jedoch folgenlos, weil die US-Militärregierung den lukrativen Beratervertrag kannte – und Erhard für käuflich hielt.

Obwohl Erhard an den „Arisierungen“ bestens verdient hat, wird bis heute die Legende verbreitet, dass Erhard viele Juden unterstützt hätte: „Wo er helfen konnte, half er“, heißt es bei der Ludwig-Erhard-Stiftung.

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43 Kommentare

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  • Ludwig Erhard, war nach Kanzlerschaft 1966, neben Erich Mende FDP, als „Volkskanzler“, wie ihn Erhards Regierungssprecher, Publizist Johannes Gross im gleichnamigen Buch protegiert „Die Formierte Gesellschaft“ 1968-69 als Werbeträger des US Investmentfonds IOS Bernie Kornfeld landauf, landab unterwegs bis zu dessen spektakulärer Pleite, Motor für Deregulierung deutschen Finanzmarktes.

    Erhard war, anders als Kanzler Konrad Adenauer, 1957, gar nicht „Volkskanzler in Spe“ sondern gegen dynamisierte Rente.

    Erhards eigenmächtiger Entschluss, entgegen Alliierten Rat in Tri Zone, für Währungsreform 20. Juni 1948, bei Lohnstopp, Preise für Industriegüter, Lebensmittel, Mieten, Grund, Boden, Immobilien freizugeben, hatte sich nicht einmal die NS Propaganda ab 1934 bei der Aufrüstung Finanzierung getraut, das gilt weiterhin, auch wenn wir es gegenwärtig in gespaltenen Märkten anders erleben, Vermögensinflation an Börsenplätzen, bei gleichzeitig deflationärer Lohn-, Kaufkraftentwicklung, nationalökonomisch als untragbar, drohte 1948 in humanitärer Katastrophe zu enden, löste November 1948 vor Gründung der Bundesrepublik 23. Mai 1949 ersten, einzigen Generalstreik aus und wäre katastrophal geblieben, wenn der Koreakrieg 1950-53 in Westdeutschland keine Kriegsgewinnler Konjunktur ausgelöst hätte.

    Dass Erhard dies in Kenntnis volkswirtschaftlicher Folgen trotzdem tat, sich zum Industrie Lobbyisten aufschwang, nährt Anfangsverdacht zu dunklem Zweck, über freie Preisgestaltung bei Industriegütern, Mieten. Grund, Boden, Immobilien, Patent Verwertungsrechten, während Krieges durch deutsche Firmen, Privatiers außer Landes gebrachtes Kapital unter Alliiertem Radarschirm per Geldwäsche im Währungsschnitt Weg bei Geldvermögen 1 DM zu 10 RM aus der Schweiz, Schweden, Argentinien Spanien, Portugal, Türkei repatriiert, normal in Bilanz zu führen, als sei weder Krieg noch NS Vermögens- , Kunst- , Kulturraubzug mit willigen Vollstreckern deutschbesetzter Gebiete Europas gewesen.

  • Sie könnten auch die Arbeiten des Historikers Karlheinz Roth dazu zitieren. Er hatte in den 90er Jahren mit der Forschung zu Erhardt im Reichswirtschaftsministerium begonnen.

  • Ein Schwein. Vielleicht kann auch gleich Hanns Martin Schleyer "mitgestürzt" werden.

    • @My Sharona:

      "Ein Schwein"-nein -ein schlechter mensch!deutscher nationalität .warum wird das schwein-ein unschuldiges tier -dem gegenüber sich grosse teile der menschheit sehr viel unrecht erlauben - so oft als projektionsfläche für schlechte menschliche eigenschaften missbraucht?was steckt tiefpsychologisch betrachtet hinter dieser projektion?

  • Ist es der CDU nicht ein wenig peinlich, dass ihre wichtigste politische Stiftung den Namen eines Nazis trägt?

    • @Dorian Müller:

      Der CDU ist nichts peinlich. Einfach gat nichts. Und Nazis schon überhaupt nicht. Meine Erfahrung.

