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Über 20.000 bei Mietendemo in BerlinImmobilienhaie zu Fischbrötchen

Am Samstag haben steigende Mieten wieder viele Menschen in Berlin auf die Straße gebracht. Dabei gerät auch die SPD ins Schussfeld.

„In München haben wir den Wahnsinn bereits“: Die Mietendemo zieht am Samstag durch Berlin Foto: Christian Mang/reuters

Berlin taz | „Eigentlich müsste die ganze Republik auf die Straße“, sagt ein Mann, der ein Transparent mit der Abbildung einer brennenden Mieterhöhung hochhält. Ein paar Meter weiter beginnt sich ein lila-gelbes Fahnenmeer in Bewegung zu setzen. Es sind Hunderte Ak­ti­vis­t:in­nen des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co enteignen, das die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne anstrebt. Über 20.000 Menschen ziehen am Samstag laut Ver­an­stal­te­r:in­nen durch Berlin, um unter dem Motto „Wohnen für alle“ für einen bundesweiten Mietendeckel, einen sechsjährigen Mietenstopp und für die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne zu protestieren.

Während die Unteilbar-Demonstration letzte Woche kleiner als erwartet ausgefallen war, zieht das Thema Wohnen also weiterhin Menschen auf die Straße. Vom Alexanderplatz ausgehend zieht der Protestzug lautstark bis zur Siegessäule am Großen Stern. Die Demonstrierenden zeigen sich bunt und kreativ: Am Brandenburger Tor empfängt die Sambaband Green Igelz sie mit einer kraftvollen Trommeldarbietung.

Mittendrin besingt der Kreuzberger Kiezchor Lauratibor den kollektiven Widerstand – von einer Protestband mit Kontrabass, Keyboard, Trompete und Posaune begleitet. Auf Plakaten wird etwa gefordert, Immobilienhaie in Fischbrötchen zu verwandeln. Insbesondere im vorderen Teil der Demo und im Enteignungsblock ertönen antikapitalistische Sprechchöre.

Ein junger Mann erzählt der taz, sein Haus sei kürzlich von einem Investor aufgekauft worden, der keinen Hehl aus seinen Ambitionen mache, das Gebäude zu entmieten und in Eigentumswohnungen umzuwandeln. „Manche Menschen wohnen seit 25 Jahren im Haus, von denen weiß keiner, wo sie hin sollen, wenn wir tatsächlich rausmüssen“, sagt er. „In München haben wir den Wahnsinn bereits seit 1990“, sagt Volker Raststätter, Geschäftsführer des dortigen Mietervereins, zu Beginn der Demonstration der taz. Mittlerweile lägen die Mieten dort bei über 20 Euro kalt pro Quadratmeter, das könne sich selbst die gehobene Mittelschicht nicht mehr leisten. Entsprechend plural sind dann auch die Anliegen der Demonstrierenden.

Am Samstag ist auch Tag der Wohnungslosen

Ganz hinten, wohin die Ver­an­stal­te­r:in­nen die Parteien verbannt hatten, marschieren sogar einige Ge­nos­s:in­nen der SPD mit. Deren Berliner Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat sich wiederholt klar gegen die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne ausgesprochen, einem Kernanliegen der Demonstration. Auf diesen Widerspruch angesprochen verweisen die Ge­nos­s:in­nen auf die unterschiedlichen Positionen, die auf der Demonstration vertreten würden. Derweil erklärt der anarchistische Frontblock in lautstarken Sprechchören, die Sozialdemokratie habe die Mie­te­r:in­nen verraten – und ruft zur Revolution auf.

Bundesweit zur Demonstration mobilisiert hatte das Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn, das Bündnis Mietenstopp sowie das Berliner Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen. Der Protest steht auch im Zeichen des Tags der Wohnungslosen, welcher ebenfalls am Samstag ist. Zunehmend würden Menschen auf der Straße oder in Notunterkünften landen, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden, hieß es im Demoaufruf.

Schon eine Stunde vor Demonstrationsbeginn haben sich etwa 150 Menschen, die später den anarchistischen Block bilden, vor der teilbesetzten „Köpi“ in Kreuzberg versammelt. In Form einer Zubringerdemo laufen sie gemeinsam zum Alexanderplatz und protestieren dabei für den Erhalt linker Freiräume. Der vorgelagerte Wagenplatz der seit 1990 besetzten „Köpi“ ist derzeit akut von einer Räumung bedroht. Im Juni hatte der Eigentümer, die Briefkastenfirma Startezia GmbH, ein Räumungsurteil erwirkt.

