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US-Untersuchung zum Sturm aufs Kapitol„Ich dachte, ich werde sterben“

Beim Auftakt des Untersuchungsausschusses sprechen vier Polizisten. Der Angriff auf das Kapitol war für sie gefährlich und traumatisch.

Hatte Todesangst: Polizist Aquilino Gonell im US-Kongress Foto: ap

Washington taz | Es war ein Tag voller Angst, Wut und Verzweiflung. So beschrieben vier US-Polizisten die Ereignisse des 6. Januar. Die vier Polizeibeamten zeigten sich äußerst emotional, als sie am Dienstag während der ersten Anhörung des Untersuchungsausschusses im US-Kongress zu den Vorfällen dieses traumatischen Tages befragt wurden.

„Meine Kollegen und ich wurden von einem gewalttätigen Mob geschlagen, gestoßen, getreten, bedrängt, mit chemischen Reizmitteln besprüht und mit Lasern geblendet. Sie sahen in uns Gesetzeshütern wohl ein Hindernis für ihren Putsch-Versuch“, sagte US-Kapitol-Polizist Aquilino Gonell.

Am 6. Januar 2021 stürmten hunderte von Anhängern des Ex-US-Präsidenten Donald Trump das US-Kapitol, um die Ratifizierung des Wahlergebnisses und somit den Wahlsieg von Joe Biden zu verhindern. Fünf Menschen kamen bei den Ausschreitungen in der US-Hauptstadt ums Leben.

Gonell verglich die Szenen, die sich vor mehr als sechs Monaten in Washington abgespielt hatten, mit einem mittelalterlichen Schlachtfeld. Er erinnerte sich an die qualvollen Schreie von anderen Polizisten*innen, als die Menge die Barrikaden durchbrach und das Kapitol stürmte. Auch er selbst wurde von der gewaltbereiten Horde fast erdrückt.

Mehr Angst als beim Einsatz im Irak

„Ich fühlte es am eigenen Leib, wie mir der Sauerstoff ausging. Ich dachte mir: 'So werde ich also sterben, niedergetrampelt beim Versuch den Eingang zu verteidigen’“, sagte Gonell mit gebrochener Stimme.

Auch die Morddrohungen, die von Trump-Anhängern gegen den damaligen Vizepräsidenten Mike Pence und die Demokratin Nancy Pelosi gerichtet wurden, blieben ihm in Erinnerung. Zudem musste er sich von der Horde als „Verräter“ beschimpfen lassen. Für Gonell, der ursprünglich aus der Dominikanischen Republik stammt und für die US-Armee im Irak-Krieg gekämpft hatte, ist der 6. Januar ein Tag des Grauens.

„Zum ersten Mal hatte ich mehr Angst, am Kapitol zu arbeiten als während meines gesamten Einsatzes im Irak“, sagte er. „Im Irak rechneten wir mit bewaffneter Gewalt, da wir uns in einem Kriegsgebiet befanden. Doch nichts bereitete mich während meiner Zeit in der Armee oder im Polizeidienst darauf vor, was uns am 6. Januar erwartete.“

Auch mehr als ein halbes Jahr danach sind die Auswirkungen im ganzen Land weiter spürbar. Mehr als 550 Personen wurden bisher im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Kapitol verhaftet, und die Ermittlungen gehen weiter. Noch immer gibt es Politiker auf republikanischer Seite, die die Ereignisse des 6. Januar verharmlosen und an der von Donald Trump in die Welt gesetzten Lüge eines angeblichen Wahlbetrugs festhalten.

Republikaner sind sauer über den Untersuchungsausschuss

Washington-Metropolitan-Polizist Michael Fanone bezeichnete die Gleichgültigkeit, die ihm und seinen Kollegen von einigen republikanischen Kongressabgeordneten im Nachhinein entgegengebracht wurde, als beschämend.

„Ich bin in die Hölle und zurück gegangen, um sie zu beschützen“, sagte Fanone mit lautem Ton während der Anhörung. Die Realität zu verleugnen, sein für ihn ein „Verrat des Amtseids“.

Es war die erste Anhörung des Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der Geschehnisse des 6. Januar. Die politische Unabhängigkeit des Ausschusses wurde jedoch bereits im Vorfeld in Frage gestellt.