    • @Dorian Müller:

      ein "Nazi" war er nicht.dafür hätte er sich die ideologie der nazis zu eigen machen müssen.aber er hat aus opportunismus im deutschen faschismus mitgemacht und dass ist eigentlich sogar fast noch schlimmer



      und sollte ihm nicht vergeben werden.



      es besteht aufgrund seiner eigenen ausssagen kein zweifel daran dass er ein rassist war .aber es gab und gibt viele rassisten und man macht es den apologeten des rassismus zu leicht wenn man sie alle als nazis bezeichnet



      alle nazis sind rassist*innen ,weil die nazi-ideologie rassistische grundlagen hat ,aber nicht jede*r rassist*in ist ein*e repräsentant*in der ns-ideologie



      auch die nicht-nationalsozialistischen rassismen sind keineswegs alle so vergleichsweise harmlos wie es der rassismus von Immanuel Kant oder Charles Darwin war.



      es gab auch ausserhalb von deutschland und insbesondere auch in freiheitlich-demokratischen staaten genozidale oder massenmörderische rassismen



      die unterscheidung zwischen "nazismus" und rassismus sollte darum nicht so missverstanden werden als wäre damit eine pauschale verharmlosung des letzteren beabsichtigt.

  • "Die Polen konnten froh sein, dass sie von den Deutschen unterworfen und enteignet worden waren, denn nun übernahm der germanische Sachverstand."



    Für die Ostdeutschen gilt das doch aus Sicht vieler Altwestler auch heute noch.

    Was man sieht, hängt immer von der Brille ab, die man gerade auf hat.

  • Nun ja, als Denkmal-Sturz vielleicht gelungen, in ökonomischer - aber auch historischer Hinsicht - meiner Meinung nach misslungen: als wäre es mit einem Denkmalsturz getan. Was Frau Herrmann nicht versteht ist die Bedeutung von Märkten. (Die Nazis haben es übrigens auch nicht verstanden.) Ich nenne ein Stichwort: Währungsreform (sucht man in diesem Artikel vergebens).

    • @Christoph :

      Denkmalsturz:



      Ist ja wohl mal ein überfälliger Anfang. Es bleibt zu bemerken, dass damit alle, die diesen "Leut" noch imnmer verherrlichen oder gut finden, genauso beschmtuzt sind wie Erhard selbst – auch mal ein Fortschritt (ich verkneife mir den Ausdruck der Hoffnung darauf, dass das auch ein (Um)Denken befördern könnte.



      Währungsreform?



      Dazu fällt mir nur ein, dass wir ja bereits eine zweite hatten, mit ähnlichen "Ergebnissen" wie bei der ersten: Die Einführung des Euro.



      Und die hat die Reichen diesmal nicht überraschend "getroffen", die waren in dem Fall bestens vorbereitet.

  • Ludwig Erhard - ein Nazi avant la lettre

    Nach dem Kommentar „Die Ironie der Geschichte - 70 Jahre soziale Marktwirtschaft“ von U. FUHRMANN am 10. 5. und dem Interview mit R. Hickel über die „Soziale Marktwirtschaft als Etikettenschwindel“ (20. 9.) nun in der Taz ein weiteres erhellendes Kapitel über den wohl nachhaltigsten Gründungsmythos der Bundesrepublik. Als Wissenschaftler ein Versager und Dünnbrettbohrer, korrupter Aufschneider, Antisemit und Arisierungsgewinnler und -beihelfer, so sieht diesem Steckbrief zufolge also der Held der Sozialen Marktwirtschaft aus, Wirtschaftsminister unter Adenauer und danach gar Bundeskanzler, im Grunde ein Nazi avant la lettre. Nicht einmal das Copyright für diesen Slogan darf Erhard für sich beanspruchen, den er lediglich auf einem Meeting am 12. Januar 1945 in Berlin mit Spitzenbeamten des RSHA und des Reichswirtschaftsministeriums aufgeschnappt hatte, wo er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführers des Nürnberger 2-Mann-Instituts für Wirtschaftsbeobachtung über die Zukunft der deutschen Industrie nach der zu erwartenden Niederlage Deutschlands debattierte. Er hatte sich zuvor mit seiner Denkschrift „Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung“ im Auftrag der „Reichsgruppe Industrie“ dafür bestens als kompetenter Gesprächspartner für den Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsministerium und SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf empfohlen. Dessen Stellvertreter K. G. Weiss prägte dann in dieser Runde bei reichlich Burgunder und Cognac den Slogan von der „Sozialen Marktwirtschaft“, den Erhard sofort begeistert aufnahm. Er entstammt mithin aus der SS-Diskursküche eines Massenmörders und avancierte “im Reichswirtschaftsministerium sogar zur Leitidee des Ordnungspolitischen Zukunftsentwurfs” für die Nachkriegszeit. (M. Brackmann „Vorgeschichte der Währungsreform 1948“, vgl. O. Köhler, „Wie Ludwig Erhard im Januar 1945 zusammen mit dem später gehenktem SS-Einsatzgruppenführer Otto Ohlendorf die soziale Marktwirtschaft erfand“)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Ludwig Erhard, ein 'Nazi avant la lettre' - also ein Vordenker der Nazis - was für ein Unsinn.