„Wir werden nicht widerstandslos gehen“, kommentiert dies ein Redner vor der Köpi. Die Vorbereitungen für den „Tag X“ der Räumung würden im Hintergrund laufen. Die Briefkastenfirma bezeichnet er als „kapitalistisches Monster“, das ihr Zuhause in Profit verwandeln wollte. Dabei seien es solche Orte, die „Berlin zu einem besonderen Ort machen“, so der Redner.

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17 Kommentare

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  • „Am Samstag haben steigende Mieten wieder viele Menschen in Berlin auf die Straße gebracht. Dabei gerät auch die SPD ins Schussfeld“



    Damit ist wohl die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey gemeint. Aber warum wird Koalitionspartnerin Linkspartei gar nicht erwähnt, deren Mitglied Elke Breitenbach in der vergangenen Legislaturperiode Sozialsenatorin und somit zuständig war? Was hat sie eigentlich erreicht?



    Noch was: „Auf Plakaten wird etwa gefordert, Immobilienhaie in Fischbrötchen zu verwandeln“



    Darüber kann ich genauso wenig lachen wie über das Wahl-Plakat „Hängt die Grünen!“ der Partei „Der dritte Weg“.

    • @Pfanni:

      Zuständig war nicht Breitenbach sondern zunächst Lompscher und dann Scheel, die immerhin versucht haben den Bestand stärker zu regulieren. Auf dem Gebiet Neubau haben aber auch die beiden versagt. Ich glaube hier geht es aber um die Frage wie weit es um den politischen Willen bestellt ist wirklich was zur Entspannung der Situation zu tun und da hat Die Linke, berechtigterweise, weiterhin einen Vertrauensvorschuss.

  • Wenn sozialistisch Rotlinksgrün die nächste Bundestagswahl gewinnt, wird es, ähnlich wie beim Mietendeckel, zu einer Verknappung von Mietwohnungen und zum Anstieg von der Wohnungskaufpreise kommen. Wohl dem, der zeitgerecht kauft.

    • @Claudia :

      Sie meinen private Vermieter bleiben dann lieber auf leeren Wohnunge sitzen als zu vermieten? Dann greift halt das Zweckentfremdungsverbot und später die treuhänderische Zwangsverwaltung. Die Gesetzeslage ist da eigentlich ganz klar.

      • @LesMankov:

        Der Abverkauf privater Vermieter ist bereits in vollem Gange, oder warum glauben Sie, dass sich das Mietwohnungsangebot immer weiter verknappt? Es wird nicht mehr vermietet. Was, bitteschön, ist daran schwer zu verstehen?!

      • @LesMankov:

        nein, sie verkaufen die Wohnungen und die neuen Besitzer klagen auf Eigenbedarf.

  • " Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co. enteignen"



    Gehen wir mal davon aus, dass die rechtlich überhaupt machbar wäre.



    Dann bekäme die Deutsche Wohnen & Co. derart viele Milliarden Entschädigung (es gilt der Marktübliche Preis bei Enteignungen), dass Berlin für Jahrzehnte hoffnungslos überschuldet wäre. Ergo: Alle Gebühren steigen, ÖPNV wird teurer, Leistungen werden gekürzt und das Leben wird wieder teurer. Oder sollen die Rentner in Bayern und Baden-Württemberg für die Schulden Berlins aufkommen?



    Der Fehler war diese Wohnungen überhaupt an Deutsche Wohnen & Co. zu verkaufen.

    • @Rudi Hamm:

      Kleine Korrektur: Berlin IST bereits hoffnungslos überschuldet, man hört von über 60 Mrd. €. Ansonsten kann ich ihnen nur zustimmen!

    • @Rudi Hamm:

      Sie stellen etwas als sicher dar, was überhaupt nicht feststeht. Ihre Behauptung/Skepsis hilft bloß den Konzernen und Kapitalfreundlichen Parteien wie CDU, FDP, SPD ...



      Vielleicht nochmal ein paar Informationen nachlesen - da zum Beispiel: Das Bündnis "Deutsche Wohnen & Co enteignen" zur Frage "Was Vergesellschaftung kostet":



      www.dwenteignen.de...en/entschaedigung/



      Im letzten Absatz der Seite ganz unten ist eine Broschüre „Was Vergesellschaftung kostet – Zahlen und Mythen“ verlinkt, die u.a. herleitende Informationen zu verschiedenen Preisen gibt:



      www.dwenteignen.de...igung_final3_b.pdf

      • 1G
        14390 (Profil gelöscht)
        @Uranus:

        Das sind schöne Träume, nur wird es keine Enteignung deutlich unter Marktwert geben. Erstens stehen dem die Präzedenzfälle der Vergangenheit entgegen - wenn bisher bei Enteignungen der Marktwert zu Grunde gelegt wurde, kann man dies jetzt nicht einfach nur wegen der finanziellen Größenordnung ändern. Das wäre Diskriminierung.



