USA töten General Soleimani: Iran im Vorteil
Die Vereinigten Staaten machen immer wieder den gleichen Fehler: Sie denken nur an den nächsten Schritt – und nicht an die Folgen.
D onald Trump habe „eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen“, so beschrieb der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden ziemlich treffend die Lage im Irak. Das US-Militär hatte in der Nacht zum Freitag bei einem Luftangriff auf den Flughafen in Bagdad den bekanntesten iranischen General getötet: Qasim Soleimani, Chef der berüchtigten Al-Kuds-Brigaden.
Auch unter dem Präsidenten, der alles ganz anders machen wollte, wiederholen die USA den immer gleichen Fehler. Sie denken immer nur an den unmittelbar bevorstehenden Schachzug und verlieren dabei die Schachpartie aus den Augen.
Trump hatte mit seinem üblichen, von keinerlei Sachkenntnis getrübten Imponiergehabe in die Welt getwittert, dass er es den Ayatollahs in Teheran jetzt aber mal richtig zeigen werde und sie einen „hohen Preis“ bezahlen müssten. Ein tolles Gefühl – bis zum Gegenschlag, den der oberste geistliche Führer und mächtigste Mann im Land, Ajatollah Ali Chamenei, am Freitag bereits angekündigt hat.
Iran ist bei dieser neuen Eskalation in vielerlei Hinsicht im Vorteil. Erstens hatte Trump seinen Wähler*innen versprochen, dass er die Truppen heimholen und die USA nicht länger Weltpolizist spielen lassen werde. Ein Krieg mit dem Iran ausgerechnet im Wahljahr wäre vor diesem Hintergrund sehr ungünstig. Die Amerikaner*innen sind kriegsmüde und nicht willens, weitere Milliarden in militärische Konflikte zu investieren.
Alle nichtmilitärischen Mittel ausgeschöpft
Zweitens sitzt Iran am längeren Hebel. Er verfügt nicht nur über eine Armee und die gerade wegen Soleimanis Tod zu allem entschlossenen Revolutionsgarden, sondern er kann über seine Verbündeten und Stellvertreter auch einen asymmetrischen Krieg führen.
Allein Angriffe der schiitischen Milizen auf US-Ziele im Irak könnten verheerende Folgen haben. 2.000 Demonstranten kann die US-Botschaft in Bagdad vielleicht noch standhalten.
Aber was, wenn es 20.000 sind? Teheran könnte außerdem dafür sorgen, dass die libanesische Hisbollah Israel attackiert oder die jemenitischen Huthi-Rebellen erneut den wichtigen Verbündeten Saudi-Arabien. Auch Anschläge auf US-Einrichtungen in einem westlichen Land wären denkbar.
Drittens hat Trump an nichtmilitärischen Mitteln schon alles ausgeschöpft. Die in seinen Worten „härtesten Sanktionen aller Zeiten“ sind über Iran bereits verhängt. Washington hatte das internationale Atomabkommen mit Teheran 2018 gekündigt und Strafmaßnahmen ergriffen mit dem Ziel, die Iraner zu Nachverhandlungen zu zwingen. Hat nicht funktioniert.
Waffen direkt aus Iran
Viertens hat Iran seinen Einfluss im Nahen und Mittleren Osten in den letzten zehn Jahren enorm ausweiten können – teilweise auch dank der US-Politik – und ist kaum mehr zurückzudrängen. Der Irakkrieg 2003 und der Sturz Saddam Husseins haben die bis dahin unterdrückte Bevölkerungsmehrheit der Schiiten an die Macht gebracht.
Ihr Verbündeter und Einflüsterer: Teheran. Im Libanon ist die schiitische Hisbollah-Miliz in das Machtzentrum aufgestiegen, als einzige politische Kraft mit einem eigenen militärischen Arm. An den Wänden der Hisbollah-Büros hängen Porträts von Ajatollah Chamenei. Die Waffen kommen direkt aus Iran.
In Syrien hat Iran den Krieg für das Regime von Baschar al-Assad, einem dem Schiitentum nahestehenden Alawiten, gewonnen. Iranische Stützpunkte stehen in Syrien nun so nahe wie nie zuvor an der israelischen Grenze. Im Jemen haben die schiitischen Huthi-Rebellen die Hauptstadt übernommen und bereits mehrfach den US-Verbündeten Saudi-Arabien empfindlich getroffen. Kurzum: Iran ist trotz Sanktionen und Ächtung seitens der USA so mächtig und einflussreich wie nie zuvor.
Die Vereinigten Staaten haben den Aufstieg Irans zur Regionalmacht nicht verhindert und werden ihn auch in Zukunft nicht eindämmen können. Mehrere Schritte im Voraus zu denken überfordert den Präsidenten. Donald Trump hat nicht das Zeug zum Schachspieler.
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