      • @Christoph :

        Ach was! have a look at - wiki -

        “Auf Personen und ihre Leistungen bezogen, kann es übertragen übersetzt werden mit „ihrer/seiner Zeit voraus“ “

        de.wikipedia.org/wiki/Avant_la_lettre



        = “Ein Nazi seiner Zeit voraus “ •



        Wer wollte widersprechen ^?^

  • Danke, Frau Herrmann! Sehr entlarvend.



    Erschütternd.



    Allen Erhard-Gebäuden, Schulen, etc. SOFORT einen nazifreien Namen geben!



    Mir drängt sich die Frage auf, was all jene, die es ermöglicht haben, so einen Menschen unbehelligt an die UND an der Macht zu lassen, was diese "Leute" selbst so an fettem Dreck am Stecken hatten und sicher heute noch haben?



    Das hat(te) doch System, das gibt doch eine (Politiker)Generation an die folgende weiter. Das ist|war doch kein "Versehen"!



    Das müssen Abgründe sein – über Generationen und Regierungen hinweg – die sich da auftun, die derzeit Herrschenden und Macht(-Geld)-Inne-Haber eindeutig mit eingeschlossen.



    Was ist Deutschland doch für ein verkommenes Land.



    Auch wenn mensch betrachtet, wie arrogant der Exportweltmeister Deutschland sich selbst feiert.



    Alles für Deutschland – was ja nicht stimmt – alles für die Reichen und Konzerne in Deutschland (Stichwort Import – Export-Ungleichgewicht), also immer noch so eine Herrenmensch-Ignoranz. Denn ohne einigermaßen ausgewogene Wirtschafts-Bilanz ist das alles nichts wert, narürlich am wenigsten für die eigene Bevölkerung, denn die "bezahlt" das alles mit Niedriglöhnen und hat nichts davon.

    • @Frau Kirschgrün:

      "Allen Erhard-Gebäuden, Schulen, etc. SOFORT einen nazifreien Namen geben! "



      Ich unterstütze die forderung nach der sofortigen umbenennung aller nach ihm benannten öffentlichen strassen und plätze oder schulen etc. und darüber hinaus auch die hier noch nicht erhobene forderung nach der entsorgung des für den kapitalismus allzuschmeichelhaften euphemistischen begriffes "Soziale Marktwirtschaft"- aus der deutschen sprache

      ,aber nicht die anklage,insofern sie auf der meiner einschätzung nach falschen behauptung beruht Erhard sei ein nazi gewesen.Als nazis sollten nur solche personen bezeichnet werden die sich die ns-ideologie zu eigen gemacht haben -nicht aber opportunisten die aus für solche normalen karrieristischen oder finanziellen motiven im deutschen faschismus mitgemacht haben und zwar unabhängig davon in welchem ausmass sie sich an den verbrechen der nazis beteiligt oder diese ermöglicht haben.

      es gibt aber personen deren namen noch eine grössere schande für städte sind in denen immer noch strassen und plätze nach ihnen benannt sind.

      zu diesen personen die es verdienen noch vor Ludwig Erhard in ungnade zu fallen gehören der bundespräsident Heinrich Lübke und der reichspräsident Paul von Hindenburg



      .der letztere war im ersten weltkrieg für den einsatz von giftgas an der front mitverantwortlich und hat Adolf Hitler zum reichskanzler ernannt und dem ersteren wird vorgeworfen für den tod von Kz-häftlingen mitverantwortlich zu sein und baupläne für ein kz angefertigt zu haben.



      für alles was mit mord zu tun hat muss die strafe besonders streng sein.und da die einzige strafe die personen nach ihrem tod auf erden ausser der enteignung ihrer erben noch zuteil werden kann der entzug der öffentlichen ehrung ist muss man hier kompromisslos sein.