Der Untersuchungsausschuss besteht aus sieben Demokraten und nur zwei Republikanern. Ursprünglich hatte der republikanische Fraktionsvorsitzende Kevin McCarthy fünf Republikaner nominiert – allerdings lehnte Repräsentantenhauschefin Nancy Pelosi zwei davon ab, weil sie wegen ihrer großen Nähe zu Ex-Präsident Trump womöglich selbst als Zeugen befragt werden könnten und ihre Mitgliedschaft im Ausschuss dessen „Integrität“ infrage stellen würde. Die republikanische Fraktionsführung zog daraufhin ihre Beteiligung komplett zurück und lediglich die republikanischen Trump-Gegner Adam Kinzinger und Liz Cheney akzeptierten die Berufung.

„Wir können die Gewalt des 6. Januar und die Gründe dahinter nicht unerforscht lassen“, sagte Liz Cheny. „Wir müssen wissen, was hier im Kapitol geschah. Wir müssen außerdem wissen, was zu jeder Minute an diesem Tag im Weißen Haus vor sich ging. Jeder Telefonanruf, jedes Gespräch, jedes Treffen bevor, während und nach dem Angriff“, so Cheney.

Ein Termin für die nächste Anhörung des Untersuchungsausschusses steht noch nicht fest. Aber wie Demokrat Adam Schiff im Gespräch mit NPR erklärte, werden die Mitglieder alles versuchen, um Antworten zu bekommen. Dazu könnte auch eine Zwangsvorladung für Ex-Präsident Trump zählen.

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12 Kommentare

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  • Ach, Mitgefühle aus Deutschland.

    Er hatte mehr Angst als der Einsatz in Irak.. Wo fast täglich richtig große Bomben (noch heute) explodieren, oder jeder Tag eine Falle für US-Soldaten vorbereitet war.

    • @Robert Boyland:

      Im Irak sind seit dem Einmarsch (AFAIK) rund 5.000 US-Soldaten gestorben. Also pi mal Daumen 300 pro Jahr. Da ist die Chance, sich in den USA eine "Kugel zu fangen" wesentlich höher.

    • @Robert Boyland:

      Polizisten sind nunmal keine Soldaten und amerikanische Soldaten hatten im Irak doch tatsächlich niemals etwas zu suchen. Zur Erinnerung: George Bush erzählte den Amerikanern und den Europäern die Lüge von den Massenvernichtungswaffen im Irak und konstruierte Verbindungen des Irak zu Al-Qaida, um einen Krieg im Irak anzuzetteln. Das alles war nachweislich gegenstandslos.

      de.wikipedia.org/w...ung_des_Irakkriegs

  • Erinnern wir uns noch, als in den 90erjahren "action news" uÄ in den USA aufkamen und wir uns darüber lustig gemacht haben, dass die Verwertungslogik kommerzieller Nachrichten sie dazu gebracht hat, komplexe politische und strukturelle Geschehnisse in Geschichten des "individuellen Leides" zu übersetzen, möglichst sichtbar!, damit sie auch persönlich.emotional anschlussfähig waren für de Menschen, denen man damit Turnschuhe verkaufen wollte?

    Entgegen gegenwärtiger Narrative waren natürlich kommerzielle Kabelkanäle der 90er die Katalysatoren dieser Emotionalisierung in Panik-, Angst-, Trauer, und "Trauma"-Geschichten, nicht etwa das Internet. Und diese STruktur ersetzt Analyse durch diese Leuchtturmsymbole der angeblichen WIchtigkeit (weil es Herrn X jetz schlecht geht, zeigt uns das an.. ja, was?)

  • Dass der Anführer dieses Terrorangriffs auf das Kapitol - Donald Trump - immer noch auf freiem Fuß ist, spricht für mich eindeutig gegen das amerikanische Rechtssystem.

    • @Rainer B.:

      Hat Tradition dort. Die Kriegsverbrecher Nixon, Kissinger, Reeagan, Bush, Rumsfeld, Rice und wie sie alle hießen haben sich auch nie vor Gericht verantworten müssen.

      • @Kaboom:

        Fügen wir Mr. Obama zur Liste nicht?

        Keywords: Syrien und Libyen.

