US-Whistleblower in Moskau: Russischer Pass für Snowden
Der Whistleblower und seine Frau wollen vorerst in Russland bleiben. Für Putin wäre das ein Propagandaerfolg, für die USA ein Armutszeugnis.
Was 2013 eigentlich nur eine kurze Zwischenstation auf dem Weg nach Ecuador sein sollte, ist für Edward Snowden mittlerweile ein siebenjähriger Aufenthalt geworden. Seitdem ist der wohl bekannteste Whistleblower der Welt in Russland gestrandet und lebt im Moskauer Exil. Nach den Enthüllungen über die illegale Massenüberwachung des US-Geheimdienstes NSA hatte die US-Regierung seinen Reisepass für ungültig erklärt. US-Bürger ist er aber weiterhin.
Nachdem Russland dem 37-jährigen Snowden Ende Oktober erlaubte, dauerhaft im Land zu bleiben, will der Whistleblower nun den nächsten Schritt gehen. Zusammen mit seiner Ehefrau Lindsay Mills, die mit ihm in Moskau wohnt, will er die russische Staatsbürgerschaft beantragen, schreibt er auf Twitter. „Nach Jahren der Trennung von unseren Eltern haben meine Frau und ich keine Lust, von unserem Sohn getrennt zu werden.“ Ein Foto zeigt ihn mit der schwangeren Mills.
„Lindsay und ich werden Amerikaner bleiben und unseren Sohn mit all jenen amerikanischen Werten erziehen, die wir so lieben, etwa die Meinungsfreiheit“, schreibt Snowden weiter auf Twitter. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist in Russland seit April rechtlich möglich.
Während Snowden im aktuellen Tweet wiederholt, dass er gerne in die USA zurückkehren möchte, sofern ihn dort ein faires Verfahren erwartet, scheint er sich nun darauf einzustellen, länger und womöglich sogar für den Rest seines Lebens in Russland zu bleiben. Snowdens genauer Aufenthaltsort ist geheim, er selbst hat Russisch gelernt und bezeichnet Moskau als eine „wunderschöne Stadt.“
Propagandaerfolg für Putin
Nun ist diese Meldung für die USA und all jene Staaten, in denen Snowden politisches Asyl beantragt hatte und wo ihm aus Angst vor der US-Regierung die Einreise verweigert worden ist, darunter auch Deutschland, ein Armutszeugnis. Denn Snowden muss ausgerechnet in einem Land politisches Asyl und eine Staatsbürgerschaft beantragen, dessen Regierung keinen guten Ruf darin hat, die Bürger*innenrechte zu respektieren.
Für Russland ist alleine die Meldung zur beantragten Staatsbürgerschaft Snowdens indes ein voller Propagandaerfolg, zumal so kurz vor den US-Wahlen. Putin kann sich als Beschützer von US-Bürger*innen aufspielen, die im eigenen Land Repressionen ausgesetzt sind.
Die doppelte Staatsbürgerschaft kann man aber auch als Vorsichtsmaßnahme Snowdens interpretieren. Denn die US-Regierung und die Geheimdienste versuchen seit Jahren, den Whistleblower in die Finger zu bekommen und ihm den Prozess zu machen. So könnte die NSA beantragen, Snowden die US-Staatsbürgerschaft zu entziehen. Im US-Recht ist das etwa möglich, wenn ein*e Bürger*in „auswärtige Handlungen wie die Suche nach einem Amt in einem fremden Staat vornimmt“.
Als „Amt“ zählt die US-Regierung dabei womöglich auch den russischen Geheimdienst FSB. Seit Jahren unterstellt die NSA Snowden, mit dem FSB zusammenzuarbeiten, er selbst bestreitet das, unter anderem in seinen Memoiren Permanent Record, in dem er von frühen Anwerbungsversuchen schreibt. Für den US-Geheimdienst dagegen könnte die russische Staatsbürgerschaft als „endgültiger Beweis“ gewertet werden.
Durch den Entzug der Tantiemen seines Buches und aller Vorträge zum Thema versucht die US-Regierung, Snowden die Lebensgrundlage zu entziehen. Ähnlich wie im Fall des Wikileaks-Gründer Julian Assange kann sie dabei auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus Einfluss ausüben. Vielleicht kann Snowden nun mit seiner Familie in Moskau einen Neuanfang wagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?