      Es darf in köln kein Heinrich Lübke Ufer mehr geben:

      www.spiegel.de/spi...orab/a-136304.html



      www.zeit.de/2007/30/Heinrich-Luebke

    • @Frau Kirschgrün:

      Kein Land hat sich in vergleichbarem Maße wie Deutschland mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt, und Sie sprechen von einem "verkommenen Land"? Vergleichen Sie mal unsere Vergangenheitsbewältigung mit der Russlands, wo die Jahrhundertverbrechen Stalins bis heute weitgehend totgeschwiegen werden. Oder gucken Sie sich Italien und Spanien an, wo Verbrecher wie Mussolini und Franco bis heute von einem erheblichen Teil der Bevölkerung geschätzt werden und Pilgerfahrten zu faschistischen Wallfahrtsorten stattfinden.

      • @Lockenkopf:

        Genau, Lockenkopf, "wenn dir hier was nicht passt, dann geh' doch nach drüben."



        ^^Tolle Argumentation.^^



        Mein Anspruch an eine rechtsstaatlich verfasste Demokratie (zumindest noch auf'm Papier) ist nunmal das Mindeste, was ein Staat wie unserer in dieser Sache hätte schaffen müssen.



        Und ja, verkommen.



        Weil auf Lügen, auf Alt- und Neunazis, auf Ausbeutung, auf Menschenverachtung, auf Bevorzugung Reicher, auf Verfassungsbruch, etc. aufgebaut.



        Verkommen eben. Was denn sonst?



        Wenn das GG nicht das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht und mit zweierlei Maß gemessen wird. Sanktionen bei AlG2? Wo bleibt das Urteil vom BVerfG?



        Teilhabe für AlG2-Bezieher und andere Nachbesserungen (BVerfG-Urteil!!) nicht umgesetzt?



        Rentnerarmut?



        Aushebelung des GG durch Eingliederungsvereinbarungen?



        Steuerhinterziehung der Reichen?



        Staatlich verordnete Armut?



        Naturzerstörung?



        Vergiften der Bevölkerung mit Autoabgasen durch Betrug?



        Menschenwürde?



        Mitbestimmung?



        Mal reinschauen, Lockenkopf:



        www.gesetze-im-int...BJNR000010949.html



        Worauf sollen wir warten?



        Das GG gehört in allen Punkten angewandt und umgesetzt. Da ist noch sehr viel Luft nach oben…

      • @Lockenkopf:

        Ihre einzige "Argumentionsweise" ist Relativierung. Haben Sie noch anderes zur Sache zu sagen?

        • @Uranus:

          Wieso Relativierung? Deutschland betreibt eine vorbildliche Vergangenheitsbewältigung. Und hebt sich in diesem Zusammenhang eben positiv von zahlreichen anderen Ländern ab, die sich mit einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit äußerst schwer tun.

          • @Lockenkopf:

            Ich verstehe: Wer Deutschland mag und eine patriotische Ader hat, verträgt nur begrenzt "Entgleisungen", die dann als Dreck ohne genügend Nachsorge (wie Verschweigen von Mitwirkung seitens Erhard oder Relativierung und Legendenbildung wie "vorbildliche Vergangenheitsbewältigung" seitens Ihnen) womöglich an der weiß gewünschten Weste haften bleiben.

            • @Uranus:

              Sie unterstellen Aussagen, die nicht getroffen wurden und behaupten entgegen Lockenkopfs obiger Aussage, dass andere ehemals faschistische Länder wie Spanien und Italien eine wesentlich bessere Aufarbeitung der Vergangenheit an den Tag gelegt haben?

              Oder hängen Sie nur Frau Kirschgrüns These von „verkommenen Länder“ an.



              Ich halte dieses Wording für populistische Soße. Ganze Länder, wie Frau Kirschgrün, als „verkommen“ zu bezeichnen, sowas kenne ich nur aus der rechtspopulistischen Ecke. Hört man nicht gerne, ich weiß. Aber welche politischen Gruppen sonst noch nutzen dieses Wording?

          • @Lockenkopf:

            "Deutschland betreibt eine vorbildliche Vergangenheitsbewältigung."