        • @Robert Boyland:

          Hab kein Problem damit. Wollte nur die Liste nicht endlos verlängern :-)

  • Durch diesen Beitrag erfahren sicher Viele, dass es in der Polizei nicht nur Typen von der Art eines Derek Chauvin gibt, der George Floyd umbrachte, indem er >8 Minuten auf dessen Hals kniete. Sondern dass es „sone“ und „solche“ gibt. In die Medien schafft es aber meist nur die eine Sorte.



    Gilt übrigens auch für die Polizei hierzulande: Als nämlich im vergangenen August der aufgehetzte Mob vor dem Reichstagsgebäude von der Polizei aufgehalten wurde, statt ihn in den Sitzungssaal zu eskortieren. Selbst Dietmar Bartsch (Linke) kam damals nicht umhin, (ausnahmsweise mal) die Polizei zu loben!

  • Zitat: „Ich fühlte es am eigenen Leib, wie mir der Sauerstoff ausging. Ich dachte mir: 'So werde ich also sterben…“

    Ähnliches mag auch George Perry Floyd durch den Kopf gegangen sein, bevor er am 25. Mai 2020 in Minneapolis erstickt ist, nachdem der Polizeibeamte Derek Chauvin ihm neun Minuten und 29 Sekunden lang mit vollem Körpergewicht das Knie auf den Hals gedrückt hatte.

    Ich bin fast sicher, falsch interpretiert zu werden von einigen Leser*innen, aber dass „nichts“ Michael Fanone auf das vorbereitet hat, was ihm am 6. Januar 2021 vor dem Kapitol geschehen ist, kann ich nicht glauben. Wenn der Mann tatsächlich schon länger im Polizeidienst arbeitet und zuvor auch als Soldat im Irak gedient hat, kennt er Gewalt. Er weiß, dass die Gesellschaft, in der er lebt, nicht unbedingt friedlich ist. Er ist es bloß nicht (mehr) daran gewöhnt, auf der Seite der Opfer zu stehen.

    Nichts gegen Polizisten, die starke Emotionen zeigen, aber eine gewisse Pflicht zum Selberdenken und Mitfühlen trifft sogar Menschen, die von Beruf Befehlsempfänger sind. Unwissenheit, das ist ein Rechtsgrundsatz in Rechtsstaaten, schützt nicht vor Strafe. Wenn der „Staatsdiener“ Michael Fanone tatsächlich geglaubt hat, Amerika oder seine Repräsentanten hätten ihm mit der Uniform und dem Arbeitsplatz an der Schwelle zur Macht auch eine Garantie auf Unantastbarkeit gegeben, wurde er eines Besseren belehrt. Für ihn persönlich tut mir das leid. Nur hilft mein Mitleid niemandem.

    Wo jeder sich selbst der Nächste ist, ist Vorsicht nun mal erste Bürgerpflicht. Daran ändern Tränen gar nichts. Das ändert sich nur, wenn sich viele Menschen bewusst machen, dass niemand sicher ist, so lange nicht alle sicher sind - und entsprechend handeln. Sollen sich die Herren und Damen Abgeordneten doch selber schützen, so lange sie Gewalt noch für legitim halten! Ihren Beschützern freie Hand zu lassen in Sachen (vorbeugende) Selbstverteidigung, ist jedenfalls keine Lösung.

    • @mowgli:

      Naja, letztendlich ist der eine genauso unvorbereitet auf die Situation gewesen wie der andere.



      Wer ist schon "bereit" dem Tod ins Auge zu sehen? Oder gar gewaltsam zu sterben?

      Es zeigt wohl einfach nur dass Menschen eben Menschen sind - egal ob mit oder ohne Uniform.

      "Besonderes" Mitgefühl hat er deswegen nicht verdient, aber ganz normales menschliches Mitgefühl - durchaus.

      Ich stimme natürlich voll und ganz zu wenn Sie sagen "...dass niemand sicher ist, so lange nicht alle sicher sind - und entsprechend handeln".



      Das sollte sich tatsächlich jeder bewusst machen - und entsprechend handeln ;)

    • @mowgli:

      Das Gefühl, bei seiner Aussage von Menschen missverstanden zu werden, könnte ja auch ein kleiner Hinweis auf eigene Widersprüche und fehlende Betrachtungswinkel in der eigenen Meinungsbildung sein. Nur so als Tipp. Leider gelingt es Ihnen nicht bei einer Uniform mehr als ein Repressionsmittel zu sehen. Schade.