Auslieferungsersuchen aus Washington: Langes Grübeln über Snowden
Würde Deutschland Snowden an die USA ausliefern, falls er in die Bundesrepublik einreist? Nach fast vier Jahren hat die Regierung darauf keine Antwort.
BERLIN taz | Wäre Deutschland zur Festnahme und Auslieferung von Edward Snowden verpflichtet, falls dieser nach Deutschland käme? Vier Jahre nach Snowdens Flucht aus den USA kann die Bundesregierung diese Frage immer noch nicht beantworten. „Die Bundesregierung prüft derzeit, ob ihr alle erforderlichen Informationen vorliegen“, lautet die denkwürdige Antwort auf eine Anfrage der Linken.
Im Sommer 2013 deckte Whistleblower Edward Snowden ein globales Massenüberwachungssystem des US-Geheimdienstes NSA auf. Am 3. Juli 2013 ersuchte die US-Regierung Deutschland, Snowden sofort festzunehmen und auszuliefern, sollte er deutschen Boden betreten.
Zweimal hat das Bundesamt für Justiz im Auftrag der Bundesregierung die USA um nähere Informationen über die Vorwürfe gegen Snowden gebeten. Zweimal antwortete das US-Justizministerium, doch die Bundesregierung will den Abgeordneten den Inhalt der Antwort nicht mitteilen. Die US-Seite habe um „Vertraulichkeit“ gebeten.
Entscheidende Frage ist, ob Snowdens Geheimnisverrat als „politisches Delikt“ einzustufen ist. Denn im deutsch-amerikanischen Auslieferungsvertrag von 1978 heißt es in Artikel 4: „Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die Straftat, derentwegen sie begehrt wird, vom ersuchten Staat als eine politische Straftat (…) angesehen wird.“
Für die linke Innenpolitikerin Martina Renner ist der Fall klar: „Zweifelsfrei handelt es sich bei den Vorwürfen gegen Edward Snowden um ein politisches Verfahren, sodass ein Auslieferungshindernis vorliegt.“ Dass sich die Bundesregierung schon so lange vor der Frage des Auslieferungsschutzes drückt, sei ein „Versagen des SPD-geführten Justizministeriums“.
Dabei ist es nicht einmal unüblich, dass Deutschland Auslieferungsbegehren der USA verweigert. Seit 2005 ist dies bereits zehn Mal geschehen, teilt die Bundesregierung mit. Zu den Gründen führe sie aber keine Statistik.
Leser*innenkommentare
Pfanni
@ KONOLD KLAUS: Betreffs Putin sollten wir allerdings nicht vergessen, wie er mit Whistleblowern aus dem eigenen Land umspringt.
Alexander Litwinenko, ebenfalls Geheimdienstler wie Snowden, hatte das „System Putin“ scharf kritisiert und konnte sich, wie Snowden, nur durch Flucht retten, bis ihn in GB der lange Arm des russischen Geheimdienstes FSB einholte. Er wurde mit der radioaktiven Substanz Polonium vergiftet und starb nach mehrwöchigem, qualvollem Todeskampf.
Oder die Journalistin Anna Politkowskaja, die über Menschenrechtsverletzungen der russischen Truppen in Tschetschenien berichtete und erschossen wurde.
In beiden Fällen blieben die Auftraggeber im Dunklen.
Wo war da die Sympathie Putins für verfolgte Whistleblower?
571 (Profil gelöscht)
Gast
Sie rennen da bei mir eine offene Tür ein.
Es ging mir allein um den Schutz Snowdens.
Pfanni
Wenigstens gibt es in D. ein „Grübeln“ über den Fall Snowden. Die meisten anderen Staaten betonten bereits zu Beginn, dass sie kein Interesse an ihm hätten – fertig.
Dabei gibt es durchaus Staaten, die ihn sehr gern aufnehmen würden, z. B. Venezuela. Die Präsidenten Chávez und Maduro haben das immer wieder betont. Allerdings müsste Snowden von Wahl zu Wahl zittern, ob die gegenwärtige Regierung wiedergewählt wird oder ob eine andere Regierung dann noch Interesse an ihm hat.
571 (Profil gelöscht)
Gast
Egal, welche Strategie Putin mit dem Asyl für Snowden verfolgt, wir sollten ihm den Schutz dieses berühmtesten Whistleblowers aller Zeiten hoch anrechnen.
Venezuela würde ich ihm auch abraten...
Velofisch
In der Regel liefert Deutschland Deutsche nicht an die USA aus. Das ist grundgesetzlich so geregelt und wird auch von den USA so akzeptiert. Den USA ein politisches Verfahren zu unterstellen, ist da eine andere Nummer. Dies würde in der Tat Rückrat erfordern. Möglicherweise fällt dies einer deutschen Regierung gegenüber Trump sogar leichter als gegenüber Clinton. Auch könnte Trump dazu führen, das Europa wieder enger zusammen rückt. Schröder hatte zumindest etwas Rückrat gegenüber George Bush und musste dies aber mit dem Verlust seines Amtes bezahlen. Frau Merkel wäre auch ganz schnell weg vom Fenster, wenn die USA dies wollten. Der CIA müsste nur Informationen über ihre Stasi-Vergangenheit an die Presse lancieren. Vermutlich gibt es ähnliche Druckmittel gegen die Opportunisten Gabriel und Schultz. Herr Maas hat sowieso bewiesen, dass er von Rechtstaatlichkeit wenig hält. Das waren noch Zeiten, als eine Frau Leutheuser-Schnarrenberger im Justizministerium Grundrechte und Rechtstaatlichkeit verteidigt hatte. Aber wer einen Schwarzgeldhändler zum Finanzminister macht, der macht auch Maas zum Justizminister.
571 (Profil gelöscht)
Gast
Schon lange nicht mehr gesehen, dennoch nicht ausgestorben:
"Dies würde in der Tat Rückrat erfordern."
Es heißt "Rückgrat", wie "Gräte" beim Velofisch...
571 (Profil gelöscht)
Gast
„Versagen des SPD-geführten Justizministeriums“
Snowden wäre nicht der erste Fall, bei dem SPD-geführte Minsterien versagten.
Man wird das Gefühl nicht los, dass unsere Regierungen seit Jahren die Hosen voll bekommen, wenn sie gegenüber den USA klare Kante zeigen sollten.
Wäre dies jetzt bei Herrn Maas ausnahmsweise anders, grenzte dies an ein Wunder.
nzuli sana
Ich glaube viele EinwohnerInnen würden Snowden nicht ausliefern -
die Bundesregierung schon.