            Der oben stehende Artikel allein zeigt doch, dass das nicht stimmt.



            Die Frage, die dieser Artikel aufwirft, ist doch, wo wurde noch so unverschämt gelogen und diese Lügen generationenlang gedeckt? Das ist doch kein Einzelfall (Filbinger, Kiesinger, Hanns-Martin Schleyer, Stücklen, usw.)



            de.wikipedia.org/w...h_t%C3%A4tig_waren



            Nur weil andere Länder möglicherweise schlechter als Deutschland in ihrer Vergangenheitsbewältigung sind, ist Deutschland doch noch lange nicht gut!

            • @Frau Kirschgrün:

              Sach mal so. Volkers 👄

              'Wer auf ne Pläät - sich sei Locke dreht



              Da kütt och’n Ondolierstab a weng spät'

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @Frau Kirschgrün:

      Ein "gesamtdeutsches" Problem. Wenn man sich damit beschäftigt geht es immer noch etwas gruseliger.

      Und spätestens seit Öffnung der Stasi-Archive ist bekannt, dass sich die frühe SED-Nomenklatura gemeinsam mit den Staatssicherheitsorganen im Einzelfall belastete oder gar an Verbrechen beteiligte Wissenschaftler wie den Kindereuthanasisten Dr. Ibrahim aus Jena je nach Aktenlage »warmhielten«, um die als »bürgerliche Spezialisten« im Bedarfsfall dringend Benötigten für staatliche Forschung und Ausbildung gefügig zu machen. Für ehemalige Wehrmachtsoffiziere, NSDAP-belastete Wissenschaftler oder Nazi-Juristen wie Kurt Schumann wurde im noch sehr jungen DDR-Staat die Blockpartei NDPD gegründet, die ihren Mitgliedern eine gesichtswahrende und dabei von der SED überwachte Plattform gab. Dies war ein kluger Schachzug, denn die Zugehörigkeit zu einer Partei, die zwar nicht SED hieß, sich jedoch voll und ganz deren politischer Ausrichtung verschrieb, gab ehemaligen »Parteigenossen« die Möglichkeit einer beruflichen und persönlichen Anerkennung, wenn sie aufgrund ihrer Verstrickungen im Nazi-Staat für eine SED-Mitgliedschaft aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kamen. Eine steile »Karriere« im heutigen Sinne blieb den Mitgliedern dieser wie auch anderer Blockparteien bis zum Ende der DDR häufig verwehrt – dazu bedurfte es dann doch des »Bonbons«, des SED-Parteiabzeichens, am Revers. Wer also – wie Ernst Melsheimer – tatsächlich seiner nazistischen Vergangenheit abschwören und »Karriere« um jeden Preis machen wollte, der wählte gleich das Original

      " Das müssen Abgründe sein-über Generationen und Regierungen hinweg"

      Auf ihren Satz bezogen wäre auch die Entwicklung der Exekutive,Judikative eine Betrachtung wert.

      • @05158 (Profil gelöscht):

        "Auf ihren Satz bezogen wäre auch die Entwicklung der Exekutive,Judikative eine Betrachtung wert."



        Unbedingt.



        Wann misten wir diesen Augias-Stall, eher diese Augias-"Ställe", endlich endgültig aus?!



        Wir sollten unsere Oberen auch mal nach Greta-Thunberg-Art fragen: "HOW dare you?!"

        • @Frau Kirschgrün:

          Naja,

          so viele gibt es zum Ausmisten da nicht mehr.

          Und wo "man" mehr oder weniger damit zufrieden war, das man 1945 nicht alle Nazis aufgehängt hat, ist es im Jahr 2019 auch nur noch eine Frage für die Historiker, wer es da durch Tarnen und Lügen im Nachkriegsdeutschland noch zu Ehren gebracht hat.

          Vermutlich war Ehrhardt ja auch kein strammer Nazi, sondern ein flexibler (und korrupter) Mitläufer.

          So einer konnte sich dann auch nach 45 gut neu anpassen.

          So wie Alice Waidel es auch tut, nur in umgekehrter Richtung.

          • @Sonntagssegler:

            Wenn Sie so ein wachsweiches Verbiegen und dessen Zulassen jetzt noch "Toleranz" nennen, zweifle ich an Ihrem Verstand…



            Nazi-Vergangenheit mit Auswirkungen bis heute relativieren? Echt jetzt?!