        Zweitens würde eine Enteignung deutlich unter Marktwert, wie wahrscheinlich das entsprechende Gesetz sowieso, über Jahre hinaus Gerichte und Anwälte beschäftigen - erst wegen der Enteignung als solche, dann wegen der Höhe der Entschädigung.



        Und selbst wenn das dann alles einmal durch sein dollte, wird es um die Zahlungsmodalitäten gehen: die Entschädigungen werden nämlich sofort fällig werden, es wird den enteigneten Unternehmen nämlich nicht zuzumuten sein, daß sie jahr(zehnt)elang darauf warten müssen, endlich ihre Entschädigung zu erhalten. Diese Unternehmen wollen auch bei einer Enteignung gerne weiter arbeiten, das geht aber nur mit entsprechendem Geldvermögen oder aber den Immobilien/Mieteinnahmen als Sicherheit für Kreditvergaben.



        Und man mag von Frau Giffey so wenig halten wie nan möchte, aber das alles weiß sie.

        • @14390 (Profil gelöscht):

          Wie heißt es so schön? Abwarten und Teetrinken. Entschädigung ist der zweite Schritt. Ich schlage vor, zunächst den ersten Schritt zu gehen. Wie entschädigt wird, WIRD zu klären sein. Vorauseilenden Gehorsam zu üben und dem Kapital und Eigentum huldigen wäre meines Erachtens angesichts des Volksentscheids und der elenden Mietverhältnisse fatal. Da würde ich doch erst mal ein Kreuzchen Pro Enteignung machen und Expert*innen und Anwält*innen machen lassen ...

          • @Uranus:

            Unbenommen, dass in der jetzigen Situation das "Kreuzchen pro Enteignung" das Richtige ist. Fakt ist aber auch, dass das Kapital allein schon die Dauer dieses Monsterverfahrens Volksbegehren genüsslich in seine Kalkulationen einbeziehen kann.



            Ein Gesetzgebungsversuch nach dem Anderen, und alle ziehen sich über Jahre hin - vielleicht ist das die neue Stabilität, die sich das Kapital schafft. Mieter*innen, die heute ihre Mieten nicht zahlen können, bringt das keine Erleichterung, keine realistische Perspektive.



            Dazu kommt die in gewissem Maß sedierende Wirkung dieser Verfahren. Sie binden Kräfte und erhalten vage Hoffnungen - irgendwo in ungewisser Zukunft. Insgesamt ist "Abwarten und Teetrinken" und "Anwält*innen machen lassen" keine Option für Mieter*innen, denen heute das Wasser bis zum Hals steht. Eher geht "Anwältinnen machen lassen", um die eigene Energie für die aktuellen Kämpfe einsetzen zu können, die sich leider woanders abspielen.

          • 1G
            14390 (Profil gelöscht)
            @Uranus:

            Vorauseilender Gehorsam? Huldigung? Ich würde es eher logisches Denken und Abwägen des politisch Möglichen und rechtlich Machbaren nennen. Und in allen diesen Kategorien fällt diese ganze Aktion der Enteignung/Vergesellschaftung schlicht durch. Vorausgesetzt natürlich, man kommt zu einer Entscheidung auf Grund der Analyse von Fakten. Wenn man sich die Argumente allerdings passend zum gewünschten Ergebnis sucht, mag das anders aussehen.



            Wie sagte schon die verstorbene Lady Margaret Thatcher, Baroness Thatcher of Kesteven, LG PC OM, ehemalige Premierministerin des Vereinigten Königreiches so treffend: "Das Problem des Sozialismus ist, dass ihm am Ende das Geld anderer Leute ausgeht".

            • @14390 (Profil gelöscht):

              Angesichts dessen, dass Sie die neoliberale Thatcher zitieren, sehe ich keinen Sinn in einer weiteren Diskussion.

              • 1G
                14390 (Profil gelöscht)
                @Uranus:

                Sehen Sie, das ist das große Problem heutzutage: daß die Frage, ob etwas wahr ist, weniger wichtig ist als die Frage, wer etwas gesagt hat.

                • @14390 (Profil gelöscht):

                  Naja, hier lässt sich schwer trennen zwischen Person, dessen Haltung/Handeln/Politik und der Phrase. Das sollte doch als Ganzes betrachtet werden. Es ist ja nicht verwunderlich, dass eine solche Aussage von Thatcher kommt. Ist eben ideologisch aufgeladen das Ganze.

            • @14390 (Profil gelöscht):

              "Das Problem des Sozialismus ist, dass ihm am Ende das Geld anderer Leute ausgeht".



              Toller Spruch, kannte ich nicht, trifft aber des Pudels Kern.