            Mal das Gedankengut von vdL und AKK checken…

  • &! Däh&Zisch - Mailtütenfrisch -

    “Da war doch noch was... Ludwig E: " Da hört der Dichter auf, da fängt der ganz kleine Pinscher an.“ sagte weiland der getroffene Kläffer.



    de.wikipedia.org/w...r_%C3%84ra_Schmidt



    H. hat vermutlich nicht alles gewusst, was jetzt bekannt ist. Schade.







    "Überfressen, glatt überfressen.." (Wolfgang Borchert, "Draußen vor der Tür")“

    kurz - Ja. Fein. Pinscher. Fiel schnell -



    Neben - Harzburger Modell!



    Mir ein. Eh - Herr Herrhausen.



    Mich dazu - lehrte das Grausen! 👹

    unterm—-



    de.wikipedia.org/wiki/Harzburger_Modell

    • @Lowandorder:

      Ich lese in ihrem Link "1967 legte Hochhuth das Theaterstück Soldaten, Nekrolog auf Genf vor, das Winston Churchills Kampf gegen Hitler behandelt [...]. Es stützte sich wesentlich auf Studien des britischen Publizisten David Irving, der den Bombenkrieg der Alliierten in seinen Schriften als Kriegsverbrechen darstellte und der später als Holocaustleugner hervortrat."

      Hochhuth arbeitet auf Basis von Publikationen des Holocaustleugners Irving!?

      Das war mir neu. "Pinscher" ist doch dann eine eher nette Bezeichnung.

      • @Rudolf Fissner:

        Ach was! Mr. 👾 - einfach mal den ahl Rosenpickermodus abschalten. So geht!



        &



        kl. Rat - nie zu spat - für ehre geschichtlich unterBeleuchtung - wg



        Kurzbehost - oder gar doch eher woll - Pampersgeneration a 1965 - Wollnich?!



        “ERHARD



        Im Stil der Zeit



        Nichts gegen den Geist! Aus der Richtung komme ich auch.



        Ludwig Erhard 1965.



        Der Kanzler des Volkes der Dichter



        und Denker zürnte: "Pinscher", "Banausen", "Nichtskönner", "Scharlatane"! Gemeint waren die Dichter des Volkes der Dichter und Denker. Das ist nicht neu.



        Der Kaiser - so fabulierte schon der Pennäler Kurt Tucholsky - hatte eine Flöte. Wenn man durch die Löcher dieser Flöte schaute, so sah man viele bunte Bilder von Thoma und Böcklin, Meunier und Zille. Kurzum, darinnen war die ganze moderne Richtung. Und was tat der Kaiser mit der Flöte? Er pfiff darauf.



        Was dem Kaiser die Flöte, ist dem Kanzler die Blechtrommel. In ihr sieht er sie alle versammelt: den Günter Graß, den Martin Walser, den Uwe Johnson und den Rolf Hochhuth. Kurzum, die ganze Richtung. Und was tut der Kanzler mit der Trommel? Er drischt mal drauf.



        Das war nicht immer so. In seiner Regierungserklärung nach dem Amtsantritt 1963 hatte der regierende Professor aus Fürth den von seinem Vorgänger nicht gerade verwöhnten Intellektuellen ungewohnte Avancen gemacht: "Ich rufe die schöpferischen Menschen in der Bundesrepublik zur Mitarbeit in diesem Staate auf."



        Erste Nutzanwendungen folgten: CDU -Manager Dufhues, der die literarische "Gruppe 47" eine "geheime Reichsschrifttumskammer" genannt hatte, zog seinen Vorwurf bedauernd zurück.



        Kanzler Erhard kündigte an, unter seinem alten Mitarbeiter Professor Müller-Armack werde ein Team von Gelehrten (das nie gebildet wurde) den Regierungschef nach Kennedy-Vorbild beraten.



        www.spiegel.de/spi...nt/d-46273386.html

        Rest gleich

        • @Lowandorder:

          …Als aber im Wahljahr 1965 die professionellen Diener der Musen begannen, sich ausgerechnet auf der Seite der SPD um die Politik zu kümmern, da rief Ludwig Erhard "die schöpferischen Menschen in der Bundesrepublik" nicht länger zur "Mitarbeit an diesem Staate" auf, sondern entdeckte den Unterschied "zwischen verantwortungsbewußter Geistigkeit und einem blutleeren Intellektualismus ohne Substanz und ohne Gesinnung".



          Im Juni dieses Jahres hatte in einem Rororo-Bändchen eine Gruppe bundesrepublikanischer Literaten links-linkisch "für eine neue Regierung" (SPIEGEL



          19/65) plädiert. Schallück, Rühmkorf, Hey, Lenz, Jens, Richter und Eggebrecht porträtierten die Brandt-Mannschaft. Wellershoff, Hochhuth und Weiss steuerten Kritik an Erhard und allgemeinen Bonner Zuständen bei: Blechtrommler Günter Graß, Mitglied der sozialdemokratischen Wahlkampfleitung, lieferte das Motto: "Ich rat Euch, Es-Pe-De zu wählen."



          Die Polit-Kritik der Skribenten war primitive Kunst: unsachlich und rüde. Aber: Die Literaten haben wie jeder Minister und Gewerkschaftsfunktionär das Recht, eine unausgegorene Ansicht zu vertreten.



          Eben das schien Ludwig Erhard nicht zu passen. Der. Maßhalter kannte kein Maß mehr. Am vorletzten Sonntag im Kölner Gürzenich: "Ich muß diese Dichter nennen, was sie sind: Banausen und Nichtskönner, die über Dinge urteilen, von denen sie einfach nichts verstehen... Es gibt einen gewissen Intellektualismus, der in Idiotie umschlägt... Alles, was sie sagen, ist dummes Zeug."

          Das war der Gipfel Erhardscher Eskalation. Schon am 27. Mai hatte der Kanzler auf einer "Staatspolitischen Tagung der katholischen Männer Deutschlands" Graß angenommen: "Für mich braucht im kommenden Wahlkampf keine Blechtrommel gerührt zu werden."



          Zwei Tage später rief er auf dem Parteitag der baden-württembergischen CDU dazu auf, "Entartungserscheinungen" in der modernen Kunst und Literatur entgegenzutreten.…“ & rest ff

          • @Lowandorder:

            & weiter geht’s im Text - bis zur bitteren Neige - Newahr - Normal:

            “…Und am vorletzten Sonntag über Hochhuths Kritik am Bonner Staat (SPIEGEL 22/1965): "Da hört bei mir der Dichter auf, und es fängt der ganz kleine Pinscher an, der in dümmster Weise kläfft."



            Halbe-halbe konterten Uwe Johnson ("Mutmaßungen") und Martin Walser ("Halbzeit"). Johnson: "Da hört der Kanzler auf." Walser: "Da fängt der Erhard an."



            Philosoph Ernst Bloch ("Das Prinzip Hoffnung") konstatierte ironisch sprachliche Fortschritte bei dem sonst so wolkigen Erhard: "Die Sprache des Bundeskanzlers hat sich bis zur Kenntlichkeit verändert."



            Deutschlands Nobelpreis-Hoffnung Heinrich Böll ("Ansichten eines Clowns"): "Peinlich, peinlich."



            "Zeit"-Chefredakteur Josef Müller -Marein pfiff Halbzeit: "Legt nicht auf die Goldwaage, was die Politiker in einem Wahljahr sagen. Da wird Hochhuth zum Dichter, werden Dichter zu Banausen. In Wahljahren übertreiben die Politiker immer so..."



            Ungerührt wandte sich in dieser Stunde der Erregung Musen-Freund Ludwig Erhard einem anderen Notstand seines Volkes zu. Am letzten Dienstag bat der "Kicker"-Leser Erhard den Ex-Fußballbundestrainer Sepp Herberger zu sich und sorgte sich mit ihm um die Zukunft der deutschen Bundesliga.



            Erhard-Kritiker Hochhuth



            "Dichter?"



            Erhard-Kritiker Böll



            "Banause?"



            Erhard-Kritiker Johnson



            "Pinscher?"



            Erhard-Kritiker Walser



            "Nichtskönner?"

            DER SPIEGEL 30/1965 -



            Als mir noch der Montag - Spiegeltag



            &



            Der Donnerstag - Zeit-Tag - war.



            &



            Wo genau - Haben Sie ja ersichtlich den den Schuß & - bis heute - Nicht Gehört?!

    • @Lowandorder:

      Gruselig das Harzburger "Modell"! Danke für den Link…

      • @Frau Kirschgrün:

        Bitte - 1972 - beim Gruseln nicht übersehen - (ok - etwas gallig;)(

        www.zeit.de/1972/3...nach-schweizer-art



        “Unternehmensführung



        :



        Management nach Schweizer Art

        Das vieldiskutierte Harzburger Modell bekommt Konkurrenz aus St. Gallen



        Von Rosemarie Fiedler-Winter“



        “…Auch an einen dreitägigen Kursus für "echtes Top-Management" ist gedacht. Ulrich glaubt nämlich, daß eine "falsche Entwicklung stattgefunden hat", indem die Stäbe das Managementwissen gepachtet haben. Nach seiner Überzeugung müssen sie vom Chef selbst und unmittelbar gelenkt werden.

        Der denkaktive Schweizer Professor gibt unumwunden zu, daß die Mittel seines Betriebswirtschaftlichen Instituts niemals ausgereicht hätten, um die von seinen Studenten und Mitarbeitern betriebenen Forschungen durchzuführen und daraus auch praktische Konsequenzen zu ziehen. Doch Ulrich fand Unterstützung: 20 Schweizer Firmen stifteten fürs erste je 40 000 Schweizer Franken.



        Das Institut ist stolz darauf, diese Summe innerhalb eines Monats durch eine schlichte Briefaktion aufgebracht zu haben. "Dafür mußten wir weder antichambrieren noch uns Bedingungen auferlegen lassen", betont Ulrich. Eine Erfahrung, die in krassem Gegensatz zu der schweren Arbeit steht, mit der vor vier Jahren das Unternehmensseminar für die Wirtschaft (USW) in Köln aus der Taufe gehoben wurde. …“



        (typisch kölsch im Rheinland - “man kennt sich - man hilft sich“ Ol Conny & Rheinischer Kapitalismus



        de.wikipedia.org/w...scher_Kapitalismus



        Schonn. Normal. 👹



        (passende Jack Daniels Werbung 🤓)



        de.wikipedia.org/w...rie_Fiedler-Winter



        & btw -



        (Das Foto mit Gabriel Laub - sollte nicht täuschen



        de.wikipedia.org/wiki/Gabriel_Laub



        Hab ihn sehr gemocht. Als Donnerstag mir noch Zeit-Tag war vs hück 👻👻👻



        & Däh -



        www.zeit.de/1998/0..._fuer_Gabriel_Laub

        • @Lowandorder:

          Btw. heute zwei Stunden zu früh aus dem Bettgefallen? … 😉 😘 Bützche .

          • @Frau Kirschgrün:

            Danke. Nö. Kritzel & 💤 - dann wieder ein. 💤 💤 💤

        • @Lowandorder:

          Danke für die (teils Erbrechen hervorrufenden) Links.



          Ja-ja-ja, "Als Donnerstag mir noch Zeit-Tag war…", bevor Holtzbrinck übernahm – grusel.



          Die dürfen im Impressum immer noch schreiben "Bucerius-Verlag". Ich finde da sollte stehen müssen: "Holtzbrinck-Gruppe", damit die "Leute" wenigstens im Impressum die Wahrheit finden können.



          Aber was reg' ich mich auf… 😡 🤢 .

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Business as usual.

    Legitim, gewiss. Doch auch HEUTE NOCH notwendig?

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Not- und überfällig.

  • .Danke , Frau Herrmann.Klasse Artikel.Die guten alten Drecksäcke.

  • hmmm ...

    ob das ludwig-erhardt-haus in berlin charlottenburg, seinen namens patron auch in diesem lichte sieht ?

  • es ist höchste zeit dass alle strassen und plätze die immer noch nach ns-tätern benannt sind umbenannt werden.

    in köln gibt es zum beispiel ein "Heinrich Lübke Ufer"

    dieser ex-bundespräsident der brd hat wie so viele andere seine vergangenheit verschwiegen

    er hat baupläne für ein kz angefertigt und sich an der grausamen ausbeutung von zwangsarbeitern beteiligt

    www.spiegel.de/spi...orab/a-136304.html

    www.zeit.de/2007/30/Heinrich-Luebke

  • Danke. Überfällig •